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Die WahrheitMariä Ballonfahrt

Lebenslänglich Bayer: Warum der Kuttner Heinzi und der Hirlinger Sepp und andere stolz sind auf ihren Freistaat, und was das mit der DDR zu tun hat.

E inen Feiertag mitten im August, das haben die anderen nicht. Der Badenberg Erich, der Kuttner Heinzi und der Hirlinger Sepp sind stolz auf ihren Freistaat. Dass es hier so viele Feiertage gibt wie sonst nirgends in Deutschland, das finden sie schon ziemlich gut. Sie sitzen beim Ostermaier in der Gaststube und stoßen auf den 15. August an, Mariä Himmelfahrt.

Immerhin dafür sei die DDR gut gewesen, meint da der Kuttner Heinzi, woraufhin ihn die zwei anderen recht deppert angeschaut haben. Wegen der Flucht im Ballon seinerzeit, erklärt der Kuttner. Wie diese zwei Familien über die Grenze nach Bayern geflogen und dann abgeschossen worden sind. Mariä Himmelfahrt eben. Weil eine von den Ostlerinnen wahrscheinlich Maria geheißen hat. Oder so.

Da habe es doch mal diesen Film gegeben. Stimmt, der Film. Dem Hirlinger Sepp scheint etwas zu schwanen. Dass die aber nicht abgeschossen worden sind, korrigiert der Badenberg Erich den Kuttner Heinzi, sondern es geschafft hätten. Genau, sagt dieser dann. Oder so. Auf jeden Fall ist das seitdem ein Feiertag in Bayern, da ist der Kuttner sich ganz sicher.

Dass das ein rechter Schmarrn ist, sagt nun der Hirlinger Sepp, nachdem er eine Weile sinniert hatte. Wenn überhaupt, dann ist das wegen dem Mauerbau, der war doch im August. Da kann es keinen Zweifel geben. Er hat den Steinmeier darüber reden gehört. Irgendwas mit Freiheit. Genau. Der Kuttner Heinzi fühlt sich bestätigt: Und dann sind sie mit dem Ballon rüber, weil ihnen nichts anderes mehr übrig geblieben ist. Mariä Himmelfahrt eben.

Dem Badenberg Erich kommen da so Zweifel. Ob das mit der DDR damals nicht mit einem Volksaufstand zu tun gehabt hat, fragt er sich und dann auch seine zwei Freunde. Prager Frühling oder so. Der Kuttner Heinzi kann darüber nur lachen und sagt, dass man das doch an Pfingsten feiert. Pfingsten. Genau. Der Hirlinger Sepp kommt doch glatt ins Grübeln: Pfingsten, da muss schließlich auch was gewesen sein.

Der Kuttner Heinzi kann da nur den Kopf schütteln. Pfingsten ist was anderes, eher so etwas wie Ostern, bloß ohne Auferstehung. Aber irgendwas war da schon mit diesem Volksaufstand. Das hatte auch er im Gefühl. Hatte nicht der Steinmeier dazu was gesagt. Irgendwas mit Freiheit. Oder so.

Kann schon sein. Der Badenberg Erich meint, dass es da mal einen Feiertag gegeben hat, den man dann auf den 3. Oktober verschoben hat. Fronleichnam, meint der Hirlinger zu wissen, wegen den Mauertoten. Der Kuttner Heinzi will nicht widersprechen, findet das aber ziemlich skandalös. Als wäre der Todestag von Franz Josef Strauß ein Grund zum Feiern. Stimmt eigentlich. Der Kuttner Heinzi nickt. Da hatten sie es: War sie also doch zu nichts gut, die DDR. Schon richtig, dass es die nicht mehr gibt.

Die Freunde waren nun noch stolzer, als sie es ohnehin schon waren. Hatten sie doch endlich geklärt, was da gefeiert wird an Mariä Himmelfahrt. Prost!

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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11 Kommentare

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  • Lass mich sinnlosen!



    (Kontemplatives Vegetieren)



    Unsere drei Gedankenzuzler befinden sich in einem Gedankentunnel.



    Das ist die Zeitspanne, in dem kein Gedanke zustande kommen kann, weil keinerlei Verbindung zu Ideen hergestellt wird.(time out). Abwesenheit jeglichen Denkvermögens. Die Dauer hängt von der Länge des Tunnels ab und ist individuell variabel, beschreibt die Unsicherheit, ob oder wann wieder ein Gedanke zündet. Antriebsstimulationen sind Treibstoffe wie Bier, Wodka oder Obstler.(selten Valpolicella)



    Sie beschleunigen erfahrungsgemäß das Erreichen des Lichts am Ende des Tunnels.



