piwik no script img

Die AfD nach den LandtagswahlenJubelzahlen aus der Lügenpresse

Auf der Wahlparty der Rechtspopulisten ist die Stimmung gut. Die AfD sei nicht mehr nur eine Ostpartei, freut sich deren Spitzenpersonal.

Gute Laune: Beatrix von Storch und Frauke Petry bei der AfD-Wahlparty Foto: reuters

Berlin taz | Als der große Erfolg der AfD verkündet wird, gibt es keinen Sound. Seit über einer halben Stunde frickeln Mitarbeiter des Berliner Landesverbands an dem Beamer herum, aber der Ton will einfach nicht. Im Saal ist es eng, der Bundesverband hat zur Wahlparty mit Frauke Petry geladen. Eine Frau im rosafarbenen Fleece möchte unbedingt ganz vorne dabei sein, wenn die Vorsitzende kommt. „Könnten Sie bitte zur Seite gehen“, herrscht einer der Techniker sie an. „Hier ist derzeit nichts zu sehen. Bitte lassen Sie uns unsere Arbeit machen.“ Die Frau zieht ab.

Es ist kurz vor sechs, die Berliner Anhänger der AfD haben sich in einem Hostel in Berlin-Lichtenberg im Osten der Stadt versammelt. Um die Ecke ist ein Flüchtlingsheim. Die Partei musste hierher ausweichen, nachdem ein Mietvertrag für einen Raum in der Innenstadt zurückgezogen worden war. Draußen ist die Polizei mit zahlreichen Mannschaftswagen präsent, das Gelände hat sie mit rot-weißen Gittern abgesperrt. Jeder, der zur AfD will, muss durch eine Polizeikontrolle. Drinnen auf der kleinen Bühne im Saal steht jetzt Landeschefin Beatrix von Storch, die auch Vizechefin der Bundespartei ist, im grasgrünen Jacket, neben ihr zwei weitere Mitglieder des Bundesvorstands. Sie warten.

Die AfD hat sich für die Übertragung des ZDF entschieden, obwohl die Öffentlich-Rechtlichen auf der Lügenpresse-Skala der Partei gewöhnlich ganz vorne stehen. Es ist 18 Uhr, die erste Prognose wird eingeblendet. Es ist leise im Saal, noch immer kein Ton. Langsam wandert der blaue Balken nach oben. Baden-Württemberg: 12,5 Prozent für die AfD. Jubel bricht aus. Dann 10 Prozent in Rheinland-Pfalz. Schließlich 21,5 Prozent in Sachsen-Anhalt. Im Laufe des Abends werden die Werte weiter stiegen.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„AfD, AfD“-Rufe schallen durch den Saal. Hinten hält einer ein blaues Wahlplakat hoch. „Merkel stoppen, Deutschland retten“ steht darauf. Neben ihm trägt einer eine Krawatte in Schwarz-Rot-Gold. Neben vielen Journalisten ist es die typische AfD-Mischung, die hier zusammengekommen ist: überdurchschnittlich viele weiße, deutsche Männer, 50 plus.

Von Storch nimmt das Mikro in die Hand. „Die AfD ist heute angekommen im politischen Parteiensystem“, sagt sie. „Die AfD ist keine Ostpartei mehr, sie ist im Westen angekommen.“ Weil es so schön ist, sagt ihr Berliner Co-Chef, Georg Pazderski, das Gleiche in ähnlichen Worten noch einmal. Von Frauke Petry ist weit und breit nichts zusehen.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„Das ist eine softe Diktatur“

Winfried Kretschmann, der grüne Wahlsieger aus Baden-Württemberg, schwäbelt plötzlich durch den Saal. Der Ton funktioniert. Doch keiner nimmt Kretschmann wahr. Gewöhnlich werden Grüne bei der AfD ausgebuht.

Eine Frau in den Vierzigern, lange blonde Haare, figurbetontes Outfit, nippt an ihrem Weißwein. Warum die AfD in Sachsen-Anhalt wohl so besonders erfolgreich ist? „Die Bürger der ehemaligen DDR haben Erfahrung mit der Diktatur“, sagt sie. „Und was wir jetzt haben, ist eine softe Diktatur.“ Dann kommt ein Kollege mit einer Fernsehkamera auf sie zu. Sie wendet sich ab. Reden will sie jetzt nicht mehr. Ein Mann unweit von ihr raunzt: „Mit der Lügenpresse spreche ich nicht.“ Und grinst.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Frauke Petry tritt im Fernsehen auf, bevor sie auf der Wahlparty zu ihren Anhängern spricht. Kurz vor sieben taucht sie kurz auf, zieht einmal durch den Saal, stellt sich auf die kleine Bühne. Sie spricht von einem „Abend zum Jubeln“, „einem guten Tag für die Demokratie“ und dass die AfD eigentlich ein „Potenzial von 30 Prozent“ habe, wenn sachlich über sie berichtet würde. Nach wenigen Minuten entschwindet Petry wieder. Sie muss weiter, ins Fernsehen. Dort funktioniert der Ton von Anfang an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
  • Nun, ein Fünftel der Deutschen als dumm oder rechts zu beschimpfen zeitigt kein gutes Demokratieverständnis.

