Die Wahrheit: Schweine in Angst
Die Afrikanische Schweinepest bringt plötzlich alle an den Verhandlungstisch. Alle! Vor allem die Schweine organisieren sich …
Die Afrikanische Schweinepest steht vor der Stalltür unserer Schweinekoben und klopft laut an. Höchste Zeit für einen Krisengipfel aller Betroffenen, einberufen vom listenreichen Glyphosat-Schrat, dem Agrarminister Christian Schmidt. Vertreter des Bauernverbandes, des Jagdverbandes und weitere lobbyistische „Experten“ haben sich angesagt, unter ihnen die großen Verwurster und Güllebarone unserer industriellen Schweinemastkomplexe.
Nach seinem selbstherrlichen Alleingang bei der Glyphosatzulassung setzt Schmidt diesmal auf größtmögliche Einbindung aller Betroffenen. Wer ist aber betroffener als die Schweine selbst? Niemand – und so wurden erstmals auch die Abordnungen der Schweine zum Krisengipfel geladen. Die großen Schwarzwildrotten hatten bereits im Rottenrat getagt und ihre Rottenbeauftragten bestimmt. Das sind meist erfahrene Bachen, da Wildschweinrotten traditionell von einem weiblichen Leittier geführt werden – wie bei uns auch.
Auch die Frischlinge wollten dabei sein, aber für einen richtigen Schweinegipfel sind sie wohl noch zu frisch. Die zweijährigen „Überläufer“ gelten als zu unzuverlässig und mussten murrend den erfahrenen Bachen die Verhandlungen überlassen. Ein starkes Kontingent stellen die „Kampfschweine“, die gefürchteten Keiler. Als klassische Einzelgänger sind sie meist nur locker in wilden Gewerkschaftsrotten organisiert, mit den klassischen Gewerkschaften wie „Wald Schweine Erden“ tun sich die Keiler schwer.
Die Lage ist ernst
Kommen wollen aber alle, denn die Lage ist ernst geworden für Wildschweine. Sie gelten nämlich als gefährliche Pestüberträger und sollen möglichst rasch dezimiert werden. Mit dem „vergoldeten Schuss“ (Tagesspiegel) belohnt Brandenburg bereits jetzt jeden Schwarzwildabschuss mit 50 Euro.
Auch die domestizierten Schweine wollen natürlich beim Gipfel dabei sein. Früher nannte man sie noch Hausschweine, aber in Häusern leben sie schon lange nicht mehr und man kennt sie als Mast- und Zuchtschweine. Die Schweinebarone betrachten die Gipfelabordnungen ihrer Zöglinge argwöhnisch, denn was, wenn sich die Schweinevertretungen zusammentun und die längst überfällige Selbstverwaltung der Schweinemastbetriebe fordern? Dazu die Abschaffung der Residenzpflicht und freie Futterwahl?
Interessanter Gegenvorschlag
Da sei Schweineschlächter Schmidt vor, der an den Plänen festhält, 70 Prozent der Wildschweine aus den Beständen „zu entnehmen“, vulgo abzuschießen. Die Wildschweine haben jedoch einen interessanten Gegenvorschlag: Sie fordern, dass die Jäger vielmehr freien Zugang zu den Schweinemastanlagen bekommen, wo sie ihre Abschussquote ohne langwieriges Ansitzen leicht verbessern können.
Der Vorschlag trifft bei den armen Schweinen in den Mastbetrieben auf erbitterten Widerstand. „Nur über unsere Leichen!“, skandieren die aufgebrachten Mastschweine und kündigen Hungerstreiks und Betriebsbesetzungen an, falls der „wahnsinnige Wildschweinplan“ verwirklicht werden sollte.
Insgesamt verspricht der Schweinegipfel hochinteressant zu werden, alle Darsteller, die für einen gelungenen Krisengipfel sorgen können, stehen auf dem Besetzungsplan: Intrigante Opponenten, schmierige Schweine aller Couleur, bürokratische Paragrafenreiter und skrupellose Schießbefehlbefürworter. Was besonders interessiert: Kann Glyphosat-Schrat Schmidt seinen schlechten Ruf noch weiter verschlechtern? Kann er es zum „Schlächter-Schmidt“ bringen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken