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Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (222): Feigenwespen machen es äußerst kompliziert bei ihrer Symbiose mit Feigen.

Mann, sind die süß! Gestatten, Feigenwespen in Aktion Foto: Christian Ziegler/Alamy/mauritius images

Bei den Symbiosen zwischen Pflanzen und Insekten gibt es „die verrücktesten Formen gegenseitiger Abhängigkeiten“, schreibt das Schweizerische Zentrum für Bienenforschung: „Auf die Spitze getrieben haben es dabei Feigenwespe und Feige.“ Bei der Feigenfrucht handelt es sich genau genommen um Blütenbehälter, es gibt sie an zwei Baumtypen: Die männliche „Bocksfeige“ entwickelt nur ungenießbare Feigen mit männlichen sowie mit sterilen, kurzgriffligen weiblichen Blüten. Der weibliche (echte) Feigenbaum bildet dagegen die „Essfeigen“ mit fruchtbaren, langgriffligen weiblichen Blüten.

Das Weibchen der Feigenwespe „dringt in den engen Eingang der männlichen Feige ein, oft fallen dabei Flügel- und Fühlerteile ab, und legt seine Eier in die sterilen kurzgriffligen weiblichen Blüten“. Durch die Eiablage bilden sich aus den Blüten Gallen. Zuerst schlüpfen die Männchen aus ihnen – und begatten die jungen Weibchen, „die noch geschützt in den Blüten harren“, wobei die Männchen die Blütenstände anschließend nicht mehr verlassen.

Durch die Löcher, die sie in die Feige bohrten, um zu den Weibchen zu kriechen, gelangen jedoch die befruchteten Weibchen mit Pollen beladen ins Freie, um die langgriffligen weiblichen Blütenstände der echten Feigen anzufliegen und zu bestäuben. Zur Eiablage müssen sie dann aber wieder eine männliche Brutfeige aufsuchen, damit daraus Nachkommen werden können.

„Irrt sich ein Weibchen in einer weiblichen Feige, werden die Blüten zwar großzügig bestäubt, da die Griffel aber zu lang zur Eiablage sind, bleiben Nachkommen aus“, schreiben die Schweizer Bienenforscher. Kurzum: Wenn ein befruchtetes Weibchen eine weibliche Feige anfliegt, wird diese befruchtet, aus ihren dort eventuell auch noch abgelegten Eiern wird aber nichts. Wenn es dagegen eine männliche Feige anfliegt, ist es umgekehrt. Macht sie alles richtig, entstehen daraus neue Feigenwespen und süße Feigen – beliebt bei Menschen, Vögeln, Eichhörnchen, Affen und Flughunden.

Alfred Brehm schrieb 1884 über diese komplizierte Sym­bio­se: „Es ist bekannt, daß schon die Alten sich eine Gallwespe zu Nutze machten, um saftigere und wohlschmeckendere Feigen zu erlangen, und noch heutigen Tages verwendet man in Griechenland große Sorgfalt darauf, die ‚Kaprifikation‘ [künstliche Befruchtung] der Feigen an den veredelten Bäumen durch dieses Thier zu bewirken. Es lebt in den wilden Feigen und ist zu der Zeit, wo diese noch unreif sind, vollkommen entwickelt, würde auch noch darin bleiben, wenn man es nicht störte. So aber pflückt man diese Feigen […] und wirft sie auf die Zweige der edlen Feigenbäume; das Austrocknen und Zusammenschrumpfen der wilden Feigen veranlaßt die Insekten, aus diesen herauszukommen, eine (abnorme) zweite Brut zu bilden und die veredelten Feigen für diese als Wohnung zu wählen. Ehe dieselbe zur Entwickelung gelangt, werden die Feigen geerntet; sie geht daher zu Grunde, nachdem sie durch ihre Anwesenheit den Saftreichthum der Frucht vermehrt hat.“

Georg Wilhelm Friedrich ­Hegel war bereits 1830 in seiner Vorlesung „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse“, indem er auf „Die vegetabilische Natur“ zu sprechen kam, auf die Feige und die Feigenwespe eingegangen. Über das „Reifen der Frucht“ auf den weiblichen Feigen meinte er, es käme dabei auf das Verletzen der Frucht, die Kaprifikation, durch das Insekt an – und nicht auf den von ihm übertragenen Pollen, denn er ging dabei von der Geschlechtslosigkeit der Pflanzen aus. Erst der Botaniker Hermann Graf zu Solms-Laubach hat dann 1885 den genauen Befruchtungsvorgang entdeckt und beschrieben – das „Anstechen“ oder „Einritzen“ der Frucht war dabei nicht der Punkt.

2012 kam der israelische Botaniker Daniel Chamovitz in seinem Buch „Was Pflanzen wissen“ noch einmal darauf zurück: „Die alten Ägypter schlitzten [vor der Ernte] ein paar Feigen auf, um die Früchte eines ganzen Baumes reifen zu lassen“, und dies geschah, weil sich dadurch ein Pflanzenhormon, Ethylen, „das für die Reifung der Früchte zuständig ist“, verbreitet.

Aus der Feigenbaumernte in Kalifornien wurde nichts. Sie hatten die Feigenwespe nicht mit importiert

Hegel hatte seinerzeit die Feigenschlitztheorie bereits dahingehend ergänzt, dass „in unseren Gegenden, wo der männliche Baum und das Insekt fehlen, die Samen der Feigen nicht vollendet werden“. Diese Erfahrung mussten Obstbauern in Kalifornien später noch einmal machen, als sie Feigenbäume aus dem Mittelmeerraum einführten. Aus der Ernte wurde nichts, weil sie die dazugehörige Feigenwespe nicht mit importiert hatten.

Berühmt ist die heilige Indische Feige (Ficus ­benghalensis, auch Bengalische Feige genannt): „Die Bäume enthalten sowohl männliche, weibliche als auch sterile Blüten und bringen die für Feigenbäume charakteristischen Früchte hervor. Diese Früchte des Bayanbaumes sind verhältnismäßig klein und unauffällig, aber überraschend süß und wohlschmeckend“, heißt es auf immerlan.de. Der Baum dient vielerorts als Dorfmittelpunkt.

Der Banyanbaum wächst laut academic.ru „epiphytisch auf einem beliebigen Wirtsbaum, der zunächst keinen Schaden nimmt, da der Banyan kein Schmarotzer ist. Er sendet Luftwurzeln aus, die sich mit der Zeit zu einem dichten Netz entwickeln. Haben die Wurzeln den Boden erreicht, kommt es zu einem Wachstumsschub, da die Pflanze nun nicht mehr ausschließlich auf das Substrat, das sich auf dem Wirtsbaum angesammelt hat, angewiesen ist. Mit zunehmendem Wachstum wird der Wirtsbaum erdrückt und stirbt ab.“

Die Bezeichnung Banyan geht auf die Banjan, hinduistische Händler, zurück. Sie versammelten sich unter diesen Bäumen; ihr Name wurde von Europäern auf die Bäume übertragen. Dörfliche Widerstandsbewegungen gegen Regierungspläne (Staudämme zum Beispiel) beginnen in Indien fast immer unter einem Banyanbaum. Aber die Banyan­feige ist nur eine von vielen indischen Feigenbaumarten.

Arundhati Roy erwähnt in einem Aufsatz über den Kaschmirkonflikt ihren heutigen Ex-Ehemann, den Ökologen und Filmemacher Pradip Krishen, der bereits mehrere Bücher über Bäume veröffentlicht hat: „Er schreibt gerade ein weiteres. Es gibt darin ein Kapitel über die Befruchtung von Feigen, jede Feige wird von ihrer spezialisierten Feigenwespe befruchtet. Und es gibt fast 1.000 verschiedene Arten von Feigenwespen.“

Die US-Biologin Meg ­Lowman ist eine Baumkletterin, das heißt, sie erforscht das Leben in den Baumkronen. Für ihr Buch „Der unentdeckte Kontinent“ (2022) kletterte sie auch auf Banyan­bäume, wo sie oben einige kleine Fressfeinde der Feigenwespe entdeckte. Die Bäume werden bis zu 30 Meter hoch, aus ihren Luftwurzeln werden weitere Banyanbäume, die ­schließlich einen kleinen Wald bilden.

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