Bevölkerung und Entwicklungspolitik: Neokolonialistisch
Deutschland sollte sich mit Frauen im Globalen Süden für reproduktive Rechte solidarisieren. Aber nicht mit dem Ziel der Bevölkerungskontrolle.
A us Anlass der Überschreitung von 8 Milliarden Menschen auf dem Globus, weist das Entwicklungsministerium (BMZ) auf Chancen, aber auch auf Herausforderungen für eine nachhaltige Zukunft hin. Das BMZ investiere unter anderem in Familienplanung, sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte – in den sogenannten Entwicklungsländern. Darunter versteht das Ministerium die neue Zielgerade einer „feministischen Entwicklungspolitik“.
Es mutet neokolonial an, wenn wir von Deutschland aus die Geburtenrate in anderen Ländern beeinflussen wollen. Klar ist es wichtig, sich mit Frauen zu solidarisieren, die sich für Selbstbestimmung über ihren Körper einsetzen, für den Zugang zu Verhütungsmitteln und Gesundheitsversorgung inklusive Schwangerschaftsabbruch. Frauen haben ein Recht auf körperliche Selbstbestimmung und das Recht, keine Kinder zu haben. Sie haben aber umgekehrt auch das Recht, Kinder zu haben.
Reproduktive Gesundheit sollte nicht als vorgeschobenes Argument für wirtschaftliche Prosperität oder Klimaschutz dienen. Denn damit schieben wir die Verantwortung für nachhaltige Entwicklung auf die Frauen im Globalen Süden ab.
BMZ gibt Geld für Bevölkerungskontrolle
Das BMZ nimmt nicht wenig Geld dafür in die Hand. 100 Millionen gehen jährlich an die Initiative „Selbstbestimmte Familienplanung und Müttergesundheit“, die „zur Erfüllung der Ziele der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo“ beiträgt. Dort wurde 1994 erstmals die Verbindung zwischen Bevölkerung und nachhaltiger Entwicklung herausgestellt und mit Maßnahmen zur Familienplanung verknüpft.
In der jüngsten Haushaltsbereinigung konnte das BMZ dann noch ein paar Millionen für das Thema rausschlagen. 42,5 Millionen gehen nun an den UN-Bevölkerungsfonds, der sich mit der „Bevölkerungsentwicklung in den Entwicklungsländern“ beschäftigt. Im Vergleich: Deutschland hat rund 170 Millionen Euro für Klimakrisenfinanzierung im Globalen Süden zugesagt.
Selbstbestimmung: Ja! Zugang zu Information, Verhütung und Abtreibung: Ja! Aber im selben Atemzug wie Bevölkerungskontrolle: Bitte nicht!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“