piwik no script img

Die Macht der PresseWie Aktivisten „Öko-Idioten“ wurden

Die Bild-Zeitung kanzelt die Besetzer des Vollhöfner Waldes dafür ab, einen Müllberg hinterlassen zu haben – dabei entstand er durch die Räumung.

Wurde abgerissen und zu einem Haufen Müll: Baumhaus im Vollhöfner Wald Foto: dpa

Hamburg taz | Wenn es um die Glaubwürdigkeit von Medien geht, liegen die Zeitungen trotz aller Lügenpresse-Vorwürfe immer noch ziemlich weit vorn. Das gilt allerdings nicht für die Bild-Zeitung. Warum, zeigt auf schlagende Weise der Bericht, den Bild Hamburg über das Ende der Besetzung des Vollhöfner Waldes veröffentlichte.

Die Vorlage lieferte die Wirtschaftsbehörde mit der Mitteilung, die Hamburg Port Authority (HPA) habe mit einem Radlader die Hinterlassenschaften der Besetzer entfernt. Darüber hinaus werde noch „Plastikmüll der Besetzer entfernt, um eine Belastung der Umwelt in dem Grünkorridor zu verhindern“.

Bild macht daraus „ein entsetzliches Müll-Chaos – mitten in einem geschützten Gebiet an der Alten Süderelbe“ und titelte: „Ihr Öko-Vollidioten“. Die Baumbesetzer hätten „jede Menge Wohlstandsabfall“ hinterlassen: „Plastikkanister, Plastikflaschen, Einweggeschirr, Wäschekörbe (Plastik), Trassierband, eine alte Kochplatte, Isomatten, offene Rasierklingen und gefährlichen Nato-Draht“.

Sachlich ist das im Großen und Ganzen richtig – abgesehen davon, dass der Vollhöfner Wald eben kein geschütztes Gebiet ist, sondern aus verschiedenen Gründen schützenswert. Doch Wortwahl und Weglassen machen aus dem Bericht Fake News.

Aktivisten betont sorgsam

Denn das, was da im Wald lag, stammt zwar von den Besetzern, die verhindern wollten, dass der Wald abgeholzt wird, aber dass daraus Müll wurde, dafür hat die Polizei gesorgt: indem sie das Baumhaus mit allem, was darin war, abriss und auf einen Haufen schmiss.

Nach Beobachtung der taz, die den Protest tagelang begleitet hat, sind die Besetzer betont sorgsam mit der Umwelt umgegangen. Sie hatten eine Latrine. Ihre Plastikflaschen sammelten sie in Tüten, den Müll in einem Eimer und die Raucher aschten in Marmeladengläser.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Das weiss man doch eigentlich schon, wenn solche Artikel in der Bild stehen.

  • 0G
    08069 (Profil gelöscht)

    Wie in 1000 und einem weiteren Fall meinte hier die Exekutive, sie müsse das geltende Recht durchsetzen. Ich kenne das, denn ich habe selbst 22,75 Jahre bei der Polizei gearbeitet.



    Man erkennt im Laufe der Zeit, dass Verstand und Weitblick niemals etwas mit den Entscheidungen zu tun haben. Prüft man intensiv nach, trifft man IMMER auf politischen Lobbyismus, die Argumente sind das angeblich notwendige Wirtschaftswachstum und das dringend benötigte Geld.

    Die wirklichen Idioten sitzen an ganz anderen Stellen, nur wagt es niemand, hinter fetten Limousinen, Maßanzügen und Krawatten echte Idioten zu vermuten.

    Genau solche Idioten meinen auch, sie könnten feststellen, was Recht und was Unrecht sei.



    Definitiv zu Recht, spricht man vom Fachidioten und Fachidioten sind vielleicht die gefährlichsten aller Idioten. Der Fachidiot geht einen ähnlichen Weg wie der Extremist. Er sieht das eigene Handlungs- und Wirkungsspektrum als das zentral essentielle des Universums an und hält alles daneben für irrelevant bis wertlos.

    Dabei könnte es so einfach sein. Jedes mal wenn eine Gruppe von Menschen etwas entdeckt, was dem Leben aller dienlich ist, sollte so lange geprüft werden, ob man es einfach kaputtmachen darf, bis Fachidioten aus allen Gebieten einig sind.



    Fachidioten gibt es übrigens auch unter Umweltschützern...

  • Das blinde und buchstabengetreue, aber herz- und hirnlose Befolgen von Gesetzestexten wird uns eine neue Neonazi-Regierung bescheren – und zwar in Kürze.



    Eine Demokratie kann auch sehr schnell – schneller als uns lieb sein kann – auch durch Einhalten demokratischer Regeln erfolgen. Immer fehlt das angemessene Verhalten, eine wohlwollende Betrachtung von Rechten von Minderheiten und die Weigerung einzusehen, dass ein Umdenken und Umlenken absolut dringend und zeitnah nötig sind.



    Wenn Umweltschutz UND Proteste gegen die alles zerstörende Wirtschaftsform nur noch als etwas Illegales betrachtet werden, wird dieses Land den Bach runter gehen.



    Und alle, die glauben, ihnen könne nichts passieren, weil sie sich ja "normal" verhalten, werden sich noch sehr wundern – m. E..

  • Der Räumung durch die Polizei und dem damit verbundenen Abriß der illegalen Behausung gingen wiederholte Aufforderungen der Behörden voraus, die Besetzung zu beenden. Die Fristsetzungen boten ausreichend Möglichkeiten, den eigenen Müll im Zuge des Verlassens mit zu entsorgen.



    Für mich ist damit die Frage der Verschuldung der Hinterlassenschaft mehr als eindeutig geklärt und auf Seiten der Umweltschützer.



    Was die "Bild" daraus" und wie konstruiert ist eine andere Sache.

  • Der BILD gebührt vermutlich als einziger die zweifelhafte Ehre, sowohl von Links als auch von Rechts als "Lügenpresse" gerufen zu werden.

    Entweder sagt man da "viel Feind, viel Ehr'" -- oder man sagt "da muss was dran sein".

    Vampir von Sachsenhausen sag' ich da nur.