    Weder in Politikerkreisen, noch hier in der taz.

    Ja, eigentlich ist es sogar ein ganzes Viertel, wenn nicht noch mehr - man bedenke die ganzen resignierten Nichtwähler oder die ihre Stimme ungültig machten.

    Eine Regierung, die es wagte, sehenden Auges gegen ein Viertel der eigenen Bevölkerung zu regieren, darf sich am Ende nun wirklich nicht wundern, wenn das Volk nun mal seinen Volkswillen ganz demokratisch kund tut.

  • Wohlstandschauvinismus und blanke Unvernunft gewinnt. Man braucht nur eine Partei zu gründen und erhält mit dem Rechtspopulismus über 10%.

     

    Es gibt keine Flüchtlingskrise, es ist gut möglich alle Vertriebenen unterzubringen.

    Es ist auch möglich den Reichtum umzuverteilen,

    kostenloser Nahverkehr für Arme und mehr Rechte für Geflüchtete sind möglich.

    Niemand kommt zu kurz.

    Und bisher haben sich leider fast nirgends Kämpfe gegen Leiharbeit und Niedriglohn geregt.

  • was echt nervt ist die unendliche dummheit der deutschen - auch wenn es nur insgesamt 20 % der bevölkerung sind, die die afd in den 3 bundesländern wählten. viele arbeitslose, viele prekär beschäftigte: agenda 2010 hat die saat gelegt: AFD BEDANKT SICH BEI SPD UND GRÜNEN!!!:

     

    aber ich bin ein protestwählerversteher: die menschen sind verängstigt und verhärtet durch das menschenverachtende und betrügerische vorgehen einer staatlichen behörde (hartzismus-ämter). angst fressen seele auf und schwupps - schaffen sie es nicht, ihre wahren peiniger zu erkennen und stürzen sich als protestwähler in den schlund einer fett von deutschen multimilliardären subventionierten kasperle-partei, geführt von von nazi-enkelinnen und mit dümmlich-rechtspopulistischen anzugträgern und neoliberal-marktfaschistischen professoren im thinktank.

    dummes dummes deutschland!

    • @Mr. Spock:

      Zu den schlauen 80 % fällt mir auch nichts besseres ein, als ein Gedicht von F. Hölderlin:

       

      An die Deutschen

       

      Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch und Sporn

      Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt,

      Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid

      Tatenarm und gedankenvoll.

       

      Oder kommt, wie der Strahl aus dem Gewölke kommt,

      Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?

      O ihr Lieben, so nehmt mich,

      Daß ich büße die Lästerung.

      • @lions:

        schlau sind bei diesem kasperletheater der neuen deutschen einheitsbreipartei spdcducsufdpgrünblabla wahrscheinlich nur die nichtwähler -

         

        sind das eigentich schon über 50% ...

  • An die "Alt"parteien: Arbeitet endlich die Vergangenheit zwischen den beiden Weltkriegen wirklich auf! Zieht vor allen Dingen sicht-, hör und lesbare Lehren und die richtigen nachhaltigen Konsequenzen. Hört auf an den falschen Stellen leichtfertig Verantwortung und Macht delegieren, die dort ein leider gefährliches Allmachtsdenken entwickeln und anstatt zum Wohle aller damit umzugehen, sie mit blinden Augen missbrauchen, ohne von Euch kontrolliert werden zu können.

     

    Ab und zu muss man damit gleichzeitig oben und unten beginnen, um gefährliche Auswüchse der geduldeten, aber auch teilweise selbst herbei gerufenen "Geister" einzudämmen. Noch haben wir eine handlungsfähige Regierung.

  • Trifft den Nagel auf den Kopf.

     

    Mit ein kleinbisschen Anstrengung wäre es gar nicht so schwer sie argumentativ zu schlagen. Siehe z.B. Uwe Junge, der in der Elefantenrunde im SWR vor der Wahl bei

    einer simplen Frage zur Finanzierung von Kitas ziemlich ins Schleudern kam, weil er dazu weder Ahnung noch Meinung hatte.

     

    Aber das scheint wohl zum anstrengend zu sein. Und so gehts weiter wie bisher mit stumpfen Beschimpfungen ala Rechtspopulisten,Rechtspopulisten, rechts, rechts, rechts Demokratiefeinde von Rechts, Rechtspopulisten..

     

    Oder Strategie Nr 2: "Frau Petry, Hans Wurst vom Ortsverein der Jungen Alternative in Pampahausen hat auf Facebook gepostet dass......" Was sagen sie dazu?

