Die Wahrheit: Gottgleicher Kackarsch
Toilettenpapier kaufen – das ist kein gewöhnlicher Akt. Jedenfalls nicht für einen ungewöhnlichen und berühmten Menschen wie den Autor dieser Zeilen.
E s ist mir jedes Mal peinlich, wenn ich mit einer Packung Klopapier an der Supermarktkasse stehe. Wie die Leute mich dann immer anglotzen! Was ich hier einkaufe, geht doch keinen etwas an. Ich vermisse Diskretionszonen wie am Bankschalter. Klopapier ist schließlich eine äußerst intime Angelegenheit. Ich spüre, wie mich ihre Blicke durchbohren: Dieses Kackschwein, denken sie, der geht damit nach Hause, kackt und wischt sich mit dem Kackpapier auch noch seinen Kackarsch ab. Das ist so ekelhaft!
Um an dieser Stelle Missverständnissen vorzubeugen: Es ist ja nicht meinetwegen, denn ich selbst bin überhaupt nicht eitel. Ich bin bloß ein Rädchen im Getriebe, wenngleich ein besonders wichtiges aus Gold. Ginge es nur um mich, könnte von mir aus jeder wissen, dass ich den ganzen Tag lang ununterbrochen riesige Haufen scheiße. Kein Problem. Wir sind alle Wirbeltiere, und wer noch niemals geschissen hat, werfe die erste Klobürste.
Doch hier geht es nun mal um Höheres. Nämlich darum, was ich für die Allgemeinheit darstelle. Es kann doch gut sein, dass mich jemand hier erkennt. An der Kasse. Mit meinem Klopapier. Immerhin bin ich ja wahnsinnig berühmt. Zwar nicht mehr so berühmt wie früher mal, also eigentlich gar nicht mehr, aber eben doch sehr berühmt.
Und die bewundern mich ja alle so. Die kann ich doch nicht enttäuschen. Da trage ich auch einfach gesellschaftliche Verantwortung. Schließlich weiß ich, wie sehr die Menschen Idole brauchen, an denen sie sich festhalten und die ihrem grauen Alltag stellvertretend wenigstens ein kleines bisschen von dem Glanz verleihen können, den sie für sich im Leben nie erlangen werden. Weil sie selbst zu klein sind, zu schwach, zu dumm, zu medioker. Was sollen die jetzt denken? Wenn sich ihr großer Held direkt vor ihren Augen als banales Kackschwein entpuppt, das wie sie atmet und isst, netflixt, scheißt und stinkt, bricht für sie doch eine Welt zusammen. Das zieht alles, an was sie je geglaubt haben, buchstäblich in den Dreck.
Sie haben sich mich rein geträumt, eine Art gottgleiche Moralmaschine, die morgens den Tau von den Blumen schleckt, um ihn als Poesie wieder auszuscheiden, geruchlos, unsichtbar und großartig. Und dann kriegen sie mit, dass auch ich nur wie ein Hund mit glasigen Augen entrückt in die Schüssel wurste. Das Klopapier ist der offensichtliche Beweis.
Das darf einfach nicht sein. Also entscheide ich mich für eine Weißlüge. „Das ist nicht für mich“, sage ich sehr laut zur Kassiererin. „Ich scheiße nicht, ich meine, ich muss nicht scheißen, nie. Ich kaufe für einen Freund.“ Den Subtext impliziere ich den Umstehenden gleich mit: Ganz unbefangen umgebe ich mich mit völlig verschiedenen Menschen. Sogar mit Scheißern. Das erdet mich.
Gerade als Künstler, als Star, ist es mir wichtig, auch mal die eigene Blase zu verlassen und über den eigenen Toilettenrand hinauszublicken.
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