Die Wahrheit: Aerosole in Gmund
Lebenslänglich Bayer: Am Tegernsee mag es für manche schön sein, es ist aber auch ganz schön viel Abgasgeruch in der Luft.
A m Tegernsee kann es schön sein. Wenn der Himmel weiß und blau ist und sich gerade keine Autos durch das Tal schieben, könnte man es glatt aushalten zu Füßen der Berge. Das ist aber selten der Fall. Wer oben an einem der Hänge über dem Wasser eine Villa sein eigen nennen kann, dem mag es immer gefallen am Tegernsee. Der ehemalige Fußballspieler und Steuerhinterzieher Uli Hoeneß ist ja nun schon lange dort zu Hause. Der deutsche Torwart Manuel Neuer hat sich eine riesige Kiste an den Hang setzen lassen und auch andere reiche Menschen schätzen die voralpenländische Kulisse am See.
Manche kennt man, von anderen hört man, sie seien russische Oligarchen und eigentlich noch nie im Tegernseer Tal gewesen. Ein Scheich hat sich auch was zugelegt am See – zwar nicht so schön oben am Hang, dafür gleich bei Lidl um die Ecke, was vielleicht so schlecht gar nicht ist. Ein Scheich muss schließlich auch mal etwas essen, auch wenn er noch so wichtig ist, weil er für das Atomprogramm von Abu Dhabi zuständig ist, wie zu hören ist.
Auch Kulturschaffende zieht es ins Tal. Der Schauspieler Fritz Wepper soll immer noch in Gmund zu Hause sein, obwohl er sich vor ein paar Jahren fürchterlich darüber aufgeregt hat, dass er mitsamt Familie Hausverbot im benachbarten Tennisverein hatte, sodass seine Tochter den schönen Racketsport dort nicht erlernen durfte.
Gmund ist so etwas wie die Einfahrt zum Tegernseer Tal, weswegen meist ein nicht nur hauchzarter Abgasgeruch über dem Örtchen liegt. Touristisch kann es nicht anstinken gegen die anderen Orte im Tal. Dafür wird in gewaltigen Betonquadern im Gewerbegebiet jenes berühmte Bier aus dem Herzoglichen Brauhaus abgefüllt, von dem es früher einmal durchaus zurecht hieß, es sei ganz gut.
Doch davon wissen all diejenigen meist nichts, die mit ihren großen Autos aus der großen Landeshauptstadt zum Bräustüberl im Ort Tegernsee fahren und dort versuchen, erst einen Parkplatz und dann einen Platz am Tisch zu ergattern. Wenn ein solcher nur im Freien vor dem Stüberl zu finden ist, also direkt auf dem Parkplatz, macht das den meisten Tagesbesuchern aus München gar nichts aus. Kredenzt man ihnen ein Helles, fühlen sie sich vielleicht ein bisschen wie ein russischer Oligarch, der gerade ein echtes Stück alpenländisches Bayern erworben hat.
Am vergangenen Wochenende war nicht allzu viel los auf dem Parkplatz. Während man in München schon im Biergarten hätte trinken können, weil sich kaum mehr einer mit dem Coronavirus infiziert, bleibt im Landkreis Miesbach bis auf weiteres alles noch im Lockdown-Modus. Die Inzidenz lag weit über 100. Wer sich gefragt hat, warum das so ist, der landete schnell im Rathaus von Gmund. Dort nämlich haben die Gemeindevertreter kürzlich ohne Masken und mit wenig Abstand getagt und bald war vom Gmunder Gemeinderats-Hotspot zu lesen. Der Luft im Tegernseer Tal hat’s gut getan. Bald stinkt es wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts