„Die Partei“-Chef Martin Sonneborn: „Innerparteiliche Demokratie? Nein!“
Martin Sonneborn, Noch-Chef von „Die Partei“, guckt sich beim nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un den Umgang mit parteiinternen Kritikern ab.
taz: Herr Sonneborn, was sagen Sie zur Chance 5000?
Martin Sonneborn: Ich sehe das als ganz normale Entwicklung in der Partei. So eine Art Röhm-Putsch. Es gibt aber bereits Gegenbewegungen zur Gegenbewegung. In Rheinland Pfalz wird gerade eine alternative „Chance 5001“ gegründet, in Köln die „Chance 4711“, in Baden-Württemberg „Sonneborn 100.000“ Außerdem wird fleißig Geld gesammelt. Leo Fischer hat gesagt, für 5.000 Euro würde er seine Differenzen mit dem Bundesvorstand beilegen. Das Crowdfunding liegt derzeit bei knapp 2.000 Euro.
Haben Sie als größter Vorsitzender aller Zeiten angesichts solcher innerparteilicher Querelen die eigene Partei nicht mehr unter Kontrolle?
Doch doch, ich bin im EU-Parlament vorausschauend in die für Nordkorea zuständige Delegation gegangen und habe mich erst vor Kurzem mit dem Botschafter ausgetauscht. Von Kim Jong Un kann man lernen, wie man sich erfolgreich mit Kritikern auseinandersetzt, erinnern Sie sich an die Geschichte mit der Flak?
Ist Ihnen die eigene Partei fremd geworden? Es tummeln sich ja auch immer mehr Ostdeutsche und nun sogar ein Leo Fischer drin, der Ihnen den Titel GröVaz streitig machen will.
Wir haben jetzt knapp 20.000 Mitglieder, da kann schon mal der ein oder andere durchrutschen. Wir denken aber gerade intensiv über einen Aufnahmestopp nach, damit so etwas nicht wieder passiert.
50, ist EU-Parlamentarier und Bundesvorsitzender der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative. Fragen beantwortete der als Kontrollfreak bekannte Satiriker nur schriftlich.
Die Chance wirft Ihnen vor, die Landesverbände zu vernachlässigen und nur noch bezahlte Auftritte zu machen. Wann waren Sie denn zuletzt auf einem Landesparteitag?
Tut sie das? Das ist Unsinn. Ich mache im Moment aus Zeitgründen sehr wenig Lesungen, obwohl es sehr viele Anfragen gibt. EU-Politik interessiert wesentlich mehr Menschen, als ich dachte. Aber ich nehme demnächst bei Veranstaltungen wieder Eintritt. Wenn ich das nicht tue, kommen, wie vor zwei Wochen an der Uni Tübingen, schnell mal über 1.300 Leute zu einer Vorlesung.
Außerdem kommt von Seiten der Chance 5000 der Vorwurf, Sie würden sich zu sehr um die Oststadt Berlin kümmern und hätten in 11 Jahren Parteivorsitz den Mauerbau noch keinen Meter vorangebracht.
Den Vorwurf muss ich mir gefallen lassen. Aber ich arbeite verstärkt daran, in ganz Europa Mauern zu ziehen. Der derzeitigen neoliberalen Umformung der EU wollen wir unser Konzept von 28 Mauern entgegensetzen. Eigentlich 29, Deutschland erhält ja zwei. Wir prüfen gerade, ob diese Rechnung stimmt.
Wird Ihr Engagement in Sachen EU-Politik von der Basis nicht genügend honoriert?
Wenn man die Klickzahlen der „Berichte aus Brüssel“ bei Titanic sieht, und die Zuschriften nach unseren Dokumentarfilmen bei Spiegel TV, dann habe ich diesen Endruck keineswegs.
Ist Herr Fischer ernsthaft Konkurrenz für Sie? Er gibt an, die nötige Street Credibility zu haben, weil Flunky-Ball-erfahren. Und außerdem will er 5.000 Euro auf den Tisch legen.
Ich bin mir nicht sicher! Früher waren die jungen Wilden noch jung und wild. Herr Fischer kommt mir ein bisschen gesetzt und saturiert vor.
Warum sollten Sie und nicht Leo Fischer weiter Vorsitzender der Partei bleiben?
Leo Fischer kann nicht Partei-Vorsitzender bleiben, weil er nicht Partei-Vorsitzender ist.
Wie wollen Sie diesen innerparteilichen Konflikt lösen?
So wie Hitler das damals auch getan hat: Mit einem versöhnlichen Treffen am Tegernsee.
Wäre eine Doppelspitze eine Option für Sie?
Nein, innerparteiliche Demokratie ist mit mir nicht zu machen. Außerdem ist Leo Fischer von Gestalt nicht spitz, sondern eher stumpf.
Ist die Plattform Chance 5000 als reines Spaßkonstrukt nicht abzulehnen?
Das müssen Sie Bernd Lucke und Frau Petry fragen, die derzeitigen Trendsetter in diesem Politikbereich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW