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Die EU und BelarusSanktionen, da wo es wehtut

Kommentar von Gabriele Lesser

Die Sanktionen der EU ziehen nicht. Tatsächlich wächst das bilaterale Handelsvolumen mit Belarus. Gezielte Sanktionen gegen Lukaschenko müssen her.

„Menschen sterben“ steht auf dem Plakat der DemonstrantInnen in Warschau Foto: ap

M it wirkungslosen Sanktionen gegen das Regime von Alexander Lukaschenko vorzugehen, ist scheinheilig. Warum tun die Außenminister der 27 EU-Mitglieder das? Warum kündigen sie innerhalb von nicht mal zwei Jahren ein fünftes Paket an „harten Sanktionen“ gegen den Machthaber in Belarus an? Sie müssen doch wissen, dass die Geschäfte wie eh und je florieren und die heimischen Unternehmer gar kein Interesse an Handelsbeschränkungen haben.

Dieser Tage bringen es die Zahlen von Wirtschaftsministerien und Statistikämter ungeschminkt ans Licht: Das EU-Belarus-Handelsvolumen ist in den ersten acht Monaten dieses Jahren nicht etwa geschrumpft, sondern sogar um bis zu 40 Prozent gestiegen. Die EU sollte ihre Energien nicht darauf verschwenden, das Kleingedruckte zu den Sanktionen so zu formulieren, dass diese zwar „hart“ klingen, in Wirklichkeit aber nur Raffinerieprodukte oder Kalidüngersegmente betreffen, die im Export-Import-Geschäft ohnehin keine große Rolle spielen.

Gerade im Fall von Belarus gibt es gute Gründe, keine Sanktionen gegen Schlüsselindustrien oder ganze Wirtschaftszweige zu verhängen. Mit solchen Strafen für manipulierte Wahlen oder Menschenrechtsverletzungen treibt die EU Belarus nur noch mehr in die Arme des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zudem würden viele Menschen in Belarus durch tatsächlich harte Sanktionen ihre Arbeit verlieren. Ganz abgesehen vom Schaden, der für die eigene Wirtschaft entsteht.

EU-Bürger:innen sind intelligent genug, diese Argumente zu verstehen. Die EU-Außenminister müssen sie nicht im Stil von Hardliner-Populisten anlügen. Am Ende kommt die Wahrheit ja doch ans Licht, und das Vertrauen ist verspielt. Sehr wohl sinnvoll sind dagegen Sanktionen gegen Lukaschenko selbst und alle Personen, die sich an den Wahlfälschungen beteiligt haben und die Menschenrechte mit Füßen treten.

Die Opposition in Belarus, die es am besten wissen muss, fordert seit Jahren rund 4.000 Politiker und Staatsfunktionäre mit einem Reiseverbot in die EU, USA, nach Großbritannien und Kanada zu belegen. Doch auf der schwarzen Liste stehen zurzeit gerade mal 166 Schreibtischtäter. „Harte Sanktionen“ gegen ein Unrechtsregime sind auch das nicht. Die EU sollte den Forderungen der Opposition in Belarus nachkommen.

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Auslandskorrespondentin Polen
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24 Kommentare

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  • Sorry, aber sind nicht die bestehenden Sanktionen der Grund für Lukaschenkos Handeln? Und ist Lukaschenko nicht ein "irrer Diktator"? Wieso sollte er durch noch härtere Sanktionen dann "zur Vernunft" kommen? Verstehe ich nicht.

  • Am meisten würde es der Regierung von Belarus schaden, wenn sich die Länder, über die die Migranten eingereist sind, weigern, sie zurück zu nehmen und Belarus sie auch nicht in die EU abschieben kann. Die erhebliche Belastung durch zigtausende, in Belarus nicht willkommene Menschen, auf denen man sitzen bliebe, würde Lukaschenko den Rückhalt bei den Konservativen kosten, die ihn als einzige unterstützen. Dann wäre ein Regierungswechsel schon bald möglich.

    • @VanessaH:

      Ein Glück, dass Migranten nur Schachfiguren ohne eigenen Willen und eigene Gefühle sind...

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Naja wer meint ohne die Formalien zu erfüllen einwandern zu dürfen, es geht hier ja im Großteil der Fälle um Leute die nicht Asyl bekommen würden, der muss damit rechnen nicht reingelassen zu werden. Daher liegt die Verantwortung für das Stranden der Migranten in Belarus schon zuallererst bei den Migranten selbst. Das sind keine kleinen Kinder in der Masse sondern Erwachsene und von denen kann man erwarten das sie Verantwrtung für die Konsequenzen ihres Hndelsn übernehmen. Jetzt braucht es halt einen humanen Weg der Rückführung.

        • @83379 (Profil gelöscht):

          Ich stimme Ihnen hier ausnahmsweise einmal weitestgends zu. Die Menschen, die jetzt in Belarus in Not sind, haben viele tausen $ bezahlt, um genau da zu landen, wo sie jetzt sind. Nämlich an die Grenze zur EU. Und klar ist, dass sie schnell Hilfe brauchen. Aber diese Menschen sind keineswegs klassische Asylanten, sie wollen einfach in Deutschland oder der EU leben. Dieser Wunsch ist verständlich. Meinetwegen sollen die 3-4000 an der polnischen Grenze hier aufgenommen werden. Aber das hat mit Asylpolitik nichts mehr zu tun. Vielleicht untergräbt es sogar den Asylgedanken.

          Bei all dem Elend sollten diejenigen nicht vergessen werden, die in diesem Land in extrem schlechten Verhältnissen leben. Viele tausende Obdachlose und Menschen, die von Pfandflaschensammeln leben und Kinder und Alte in Armut, sollten nicht vergessen werden.

          • 8G
            83379 (Profil gelöscht)
            @Rolf B.:

            Das stimmt das wäre Futter für die AFD, wobei ich schon der Meinung bin man braucht eine globale Perspektive aber aus der macht es mehr Sinn das die Menschen ihre Heimatländer entwickeln gerade weil sie ja, wie richtig anmerken, nicht ganz mittellos sind d.h. da wäre der Ansatz lokale Wirtschaft entwickeln. Gibt ein massives Potential für Recycling im Iraq, nachhaltige Landwirtschaft etc.

          • @Rolf B.:

            "Die Menschen, die jetzt in Belarus in Not sind, haben viele tausen $ bezahlt, um genau da zu landen, wo sie jetzt sind."

            Richtig. Die Schlepper kassieren kräftig. Aber sehr viele Menschen kratzen alles Geld, dass sie auftreiben können, zusammen, um der Hölle in ihrer Heimat zu entkommen. Nicht wenige verschulden sich bei zwielichtigen Gesellen.

            Wer an der Grenze friert, ist also nicht zwangsläufig wohlhabend. Die Allerärmsten haben nur überhaupt keine Chance, überhaupt so weit zu kommen.

        • @83379 (Profil gelöscht):

          "...wer meint ohne die Formalien zu erfüllen..."

          Deutscher geht es nicht. Formalien einhalten bis in den Tod.

          Aber im Ernst. Polen hindert die Menschen daran, ganz formal einen Asylantrag zu stellen. Mit Wasserwerfern und Tränengas.

          "...humanen Weg der Rückführung..."

          Ganz human zurück in den Krieg. Ja. Das ist gelebter Zynismus.

          • 8G
            83379 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Die Masse sind Iraker fie fliehen nicht vor Krieg auch die Syrer die über Damaskus ausfliegen fliehen nicht vor dem Tod. Armut, Arbeitslosigkeit etc. Sind keine Asylgründe. Ich weiß sie meinen es gut aber diese Verwässerung des Asylrechts führt langfristig zu seiner Abschaffung.

            • @83379 (Profil gelöscht):

              "Die Masse sind Iraker fie fliehen nicht vor Krieg auch die Syrer die über Damaskus ausfliegen fliehen nicht vor dem Tod."

              Nein?

              Im Bagdad und besonders auch in Damaskus gehen ständig Sprengsätze irgendwelche Irrer hoch. Natürlich herrschdort Krieg!

              Die Gefühlskälte, die aus der ganzen Diskussion spricht, macht mich fassungslos.

              • 8G
                83379 (Profil gelöscht)
                @warum_denkt_keiner_nach?:

                Terror ist schlimm, aber Krieg ist es nicht. Terrorismus gibt es bei uns, in Frankreich etc.auch und trotzdem haben wir hier keinen Krieg.

                • @83379 (Profil gelöscht):

                  In beiden Ländern herrscht praktisch Bürgerkrieg. Wie kann man das kleinreden?

                  Das ist doch mit der Situation in Europa nicht im entferntesten zu vergleichen.

                  Aber die Ausreden sind schon interessant.

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                Für mich ist es ein Zeichen von Gefühlskälte, wenn man z.B. die per Flugzeug aus dem Irak ausgeflogenen Menschen bedauert, weil das Leben im Irak so hart ist und keine Idee hat, was wir dazu beitragen könnten, die Situation dort zu verbessern.



                Da hilft auch keine Selbstvergötzung.

                • @Rolf B.:

                  Erst mal haben wir und besonders unsere Verbündeten einen gehörigen Anteil daran, dass die Situation im Irak und im gesamten nahen Osten so ist, wie sie ist. Und natürlich muss sich die Situation dort verbessern. Einfach ist das nicht.

                  Das ändert aber nichts daran, dass jetzt konkret Menschen an unseren Zäunen sterben. Da muss man sofort etwas tun. Ohne Ausreden.

                  • 8G
                    83379 (Profil gelöscht)
                    @warum_denkt_keiner_nach?:

                    Die Situation war schon unter Saddam katastrophal da starben die Menschen halt in Massakern und foltergefängnissen, die Menschen vor Ort müssen Stammes und sektendenken überwinden und aufhören korrupte Politiker zu wählen. Der Irak könnte reicher als Norwegen sein, aber stattdessen wird er heruntergewirtschaftet von Imkompetenz und Fetternwirtschaft. Die Menschen vor Ort können und müssen die Lage ändern es auf die Amerikaner zu schieben ist mir zu billig.

                    • @83379 (Profil gelöscht):

                      Mag ja teilweise stimmen. Ändert aber nichts daran, dass die Menschen dort praktisch im Krieg leben.

                      Und dass dort und in vielen Teilen des nahen Ostens Krieg herrscht, ist nun mal ein Verdienst der US-Hybris, Staaten und Regionen nach eigenem Gusto zu formen. Ist schlimm schief gegangen.

                      PS: Würden die Menschen noch durch Saddam verfolgt, müssten wir sie auch aufnehmen.

  • Welcher Mensch mit einigermaßen klarem Verstand ist immer noch davon überzeugt, mit Sanktionen eine erfolgreiche Außenpolitik machen zu können? Mit dieser geradezu stupiden Haltung wäre die nächste Forderung, Krieg zu führen, nicht ausgeschlossen.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Man sollte nie ein Mittel aus der Hand geben, die Drohung alleine kann schon sehr hilfreich sein, aber Krieg wird es nicht geben, da hat keine Seite was zu gewinnen.



      Nun ist es einfach zu meckern aber wie würden sie den erfolgreiche Außenpolitik definieren und machen?

      • @83379 (Profil gelöscht):

        "Nun ist es einfach zu meckern aber wie würden sie den erfolgreiche Außenpolitik definieren und machen?"

        Sie verwechseln Kritik mit Meckern.



        Schauen Sie sich die Außenpolitik von Willy Brandt und Egon Bahr an.



        Zähes Ringen und intelligente Strategie haben im wahrsten Sinne des Wortes die Welt bewegt. Ohne leere Drohungen. Und die Welt damals war ausgesprochen komplex. Die Grünen vertreten heute genau das Gegenteil. Aber nicht nur die.

  • Sanktionen sind vielmals Pseudomaßnahmen der Politik. Sobald wirtschaftliche Interessen tangiert werden macht der "Mammon" der Politik Vorgaben, die seinen Interessen nicht schaden.

  • Was sind die Standardsanktionen des Westens? Reiseverbote und Vermögenseinfrierungen.

    Was tut also ein Bösewicht, dem evtl. Sanktionen drohen, wenn er nicht völlig blöd ist? Er deponiert sein Geld an Stellen, auf die der Westen keinen Zugriff hat. Davon gibt es mittlerweile reichlich. Und Reiseziele gibt es auch genug andere. Zum Einkaufen kann man auch nach Moskau oder Shanghai jetten. Dort sind alle Marken reichlich verfügbar.

    Was bringen diese "harten" Sanktionen also? Nichts!

    Sanktionen bringen überhaupt nur etwas, wenn sie sich gezielt gegen einzelne Dinge richten. Die Androhung von Sanktionen gegen Fluggesellschaften ist ein Beispiel.

    Für mehr reicht die Macht des Westens aber schon längst nicht mehr. Meist ist es eben doch nur Symbolpolitik.