Die Krise an der Tanke: Die Ärmsten der Armen und das Auto

Die Preise für Benzin steigen, und gleich ist der Ärger auf den Straßen groß. Da muss der Autofahrer doch „mit letztem Tropfen zum Protest“.

Ein Teilnehmer eines Autokorsos "gegen die erhöhten Spritpreise" hat auf die Heckscheibe seines Fahrzeugs die Worte "Mit dem letzten Tropfen zum Protest" geschrieben.

Solange die Karre eben fährt Foto: Markus Scholz/picture alliance/dpa

HAMBURG taz | Am meisten soll es wieder die „Ärmsten der Armen“ treffen. Es geht um die steigenden Spritpreise. Ich weiß nicht genau, wer mit „die Ärmsten der Armen“ gemeint ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass zumindest die „Ärmsten der Armen“ kein Auto besitzen. Es ist schon im Unterhalt teuer und deshalb habe ich, zum Beispiel, auch keins.

Ich hatte mal eines, das ist mehr als fünfundzwanzig Jahre her, ich kam vom Land. In Hamburg aber komme ich sehr gut ohne Auto zurecht. Ich kenne natürlich das Todesargument mit der Familie!

Als Familie kann man in den Köpfen mancher Menschen ohne Auto quasi gar nicht überleben. Man denke nur an die ganzen Verabredungen, Geburtstage, Ausflüge, Urlaube.

Ich habe so gelebt, mit zwei Kindern, ohne Auto. Ja, wie hat sie das nur gemacht?

Sechs Stunden Autokorso

Am Samstag gab es in Hamburg eine Demonstration. Über sechs Stunden hupte ein Autokorso von Neuallermöhe nach Wedel. Leute aus der Tuning-Szene sollen dabei gewesen sein, aber auch der eine oder andere Spediteur oder Landwirt.

Mal abgesehen davon, dass es verboten sein sollte, in einem Auto zu demonstrieren, auf seinem warmen Arsch, während man die Luft verpestet und alle anderen Menschen damit gesundheitlich schädigt, ist es schon erstaunlich, was für Autos da unterwegs waren. Autos, die so viel Geld kosten, dass mir ganz warm wird bei dem Gedanken, es jemals auf meinem Konto haben zu können.

„Mit letztem Tropfen zum Protest.“ „Stoppt die Tankabzocke!“ „Stoppt den Wahnsinn!“ Auf einem Pappschild, das sich ein Demonstrant auf die Heckscheibe geklebt hatte, stand „Wir sind nicht die Melk-Kühe der Nation“.

Wer ist „die Nation“, und wie kommt sie an das Geld, das bei diesem „Melken“ herauskommen soll?

Ich habe vom Autoverkehr bisher nichts als Lärm und schlechte Luft gehabt. Wenn ich nun, als Teil der Nation, den Autofahrer ein wenig melken könnte, dann wäre ich gerne dabei. Ich fürchte nur, für mich fällt dabei wenig ab.

Als Familie kann man in den Köpfen mancher Menschen ohne Auto quasi gar nicht überleben

Meines Wissens sind Aral, Shell und Jet nicht Staatseigentum. Soll der Staat denen die Preise diktieren? Was soll das werden, Sozialismus? Im Sozialismus, Freunde, und ich spreche da aus Erfahrung, würdet ihr solche Autos gar nicht fahren. Da würden solche Autos nicht einmal existieren. Autofahren ist kein Grundrecht, und hohe Benzinpreise verletzen nicht die Würde des Menschen.

Es geht um die Energiesteuer. Wer bezahlt schon gern für den Schaden, den er selbst in der Welt anrichtet? Kostenlos will jeder seinen Müll auf der Kippe im Wald abladen, wie man das in meiner Kindheit noch tat. Aber damit ist es, seitdem es die europäische Energiesteuerrichtlinie gibt, nun mal vorbei. Autofahren hinterlässt unsichtbaren Müll (Stickstoffdioxid, Feinstaub oder Kohlenmonoxid), das kostet zu Recht.

Aber ich habe einen guten Vorschlag: Schreibt einen Brief an Putin, vielleicht sieht er ein, dass das Autofahren für euch sehr wichtig ist, und ändert seine Absichten. Wahrscheinlich stabilisieren sich dann die Ölpreise und die Steuern werden dann auch weniger.

Steuern werden übrigens auch für euch ausgegeben, für die Straßen, auf denen ihr fahrt, für die Schulen, die ihr besuchen durftet, und für den neuen Verteidigungshaushalt. So ist das eben. Krieg ist Scheiße und wird für uns alle teuer werden. Aber wir sind (noch) nicht im Krieg. Wir können noch immer mit unseren Freunden auf der Treppe sitzen, ein Glas in der Hand, und vom Sommer träumen. In diesem Sinne: Check your privilege!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.