Die EU muss in Libyen aktiv werden: Massaker im Mittelmeer
Wenn die EU den Geflüchteten in Libyen helfen will, muss sie sich die Hände schmutzig machen: Demokratische Verbündete gibt es dort nicht.
M it einem klaren Votum hat das italienische Parlament am Donnerstag beschlossen, die finanzielle und logistische Unterstützung der libyschen Küstenwache fortzusetzen. 40 Abgeordnete wollten die Zusammenarbeit wegen der ständigen Menschenrechtsverletzungen aussetzen, 376 setzen aber auf einen Stopp des Flüchtlingsstroms um jeden Preis.
Vor der Abstimmung hatte Amnesty International vehement gefordert, die Kooperation der europäischen Grenzschutzorganisation Frontex mit den libyschen Behörden einzustellen. Die mit italienischen Patrouillenbooten ausgerüstete 6.000 Mann starke Küstenwache des ehemaligen Bürgerkriegslandes fällt immer wieder mit aggressiven Einsätzen gegen die Besatzungen der privaten Rettungsschiffe in der eigenmächtig auf 90 Seemeilen ausgeweiteten nationalen Seenotrettungszone auf.
Der Streit um die Kooperation mit der libyschen Küstenwache zeigt, dass Europa nicht bereit ist, sich den tatsächlichen Herausforderungen in Nordafrika und im Sahel zu stellen. Wer auf libyschen Patrouillenbooten mitfährt, hört von der mit alten Marinesoldaten und untrainierten Kadetten aufgefüllten Truppe unerwartete Kritik: Warum es denn keine gemeinsame Mittelmeermission gebe, warum kaum Hilfe bei der Ausbildung und kein Funkkontakt mit den europäischen Schiffen gewollt sei?
Die Antwort ist einfach. Politiker und Diplomaten in Europa trauen sich nicht, die Wächter von Migrantenlagern oder die Küstenwache von einer robusten EU-Mission ausbilden zu lassen. Als Feigenblatt zum Wegschauen dient die angeblich so gefährliche Lage in Tripolis.
Und dann Sommerpause
Seit 2014 arbeiten fast alle Botschaften und UN-Organisationen aus dem benachbarten Tunesien. Die von Amnesty in Westlibyen dokumentierten Verbrechen an Migrant:innen in den privaten und staatlichen Gefängnissen tauchen nur als statistische Zahlen auf. Solange die EU-Grenzmission EUBAM ein zahnloses Gebilde ist, wird das Massaker weitergehen.
In Libyen, Mali und anderen Gebieten der entstaatlichten Region muss man mit Akteuren zusammenarbeiten, die keinen demokratischen Werten entsprechen: um Menschenleben zu retten. Das Wegschauen ist ein Verbrechen und wird die Lage verschlechtern. Die Parlamentarier:innen in Europa muss das nicht weiter kratzen. Sie sind dann in der Sommerpause und haben die Kooperation mit der libyschen Küstenwache Italien überlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos