Die Wahrheit: Tierfreund mit ohne Teller
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Cem „Ötzi“ Özdemir, grüner Pflanzen-Gourmet und künftiger Kretschmann.
Er ist anders als die anderen Landwirtschaftsminister, die längst so tot sind wie die Tiere, die sie gegessen, verdaut und wieder hinausgedrückt haben: anders als der kartoffelförmige Ignaz Kiechle (1983–1993), anders als der einer vollen Kuh ähnelnde Josef Ertl (1969–1983), anders als Hermann „Schweinchen“ Höcherl (1965–1969) und anders als Heinrich „Hammel“ Lübke (1953–1959).
Der seit November 2021 oberste Dienstherr aller Kartoffeln, Kühe, Schweine und Schafe Cem Özdemir ist anders. Anders nicht nur, weil dem Kind eines tscherkessischen Vaters und einer goldrichtig türkischen Mutter der deutsche Stallgeruch nicht schon aus den Genen sprießt. Anders nicht nur, weil er, 1965 im schwäbischen Bad Urach ausgesät und in Stuttgart eingewurzelt, sich nie mit gesunder Landluft vollgesogen hat, sondern nur mit freier Stadtluft auf Du und Du steht.
Sondern anders ist er vor allem, weil nach 10.000 Jahren Agrarreform er der Erste ist, der über Leben und Tod von 84 Millionen deutschen Schweinen bestimmt und – halt! Nicht alle sind Schweine, sondern nur 24 Millionen. Daneben gibt es auch 11 Millionen Rindviecher, 43 Millionen verrückte Hühner und 2 Millionen dumme Schafe. Über deren Leben, Tod und gesunde Ernährung bestimmt mit Cem Özdemir nun zum ersten Mal ein Mensch, der sich exklusiv von Pflanzen ernährt; toten und auch lebenden, aber egal.
Obwohl muslimisch zugeschnitten, hatte er mit 17 beschlossen, nicht nur dem Schweine-, sondern allem Fleischgenuss zu entsagen, ausgenommen dem von Menschen; Cem Özdemir ist verheiratet.
Ein deutsches Herz
Sonst aber ist er konsequent. Jahrzehntelang hatte er sich mit Migrationssachen bis unter die weiße Haut abgequält, dann setzte er 2018 konsequent neu an und befasste sich von heut auf morgen mit Verkehrspolitik, die in deutschen Herzen besser ankommt. Jahrzehntelang hatte er mit ökologischen Ideen an Wirtschaft und Gesellschaft herumgefummelt, dann billigte er kurzerhand dem Handwerk und Mittelstand konsequent das alte, gut gebrauchte Lebensrecht zu.
Jahrzehntelang wollte er dem Islam die Stacheln abrasieren und den Islamismus austrocknen, so, wie es den Christen mit sich gelungen war, dann war für ihn das Thema mit einem Mal konsequent abgeräumt. Jahrzehntelang wusch er allen Einwanderern die fremden Füße, dann setzte er plötzlich darauf, das Asylrecht konsequent einzudampfen. Jahrzehntelang hatte er die SPD umworben, dann begann er auf FDP und Union konsequent zuzutanzen.
Jahrzehntelang hatte er sich dem Pazifismus verschrieben, dann drehte er die Nase um und setzt seit 2019 konsequent auf die Bundeswehr. Damals verwandelte sich der Mensch in Özdemir in einen Politiker in Uniform und krauchte im niedersächsischen Munster für ein paar Wochen in der Bundeswehr herum – ohne zu ahnen, dass schon drei Jahre nach der Trockenübung was Echtes kommen könnte; aber natürlich ohne ihn.
Fast wäre auch die Grüne Partei ohne ihn ausgekommen. Schon von 2004 bis 2009 hatte er sich im Europaparlament von der Politik erholt. Doch er kehrte zurück, nur um als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl 2017 die Partei statt an die Fressnäpfe des Bundeskabinetts ins Niemandsland zu führen: Mit den wenigsten Sitzen waren die Grünen im Parlament nur unterm Mikroskop zu erkennen.
Eine fremdbestäubte Jungfrau
Wieder schien Özdemir ausrangiert zu sein und eingemottet werden zu müssen, doch auch seine Partei setzt eben konsequent auf Inkonsequenz. Ende 2021 brauchte sie einen Landwirtschaftsminister, und Anton Hofreiter kam als Biologe und Mann vom Fach nicht infrage – was also tun? Wie die Jungfrau zum Kinde, so musste das Amt durch Fremdbestäubung zum Minister kommen, und so fiel die Wahl auf Cem Özdemir.
Sieht man davon ab, dass er täglich mehrmals isst und trinkt, war er mit Landwirtschaft nie in Berührung gelangt. Sein Lebenszweck waren die Menschen aller Gattungen, doch nun muss er dafür sorgen, dass Tiere endlich respektiert werden, mit ihrem „Muh!“, „Mäh!“ und „Ötsch-ötsch“ vorurteilsfrei Gehör finden und selbstbestimmt ihren Platz in der Gesellschaft finden.
Und auf dem Teller! Schon bei dem bloßen Gedanken mag Özdemir schwindlig werden, die Zunge sich zusammenrollen, die Speiseröhre zuschwellen und der Magen sich durch den Hinterausgang auf- und davonmachen. Doch der grüne Kompromiss liegt längst zum Abholen bereit: Alle essbaren Tiere werden konsequent mit Ökostrom gekeult!
Das Fernziel bleibt dabei klar wie eine Eins: dass der Mensch zur Pflanze wird und nur Tiere noch Tiere essen dürfen. Zweitens: dass der kapitalistische Raubbau am Globus eingedämmt wird, damit künftig nicht mehr Pflanzen und Tiere aussterben, als ökonomisch vertretbar ist. Geht drittens alles gut, könnte Özdemir nach vier Jahren in Berlin zu Hause in Stuttgart auf den Punkt genau zu Kretschmann werden!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden