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Die Eiserne Ladys wollen nach obenSchon wieder souverän gewonnen

In Sachen Frauenfußball war in der Hauptstadt lange nichts los. Aber jetzt könnte der Aufstieg von Union Berlin in die 1. Bundesliga gelingen.

Auf gutem Weg in die Erste Liga: Torjubel bei Union nach dem 1:0 am 16. Februar gegen Nürnberg Foto: Voelker/Fotostand/imago

Berlin taz | Sarah Abu Sabbah wirkt nach dem Schlusspiff konsterniert. Union Berlins Mittelstürmerin wurde überregional bekannt, nachdem sie in der letzten Saison die Regionalliga Nordost mit 42 Toren quasi kaputt geschossen hatte. In der 2. Liga wurde sie durch eine Verletzung erst einmal ausgebremst. Gegen die Spitzenreiterinnen aus Nürnberg feierte sie Mitte Februar ihr Comeback. Mit Erfolg, 4:0 konnte ihre Mannschaft am Ende für sich verbuchen. Ganz zufrieden war Sabbah dennoch nicht, sie war in der letzten Minute alleine auf das gegnerische Tor zugelaufen, wurde wegen Abseitsstellung jedoch zurückgepfiffen.

Dieser Ehrgeiz steht stellvertretend für den Erfolg der Köpenickerinnen. Die Zeichen stehen gut, dass den Eisernen Ladies der Durchmarsch von der drittklassigen Regionalliga ins Oberhaus gelingt. Anfang März siegten sie auswärts gegen den SV 67 Weinberg, am Sonntag nach dem Frauenkampftag gewannen sie souverän 3:0 gegen SG99 Andernach. Derzeit steht die Mannschaft auf Platz zwei der Tabelle – nur ein Punkt trennt sie von den Nürnbergerinnen. Sollte ihnen der Aufstieg gelingen, wäre Union Berlin das erste Berliner Team seit 15 Jahren in der 1. Liga.

Nach dem Abstieg von Tennis Borussia Berlin in der Saison 2009/2010 – die sich übrigens zwei Jahre danach auflösten – war in Sachen Frauenfußball in der Hauptstadt lange Zeit nicht mehr viel los. Lediglich der nahe gelegene Traditionsklub Turbine Potsdam ist noch in der Bundesliga vertreten. Die Betonung liegt jedoch auf dem Wörtchen noch. Turbine spielt im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion gegen den unausweichlich wirkenden Abstieg.

In 16 Spieltagen konnte Turbine Potsdam mit einem Unentschieden bislang nur einen mageren Punkt holen. Anfang Februar kassierten sie gegen Eintracht Frankfurt ganze neun Gegentore und wirkten dabei völlig überfordert. Dass Turbine mit beiden Beinen im Existenzkampf steht, war vor nicht allzu langer Zeit noch völlig undenkbar. Denn die Potsdamerinnen haben in ihrer Geschichte viele Trophäen gesammelt.

Auch international ein Begriff

Mit sechs DDR-Meisterschaften im Rücken holte Turbine als einziger Ostklub sechs gesamtdeutsche Meisterschaften. Mit zwei Europapokalsiegen ist Potsdam im Frauenfußball auch international ein Begriff. Als Trainer maßgeblich mitverantwortlich für die Erfolge war Bernd Schröder, der bis 2016 insgesamt 40 Jahre Turbine trainierte. In den Jahren danach wurden in Potsdam zwar keine Titel mehr geholt, dennoch gehörte Turbine bis 2022 zum erweiterten Kreis der Spitzenteams. Ein Jahr später folgte der sang- und klanglose Abstieg, der mit dem direkten Wiederaufstieg allerdings umgehend revidiert wurde. Nun stehen die Zeichen erneut auf Abstieg.

Bald in der 1. Bundesliga? Dina Orschmann (links) und Celine Frank vom 1. FC Union Berlin Foto: Voelker/Fotostand/imago

Der einzige Grund, warum in der Landeshauptstadt Brandenburgs noch Hoffnung besteht, ist die Aufstockung der 1. Frauen-Bundesliga in der kommenden Spielzeit. Erstmals werden 14 statt der üblichen 12 Teams an Start gehen, daher steigt auch nur eines ab. Für Turbine, die nur zwei Punkte weniger als die Mitaufsteigerinnen aus Jena haben, eine große Chance. Wegen der Reform steigen zudem drei statt zwei Vereine von der 2. in die 1. Liga auf. Das lässt mit Blick auf Union Berlins komfortable Tabellensituation nur wenig Zweifel an deren Aufstieg übrig.

Das größte Argument für den Durchmarsch der Eisernen Ladies ist jedoch die konstante Dominanz, mit der die Elf von Ailien Pose derzeit auftritt. Schon vor der Saison hatte Unions Präsident Dirk Zingler klar gemacht, dass beide Profimannschaften danach streben, erstklassig zu spielen. Spielerin Naika Reissner sprach nach dem Gala-Auftritt gegen Nürnberg schon sogar vom Titel. „Jetzt müssen wir auch die anderen Spiele alle so angehen und dann passt das schon mit der Meisterschaft“. Die Überzeugung der 20-Jährigen ist nicht aus der Luft gegriffen. Auf dem Platz wirkt es, als würde Reissner seit einer Ewigkeit spielen. Mit ihren quirligen Dribblings holte sie gegen Nürnberg einen Elfmeter heraus und war verantwortlich für viele gefährliche Aktionen.

