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Die WahrheitRettet den Nasenkuss!

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Der Lockdown ist auch Lockdownunder vorbei, und prompt kommt die Pest aus Australien – und stellt sich bei Mäckes an.

H eute kriechen die Kiwis nach sieben Wochen wieder aus ihren Höhlen. Auch unser Lockdown ist vorbei. Wir dürfen uns aber nur in Zehnergruppen treffen. Und wer essen geht: separate Tische, Handynummern eintragen. Kneipen und Klubs müssen noch geschlossen bleiben. Plötzlich gibt es in Aotearoa keine einzige Bar mehr. Denn jede Tränke hat über Nacht ihre Snacks frisiert und läuft jetzt unter „Restaurant“.

Takeaways durften wir schon zuvor in der Stufe drei genießen. Die begann mit Verzögerung erst nach dem Anzac Day. Das Wochenende samt Feiertag wollte Jacinda Ardern vorsichtshalber noch aussitzen und mit Lockerungen abwarten, um die Geknebelten besser in Schach zu halten zu können. Ihr „Team von fünf Millionen“ scharrte in den Startlöchern, um sich seine Menschenrechte zurückzuerobern.

Endlich in Freiheit, fanden sich die frischlufthungrigen Horden an jenem historischen Dienstagmorgen dort ein, wo man alle vermutet, die die Angebote städtischer Zivilisation über einen Monat lang schmerzlich vermissten und ihre Grundrechte durch pausenloses selber kochen verletzt sahen: am Drive-in bei McDonald’s. Die Warteschlangen begannen lange vor dem Morgengrauen – rund vierzig Autos im Schnitt.

In Christchurch fuhr ein Fast-Food-Fan bei fünf verschiedenen „Maccas“ vor, bis er das Restaurant seiner Wahl mit der kürzesten Schlange fand. Dort bestellte er acht Cheeseburger, fünf Big Macs und zwei Quarter Pounders für sich und den Mitinsassen seiner „bubble“. So hatte Ardern, die plötzlich nicht mehr die Heilige, sondern die Großunterdrückerin ihres pazifischen Reiches ist, die häuslichen Isolationsblasen getauft.

Auf dem mittleren Auge blind

Ja, die Stimmung kippt auch hier. Noch keine Aufstände der Aluhüte, aber wer weiß, was sich bald oben in Northland zusammenbraut. Dort hatten Māori beim Ausbruch der Pandemie Straßenkontrollen errichtet, um sich – ähnlich wie jetzt die Schotten – Fremde mit Viren vom Leib zu halten. Verirrte Touristen wurden weggeschickt, alles lief je nach politischem Blickwinkel friedlich bis furchteinflößend ab. Sogar die Polizei drückte ein Auge zu.

Doch mit dem Frieden dürfte es bald vorbei sein – aber nicht durch die bevorstehende Grenzöffnung hin zum Erzfeind Australien, den wir bald wie einen Stiefbruder bei uns aufnehmen müssen, damit der Tourismus wieder läuft. Winston Peters, stellvertretender Premierminister, hat sich an einem heiligen Ritual vergriffen. Er will den Māori-Nasenkuss für immer stoppen. Die Sitte sei eine Gefahr in Coronazeiten und habe schon während früherer Seuchen Menschenleben gekostet.

Ähnlich wie bei der Bürgerwehr hält sich unser oberster Gesundheitsdirektor dagegen bedeckt, um nicht als Rassist dazustehen. Die Māori-Partei schießt bereits zurück: Westliches Händeschütteln sei genauso gefährlich und auch nicht abgeschafft. Übermutter Jacinda muss den Streit wohl schlichten – oder Burger ausgeben.

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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5 Kommentare

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  • Herrlich diese Texte aus Aotearoa!

    Selbst im Land der Glückseligen kommt dieses Gemurre über das "Unaushaltbare"auf. Mögen diese Menschen von hier wie dort doch bitte einmal wirkliche Unterdrückung und Überlebenstress erleben. Dann könnten sie einen lockin mit gefülltem Kühlschrank und ohne Bedrohung vielleicht sogar geniessen ohne "Schuld" zu suchen.

  • Ja das ist doch herrlich, da stellen sogar die grössten Dillettanten die Händleschüttelitis ein, und schleudern ihren aerosolen Auswurf anständig in die Ellbeuge - um dann nur unweit davon in einem Freudenkrampf die Ellbogen kreisen zu lassen.

    Mensch, die Maoris sind halbwegs autonom und mittlerweile ordentlich bewaffnet - da wird man sich dreimal überlegen müssen, den Nasenkuss verweigern zu wollen.

    Aber mal ernster Spass beiseite: Die Maori dürfen auch hoffentlich in Zukunft frei entscheiden - wie der Rest der Welt auch, welchem Ritual man sich unterwirft oder wo man sich kulturelle Reflexe abgewöhnt. Zu befürchten ist aber weiterhin, dass der Massengeschmack weiterhin bitter-dumm bleibt.

    Ardern wird das schon richten und einen Weg finden, wie sie bisher zu einer demokratischen Zustimmung des Lockdowns von 95% gekommen ist. Da ist es dann auch kein grosses Wunder dass Maccas ebenso kurzfristig eine bubble von 95% Kiwis erhält.

    So nothing new on the next door to Down Under!

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Jetzt habe ich doch einen gewissen Zeitraum lang in Earth den Ort Aotearoa gesucht.



    Natürlich vor mich hin gebrummt, der muß aber klein sein. Hoffentlich wird das PW nicht so schnell geknackt.



    Dieser Aspekt des Rituals Māori-Nasenkuss ist interessant. Hierzulande kann man ja den Ellenbogen benutzen.



    Vielleicht kann man so eine Art aufsetzbare lange Nase basteln. Wobei die Abstandsregel, ne sieht auch wieder komisch aus.



    Also warten auf die Impfung. Der Brauch dürfte ja auch sehr alt sein also kommt es auf ein Jahr auch nicht an.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @05158 (Profil gelöscht):

      Den Ellenbogen zum Nasenkuss? Ach!

      Und wieso heißt der dann Nasenkuss?

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        Spitzfindigkeit!



        Wann ist es angemessen, auch auf Details zu achten? Wann gilt es, sich nur auf das große Ganze zu konzentrieren.



        Aber



        natürlich ist auch die die Detailgenauigkeit wertzuschätzen!!