Die Wahrheit: Singapur pur
Tagebuch einer Weiterreisenden: Auf dem Weg nach Neuseeland Zwischenstopp im Inselstaat, in dem Kaugummi-Wegwerfen hochgefährlich sein kann.
S eit einer Ewigkeit besteht der Plan, Freunde in Neuseeland heimzusuchen, und jetzt ist der Ernstfall eingetreten. Zwischen zwei Bahnstreiks schaffen Reisebegleitung G. und ich es in das Flugzeug zum Stopover nach Singapur. Selbstverständlich sind wir penibel vorbereitet und wissen, dass es dort streng verboten ist, mit Kaugummi rumzumüllen, allerdings überraschen uns ganz andere Herausforderungen.
Aus unerfindlichen Gründen will G. nämlich unbedingt zum „Garden by the Bay“ und dort mit bunt blinkenden Lichtlein bestückte pilzartige Stahlmonster namens „Supertrees“ bewundern. Vorher jedoch stellt sich die Aufgabe, die achtspurige Straße zur gegenüberliegenden Bushaltestelle zu überwinden.
Mit dem Versprechen, garantiert auf der anderen Seite anzukommen, locken hinterhältige Singapurer uns in eine tiefgekühlte Shoppingmall mit angeschlossenem Hotelbetrieb, wo wir in kürzester Zeit in ein schwarzes Konsumloch gesaugt werden. Auf der verzweifelten Suche nach dem Ausgang irren wir durch „Louis Vuitton“- und „Versace“-Labyrinthe, crashen im Tagungszentrum die Präsentation irgendeines Superinvestors, stolpern am Ende dunkler Gänge in einen offenen Lastenfahrstuhl und landen in der Tiefgarage, aus der wir uns endlich erschöpft zurück ins nicht klimatisierte Freiluftdampfbad schleppen.
Immerhin kommt der Bus, und bald bestaunt G., begleitet von einer schmalzigen „Garden Rhapsody“, glücklich ihr Kulturschauspiel, während sich hinter uns ein 55 Etagen hoher, rosa angestrahlter Hotelalptraum mit Casinos, Malls und 2.500 Zimmern auftürmt, der jederzeit auf uns fallen kann.
Der Abend schreit nach Alkohol. Kaum haben wir, inzwischen routiniert, mehrere Shoppingcenter durchquert, finden wir eine Bar. Sogar am Wasser! Leider bricht pünktlich zu unserer Ankunft die Hölle los: ohrenbetäubendes Taylor-Swift-Gequake, hochgereckte Handys – eine Lightshow! Wie toll! Ich gieße Gin Tonic in mich hinein und lasse den Kopf auf die Tischplatte sinken.
Auf dem Heimweg durch eisige Malls und Walkways in die bierleichen- und stäubchenfreie U-Bahn halluziniere ich wehmütig Bilder von Berlin, wo man zwar durch Müllberge watet, dafür aber mehr oder weniger shoppingcenterfrei über die Straße kommt. „Dir kann man mal wieder nix recht machen“, stichelt G..
Anderntags bei der Einreise nach Neuseeland stürzt sich ein Beagle freudig auf unser Gepäck. „Wie niedlich!“, seufzt G. verzückt und streichelt drauflos. „Don’t touch, he’s working!“, bellt der Zollbeamte. Dann will uns der Autovermieter anstelle des bestellten Kleinfahrzeugs eine Art Panzer unterschieben, was G. überhaupt nicht niedlich findet, und die Entscheidung fällt auf Sitzblockade. Gegen zwei demogestählte Boomerinnen hat der Milchbart keine Chance, am Ende besteigen wir siegreich einen Zweitürer. Ab jetzt gilt „Schafe statt Shoppen“. Stay tuned for more …
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