Ob Aufstieg und Meisterschaft oder nicht, in der Hauptstadt sind die Eisernen Ladies längst Nummer eins. Doch mit dem Einzug ins Oberhaus könnten die Unionerinnen sich zu einer wahren Größe des ostdeutschen Frauenfußballs entwickeln. Union Berlin ist der einzige Ost-Verein der 2. Liga. Die einzigen beiden ehemaligen DDR-Teams in der 1. Liga – Carl Zeiss Jena und eben Turbine Potsdam – belegen die letzten beiden Plätze. Einer der beiden Vereine wird also höchstwahrscheinlich absteigen. Zwar gibt es mit RasenBallsport Leipzig einen weiteren Verein in Ostdeutschland, doch der Red Bull Ableger ist ein wenig außen vor, schließlich ist die Motivation hinter dem Projekt die Bewerbung eines Energydrinks.

In niedrigeren Sphären

In Berlin dreht sich hingegen alles um Fußball – wegen der geringeren Geldmittel allerdings in niedrigeren Sphären. In der drittklassigen Regionalliga Nordost stellt die Hauptstadt ein Drittel der Teams: FC Viktoria, Hertha BSC, die zweite Mannschaft von Union Berlin und Türkiyemspor. Wobei letzterer eher ein lokaler Verein mit Tendenz nach unten ist und die U23 von Union Berlin den Fokus auf die Ausbildung von Talenten hat.

„Wir wollen den Berliner Frauenfußball in die Bundesliga führen und den Frauensport in ganz Deutschland nachhaltig verändern“, heißt es ganz selbstbewusst auf der Website von Viktoria. Vor zweieinhalb Jahren ging die Frauenmannschaft in eine GmbH über, viele Investorinnen finanzieren das Projekt. Eine Inspiration dafür dürfte das Projekt von Schauspielerin Natalie Portman und Ex-Tennisstar Serena Williams sein: Der in Los Angeles ansässige Angel City FC arbeitet mit professionellem Marketing und einer durchdachten Social-Media-Präsenz.

Bislang verpasste Viktoria allerdings den Sprung aus der Regionalliga Nordost, wenn auch oftmals knapp. 2023 scheiterten sie in den Aufstiegsspielen am Hamburger SV, zwei Jahre zuvor an Henstedt-Ulzburg. Auch wenn Union der Verein sein dürfte, der Berlins Frauenfußball in die Bundesliga trägt, sind die Frauen aus Lichterfelde den Köpenickerinnen in einem voraus. Ihre Webseite wirbt: „Wir sind unabhängig und nicht das B-Team der Männer. Unser Ziel ist neben dem sportlichen Erfolg, einen Wandel im deutschen Fußball voranzutreiben und die Gesellschaft positiv zu beeinflussen.“

Dass der Erfolg der Frauen von Union Berlin maßgeblich mit der guten Finanzierung der Männer-Abteilung zusammenhängt, ist nicht von der Hand zu weisen. Zwar gibt es auch bei Viktoria Berlin ein Männer- und ein Frauenteam, doch es gibt dort kein Abhängigkeitsverhältnis. Tatsächlich ist es schwierig, abseits des Namens Gemeinsamkeiten zu finden. Auf den Webseiten oder den Accounts im Internet gibt es keine Verlinkung, das Logo ist unterschiedlich und auf die Arbeit der anderen Abteilung wird nur auf Nachfrage eingegangen.

Und Hertha BSC?

Ganz anders sieht es bei Hertha BSC aus. Nachdem es einige gescheiterte Projekte des Vereins gab, eine Frauenmannschaft zu etablieren, wurden im Sommer 2023 kurzerhand alle Mädchen- und Frauenmannschaften von Hertha 03 Zehlendorf übernommen.

In der Regionalliga Nordost steht Viktoria zurzeit mit der U23 von Leipzig punktgleich an der Tabellenspitze, Hertha mit fünf Punkten dahinter. Für die Spielerinnen von Viktoria und Union sieht es also gut aus mit dem Aufstieg.

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1 Kommentar

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  • Im Moment subventioniert die Herrenfußballabteilung von Union Berlin die Damenfußballabteilung. Bei den hohen Einnahmen in der ersten Herrenbundesliga kein Problem, bei einem möglichen Absteig von Union dafür schon. So gesehen war der heutige Sieg der Union-Herren in Frankfurt auch wichtig für die Eisernen Ladies. Und als Offenbacher hat man auch nichts gegen eine Niederlage von Frankfurt :-)



    PS: die Offenbacher Kickers führen momentan die Regionalliga Südwest an, und vielleicht schaffen sie dieses Jahr den Aufstieg in die dritte Liga (man wird noch träumen dürfen).