    Gönnen wir also unseren drei Noagerzuzlern ihren Aufenthalt in der Gemütlichkeitsvollzugsanstalt bei entvakuumisierten Schweinsbraten gebraten in Palmfett unter Dauerbejodelung und beflissen herbeieilenden dirndelbekleiteten und lederbehosten Personal.

    • @Ringelnatz1:

      Empfehle warndend wg Vertunnelung

      Der Tunnel ist eine Kurzgeschichte von Friedrich Dürrenmatt, die erstmals 1952 im Sammelband Die Stadt. Prosa I – IV im Arche Verlag erschienen ist. Sie zählt zu seinen bekanntesten Werken und zu den „Klassikern“ unter den surrealen Kurzgeschichten.



      de.wikipedia.org/w..._(D%C3%BCrrenmatt)



      Wer auch immer genau => => =>



      „Ein Vierundzwanzigjähriger, fett, damit das Schreckliche hinter den Kulissen, welches er sah (das war seine Fähigkeit, vielleicht seine einzige) nicht allzu nah an ihn herankomme, der es liebte, die Löcher in seinem Fleisch, da doch gerade durch sie das Ungeheuerliche hereinströmen konnte, zu verstopfen, derart, dass er Zigarren rauchte (Ormond Brasil 10) und über seiner Brille eine zweite trug, eine Sonnenbrille, und in den Ohren Wattebüschel: Dieser junge Mann, noch von seinen Eltern abhängig und mit nebulösen Studien auf der Universität beschäftigt, die in einer zweistündigen Bahnfahrt zu erreichen war, stieg eines Sonntagnachmittags in den gewohnten Zug, Abfahrt siebzehnuhrfünfzig, Ankunft neunzehnuhrsiebenundzwanzig, um anderentags ein Seminar zu besuchen, das zu schwänzen er schon entschlossen war.“

      Na Servus

      • @Lowandorder:

        Abteilung Poesie und Zärtlichkeit:

        „Er war berufen zum Sterben, allein der Tod ist ewig. Das Leben ist eine Schindluderei der Natur sondergleichen, eine obszöne Verwirrung des Kohlenstoffs, eine bösartige Wucherung der Erdoberfläche, ein unheilbarer Schorf. Aus Totem zusammengesetzt, zerfallen wir zu Totem.“



        Friedrich Dürrenmatt

    • @Ringelnatz1:

      Wie meinen Sie das mit dem Treibstoff, junger Mann?



      Spiritutistisch, virtuel, flüssig...



      In echt, jetzt -

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Ich bin wie der Gaudizuzler der sich raubstimmuliert, entwendet Freude, begreift die Konsistenz der Gaudi nicht, ursurpiert aber das Endprodukt, lacht orientierungslos, weil er gar nicht weiß, warum. Er freut sich, weil andere lachen. Das reicht ihm.



        (klauen tu ich auch)

        • @Ringelnatz1:

          "ursurpiert aber das Endprodukt"



          Ich freue mich wenn es regnet,



          Weil wenn ich mich nicht freue,



          Regnet es auch



          (klauen tu ich auch)



          KVau

  • "Und dann sind sie mit dem Ballon rüber, weil ihnen nichts anderes mehr übrig geblieben ist"



    - und kamen vom Regen in die Traufe...

  • Sorry. Hier mal eins vande Orijinol by Michael Sailer -



    “Schwabinger Krawall: Verpatzter Abschied



    Die Jacqueline hat gesagt, es reiche ihr jetzt endgültig, so ginge es nicht weiter und sie ziehe so lange zu ihren Eltern, bis er endlich eine neue Wohnung habe …“



    taz.de/die-wahrheit/!5127873/



    DIMPFLMOSER Gast 28.01.2011, 10:32



    “Endlich wieder Schwabinger Krawall! Die schönste Wahrheit.“



    …anschließe mich 😎

    Na Servus

    unterm——- servíce —-



    de.wikipedia.org/w...er_(K%C3%BCnstler)



    Quel homme

    • @Lowandorder:

      Danke. An beide Herren. Schon schön, irgendwie, wenn eins nicht selbst saufen muss, sondern den anderen beim Saufen zuhören darf. Vor allem, wenn sich der Magen zwar wehrt gegen den Alk, das Hirn aber danach verlangt.

      • @mowgli:

        "den anderen beim Saufen zuhören darf"



        Wohl bekomms!🍺🍷🥂 - auf die Ohren!

      • @mowgli:

        Wen hat er wohl gemeint?



        Den Herrn Lowandorder und den Rüttenauer Andi, oder den Sailer Michi und den DIMPFLMOSER?



        Ach was. Ich fühl mich einfach mit angesprochen.



        Wohl bekomms!🍺🍷🥂