Die Basis schlägt Alarm

Allerorten bilden sich Bürgerinitiativen gegen neue Mobilfunk-Masten. Jetzt wollen Grüne und SPD reagieren

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Die Bürger sind besorgt, die Bürgermeister frustriert. Kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo im Land Anwohner gegen einen neuen Mobilfunkmast protestieren. Und wenn auf einer Bürgerversammlung zum Beispiel im schwäbischen Elchingen eine Anwohnerin fragt, wann und wo denn neue Sender aufgestellt werden sollen, ist die Antwort des Bürgermeisters zumeist lapidar – wie die Replik des Elchinger Bürgermeisters Anton Lang: „Die Betreiber sind nicht verpflichtet, uns zu informieren.“

Wenn ein Standort doch einmal vorher bekannt wird, lassen sich die Bürger nicht lange bitten. Im holsteinischen Städtchen Neustadt zogen etwa vergangene Woche 200 Anwohner auf den 30 Meter hohen Pfannkuchenberg, auf dem die Telekom einen sechs Meter langen Sendemast errichten will. Vergebens, denn der Vertrag ist schon unterschrieben, wie das Lokalblatt Lübecker Nachrichten am Wochenende berichtete – und Bürgermeister Henning Reimann ist verärgert, hatte er mit der Telekom doch die Prüfung alternativer Standorte vereinbart.

Die Beispiele illustrieren die Machtlosigkeit der Gemeinden: Bis zu 60.000 neue Sendemasten werden in der Bundesrepublik bis 2005 für das neue UMTS-Mobilfunknetz errichtet. Die meisten sind niedriger als zehn Meter und strahlen weniger als zehn Watt Leistung ab. Sie brauchen daher weder eine Bau- noch eine Umweltgenehmigung. Zur Zeit müssen die Betreiber lediglich zwei Wochen vor der Inbetriebnahme Bescheid geben – wenn der Mast vielleicht schon steht.

In den Großstädten fallen die neuen Installationen kaum auf. Dort wird schon schief angesehen, wer nicht mobil erreichbar ist. Nicht nur die Jugendlichen sind begeistert, gerade auch die Politik- und die Medienelite in der Hauptstadt möchte ihr praktisches Werkzeug nicht missen. Da die Wissenschaft seit Jahren zwar keine Entwarnung, aber auch keine eindeutigen Warnungen produziert, hat man seinen Frieden gemacht mit der neuen Technik.

Doch in den Kleinstädten der Republik formiert sich Protest – nicht nur in Elchingen oder Neustadt. Die Grünen, besonders sensibel für die Basis, merkten es zuerst. „Es gibt derzeit nichts, wogegen so viele Bürgerinitiativen existieren wie gegen die neuen Sendemasten“, heißt es aus der Bundestagsfraktion. So begann man dort, über Abhilfe nachzusinnen – und regte eine öffentliche Anhörung im Umweltausschuss an, die heute stattfinden wird. Aber auch in der SPD-Fraktion ist man mit etwas Verzögerung inzwischen alarmiert. „Gerade in den letzten Wochen sind viele Abgeordnete auf mich zugekommen“, berichtet der SPD-Parlamentarier Christoph Matschie, der den Umweltausschuss leitet.

In der heutigen Anhörung wird scharfe Kritik der Experten und Verbände an den bestehenden Regelungen erwartet. Viele Länder sind beim Strahlenschutz erheblich weiter. Die Grünen haben inzwischen Gespräche mit dem Kanzleramt über eine Neuregelung aufgenommen. In einem Arbeitspapier der Fraktion schlägt der federführende Abgeordnete Winfried Hermann unter anderem vor, die Grenzwerte um den Faktor zehn auf das Niveau in der Schweiz zu senken (siehe Interview). Hermanns Papier ist in der Grünen-Fraktion zwar noch nicht endgültig abgesegnet, aber bereits unter den Experten abgestimmt. Nun wollen die Grünen die heutige Anhörung und die Sondierungsgespräche mit dem Kanzleramt abwarten, bevor sie sich endgültig festlegen.

Hermann will auch erreichen, dass die Kommunen ein Mitspracherecht bei der Aufstellung der Masten erhalten. „Das Aufstellen von Mobilfunkmasten ohne Beteiligung der Kommunen muss ein Ende haben“, fordert auch der grüne Umweltminister Jürgen Trittin, Nur dann sei auch eine Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erzielen.

Das ist auch der SPD inzwischen klar. Doch ist man sich noch nicht sicher, wie weit man gehen will. „Wir müssen abwarten, ob die Experten einen Handlungsbedarf sehen“, sagte der Ausschussvorsitzende Matschie der taz. „Wenn ja, muss es schnell eine Regelung geben.“