Die „Bild“, die Bundesliga und Flüchtlinge: Engagement als gutes Geschäft
Die „Bild“ gibt sich mit ihrer „Wir helfen“-Kampagne siegesgewiss. Doch immer mehr Klubs steigen aus. Und noch eine Aktion befremdet.
Am Mittwoch schien St. Pauli mit seiner Absage noch allein im Abseits zu stehen. Als einziger Verein hatte der Zweitligist verkündet, man werde am Wochenende nicht an der von der Deutschen Fußball Liga, Hermes Logistik und Bild-Zeitung initiierten Flüchtlingskampagne unter dem Motto „Wir helfen“ teilnehmen.
Die Hamburger werden also nicht mit dem Logo der Bild-Zeitung auf dem Ärmel auflaufen, welches das Kampagnenemblem von Springer mit dem Schriftzug „Wir helfen – #refugeeswelcome“ ziert. Für diese Aktion hat das Logistikunternehmen Hermes für den kommenden Spieltag seine erkaufte Werbefläche zur Verfügung gestellt.
Im Stile eines jakobinischen Tugendwächters reagierte dann der Chefredakteur des Springer-Blatts auf die Nachricht aus Hamburg und stellte via Twitter den Verein an den Pranger: “Kein Herz für Flüchtlinge: Schade eigentlich, @fcstpauli!“ Diekmann sprach gar von einem Boykott. Dabei hatte die DFL dem Verein auf Nachfrage erklärt, die Teilnahme an der Aktion sei freiwillig.
Allen anderen Klubs wurde vor Augen geführt, was sie von der Bild zu erwarten haben, wenn sie nicht freiwillig mitmachen. Die zahlreichen erbosten Reaktionen daraufhin in den sozialen Netzwerken, die dem Hashtag „#BILDnotwelcome“ bei den Twittertrends eine Spitzenposition einbrachte, sowie die Statements der organisierten Fanszene haben aber offensichtlich einige Klubverantwortliche ins Grübeln gebracht.
Ohne Freiburg, Bochum und Nürnberg
Union Berlin kündigte am Donnerstag an, seine frisch erworbenen Immobilien diesen Winter als Unterbringungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, und erklärte fast beiläufig im Schlusssatz, der Verein werde „an der für den kommenden Bundesligaspieltag geplanten Aktion einer Boulevardzeitung“ nicht teilnehmen. Auch bei Eintracht Frankfurt wurde offenkundig über eine derartige Entscheidung kontrovers debattiert. Gegenüber der taz erklärte der Verein, man könne den vorgegebenen Zeitrahmen (Donnerstagvormittag) für eine Antwort nicht einhalten. Es werde noch diskutiert.
Entschiedener zeigten sich der SC Freiburg, der VfL Bochum und der 1. FC Nürnberg. Auch sie werden sich an der Bild-Aktion nicht beteiligen. Ihr Verein engagiere sich „bereits seit Jahren in der Flüchtlingshilfe“ und stehe bei seinem sozialen Engagement „für nachhaltige und langfristige Unterstützung vor Ort“, erklärten die Freiburger am Donnerstag auf ihrer Webseite. Wichtig seien vor allem die lokalen Initiativen. Deswegen habe man sich entschieden, am Freitag „ohne den veränderten Ärmel-Aufnäher ‚Wir helfen‘ gegen die Bielefelder Arminia auf den Platz zu gehen.“
Vermutlich hat auch die sachliche Argumentation von St. Pauli Eindruck gemacht. Dessen Geschäftsführer Andreas Rettig meinte: „Der FC St. Pauli ist seit vielen Wochen auf verschiedenen Ebenen zu einem Thema, das seit Monaten alle emotional bewegt, aktiv, um den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu helfen. Daher sehen wir für uns nicht die Notwendigkeit, an der geplanten, für alle Klubs freiwilligen Aktion der DFL teilzunehmen.“ Keinem Klub ist derzeit wohl schwerer mit der Moralkeule beizukommen als dem FC St. Pauli, der bereits 2013 mit seinem Engagement für Lampedusa-Flüchtlinge eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet einnahm.
Undurchsichtiger Fan-Run
Am Dienstag hatte die Bild noch siegesgewiss vermeldet, alle Bundesligaklubs würden sich ihre Trikots mit dem „Wir helfen“-Emblem beflocken und ein gemeinsames Zeichen für eine aktive Willkommenskultur in Deutschland setzen. Im Nachhinein eine Fehleinschätzung des Springer-Verlags, der dennoch wild entschlossen scheint, den Fußball als Marketingplattform zu nutzen.
Befremdlich ist derzeit auch eine zweite Initiative von Bild. In Kooperation mit dem FC Bayern München soll am 10. Oktober ein FC-Bayern-Fan-Run veranstaltet werden. Mit der Teilnahmegebühr von knapp 30 Euro sollen die Hilfsorganisationen „Ein Herz für Kinder“ und „Wir helfen: #refugeeswelcome“ unterstützt werden. Über Twitter veröffentlichte der User Frank Helmschrott eine bemerkenswerte Recherche, welche die Intransparenz dieses Projekts offenlegt. Demnach sei weder klar, welcher Anteil der Anmeldegebühr gespendet werden soll, noch wie seriös die Organisationsstrukturen aufgebaut sind. Die FanRun GmbH ist offenbar noch nicht einmal im Handelsregister eingetragen.
Dass in der Startgebühr für den Lauf ein Bild-Plus-Abo mit Bundesligapaket enthalten ist, hat zudem einen merkwürdigen Beigeschmack. Aus dem neu entdeckten sozialen Engagement könnte für Bild ein gutes Geschäft erwachsen. Eine Hilfe zur Selbsthilfe der ganz anderen Art.
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