Die Ampel und die Religion: Weniger Interesse am R-Faktor
Eigentlich will die Bundesregierung den Bereich „Religion und Außenpolitik“ stärken. Doch viel Raum nimmt allein das Thema Religionsfreiheit ein.
Die Ampel fremdelt mit dem Thema Religion. Nicht nur beim Amtseid, auch in der Amtsführung. Im Oktober äußerte der Ex-Berater des Auswärtigen Amts, Nikodemus Schnabel, in der taz die Sorge, dass das Religionsreferat 612 unter Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu kurz kommen könnte. Dabei steht im Koalitionsvertrag der Ampel eigentlich, dass die Regierung den Bereich „Religion und Außenpolitik“ stärken will.
Auch im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat das Interesse am R-Faktor nachgelassen. Zwar gehe die Kooperation mit religiösen Akteuren auf der Arbeitsebene weiter, sagt die Politikwissenschaftlerin Julia Leininger vom German Institute of Development and Sustainability. Aber Religion sei kein Thema von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD): „Die Ministerin fokussiert sich stärker auf feministische Entwicklungspolitik und Klima.“
Schulzes christlich-sozialer Vorgänger Gerd Müller hatte 2014 beschlossen, religiöse Organisationen und Personen in die deutsche Entwicklungspolitik einzubinden. In der internationalen Zusammenarbeit stand Müller nicht allein mit dieser Idee, die Weltbank etwa beschäftigt sich schon seit Ende der neunziger Jahre mit dem Ansatz. Generell spielt in den internationalen Beziehungen seit den Anschlägen vom 11. September die „Rückkehr der Religion“ eine Rolle.
Unter Müller entstand die International Partnership on Religion and Sustainable Development, in der staatliche, zwischenstaatliche und religiöse Entwicklungsorganisationen sitzen. Außerdem begann man in konkreten Entwicklungsprojekten verstärkt religiöse Player einzubinden, um die Effektivität zu steigern. Und: Das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Religionsfreiheit wurde geschaffen, ebenfalls angesiedelt im Entwicklungsministerium.
Auf diesen Beauftragten habe sich jetzt der politische Fokus verlagert, sagt Julia Leininger: „Bei einer Weltlage, in der wir immer mehr Autokratisierung sehen, in der die Demokratie und damit auch Religionsfreiheit weltweit schwindet, ist das ein wichtigeres Thema geworden.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe ist seit einem Jahr der Beauftragte der Ampel für Religionsfreiheit. Von seinem CDU-Vorgänger Markus Grübel hebt Schwabe sich ab, nicht nur dadurch, dass sich in seinem Titel jetzt neben der Religions- auch die Weltanschauungsfreiheit findet.
Schwabe fokussiert sich auf Indigene
Auf Anfrage sagt Schwabe, selbst: „Es gibt eine Szene, weltweit, aber auch in Deutschland, die sich sehr stark mit dem Thema Religionsfreiheit beschäftigt. Die machen das aber sehr häufig aus einer Eigenmotivation.“ Er hingegen wolle sich auch für Gruppen einsetzen, deren gesellschaftspolitische Ziele er nicht teile. Es ist aber durchaus erkennbar, mit welchen Gruppen Schwabe sympathisiert.
Indigene Gruppen würden ihre Territorien oft mit religiösen Vorstellungen in Verbindung bringen, sagt er. Der Schutz der Religionsfreiheit Indigener habe insofern auch mit Umwelt- und Klimaschutz zu tun. „Im Jahr 2021 waren über 40 Prozent der ermordeten Umwelt- und Landrechtsaktivist*innen Indigene, obwohl sie nur gut 6 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen – diese Zahl ist erschreckend.“
„Spirituelles Erbe und geerbte Konflikte – Indigene und ihre Religionsfreiheit“ hieß auch eine Konferenz, die Schwabe im Herbst im Entwicklungsministerium veranstaltete. In seinem Religionsfreiheitsbericht spielen Indigene verstärkt eine Rolle. In Bezug auf Svenja Schulz sagt Schwabe, man müsse darauf achten, „dass bei neuen Akzenten, die im Ministerium gesetzt werden, zum Beispiel der feministischen Entwicklungspolitik, das Thema Religion schon auch auf der Tagesordnung bleibt“.
Aus dem Ministerium wiederum heißt es, dass Schwabe die gesamte Bundesregierung bei Sitzungen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vertreten soll. Das ist insofern bemerkenswert, als das Thema Menschenrechte bei der UNO vom Auswärtigen Amt vertreten wird. Zumindest die Religionsfreiheit kommt bei der Ampel also nicht zu kurz.
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