     

    In Sachen Plumpheit stehen die Versuche die AfD zu "entzaubern" der Plumpheit der AfD leider in nichts nach.

    • @tim tim:

      Hehe...sehe ich genauso!

       

      "Die AfD hat sich für die Übertragung des ZDF entschieden, obwohl die Öffentlich-Rechtlichen auf der Lügenpresse-Skala der Partei gewöhnlich ganz vorne stehen." :

       

      Wären die Gegensprecher der Afd nur ansatzweise so bissig wie der Wortlaut hier im Text wäre "AngstFürDeutschland" nicht so medienwirksam wie in einigen TV Debatten.

    • @tim tim:

      Dies sollte eine Antwort auf den Beitrag von Tom Farmer sein.

  • Auch die NSDAP wurde seinerzeit nicht nur von wildgewordenen Rüpeln am Rande der Gesellschaft gewählt. Der gestrige Abend ist eine unmissverständliche Mahnung an die demokratischen Parteien, ihr historisches Versagen zwischen 1928 und 1933 nicht zu wiederholen. Leider gibt es viele Anzeichen, die an einer grundsätzlichen Einsicht zweifeln lassen. Die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen bedeutet nicht, ihnen nach dem Munde zu reden, sondern überzeugende Konzepte zu entwickeln, die nicht vornehmlich parteitaktischen Erwägungen entspringen und den anderen nicht die Butter auf dem Brot gönnen. Besonders die FDP muss das Lagerdenken überwinden.

  • Grassgrün?

    Krasse Sache...

    Wenn das der Günter wüsste.

  • Ich bin entsetzt über den Ausgang der Wahl!

    Aber noch viel mehr kann ich mich aufregen über die Reaktion der Politiker oder auch der Presse.

    Wer gestern bei Frau Will den Hühnerhaufen von der Leyen und SPD Vize Stegner gesehen hat muss sich zwangsläufig fragen wie die denn inhaltich argumentativ gegen die AfD

    auftreten wollen.

    Die haben gar kein Argument außer zu sagen dass die rechts sind und man jetzt sehen müsse wie die sich in der anstehenden Parlamentsarbeit selbst entzaubern..

    Stegner: Man muss die inhaltlich stellen..... ja, das sagt er seit Monaten; bloß: Er tut es nicht!!

     

    Auch dieser Artikel liebe TAZ: Für den geneigten Leser ein Schenkelklopfer und Kopfschüttler. Schön, dass man sich in seiner Meinung bestätigt fühlen kann.

    ABER: Gehen Sie mal in die Betriebe, selbst hier im Südwesten und fragen Sie die normalen Leute was die grad so umtreibt und was die von der Politik zum Thema Geflüchtete so halten.

     

    Von der Leyen sagt: 80 % haben nicht AfD gewählt, also ist die Politik doch gar nicht so schlecht in Berlin!

    20 % haben AfD gewäht und weitere 20 % haben sich noch nicht getraut!

     

    Wenn wir die AfD nicht als Dauerproblem haben wollen und das jahrelang und mal nicht unterstellen, dass die sich selbst zerlegen (was schon realistisch sein könnte) sollten wir endlich in die Gänge kommen:

     

    Einwanderungsgesetz

    Integrationsgesetz

    Geflüchtetenunterbringungsgesetz

    usw.

    Und das muss dann der Staat leisten und nicht namenlose Freiwllige!

    • @Tom Farmer:

      Sehr guter Kommentar!

      Unseren politischen „Eliten“ fehlt es am Willen bzw. wahrscheinlich sogar an Intelligenz, um über eine Wahlperiode hinaus zu denken. Sie werden die aktuellen Probleme nicht mehr lösen können.

       

      Wie gestern bei Anne Will gesehen, sind sie einer Diskussion nicht wirklich mehr gewachsen, außer Beschimpfungen kam nichts. Kein konkreter Lösungsvorschlag, keine reale Beurteilung der aktuellen Lage. Frau vdL gibt sogar die Hellseherin, dass nach dem nächsten EU Gipfel alles wieder dufte ist. Sie, die gerade auch mit ihrem Ministerium dafür sorgt, dass sich in nächster Zeit noch mehr Flüchtlinge weltweit auf den Weg machen müssen.

       

      Ich denke, unser Gesellschaftmodell ist endgültig dabei, sich abzuschaffen. Also liebe Taz-Schreiber und Kommentatoren, lasst uns über eine Welt nach dem Kapitalismus nachdenken und kämpfen. Wenn wir es nicht machen, werden es Faschisten tun!

      • @alma_matter:

        Ihrem letzten Absatz kann ich nur zustimmen.

         

        @TAZ, das wäre doch mal ein spannendes Wochenend-Thema .

  • Sehr informativ, Danke TAZ. Wertfrei den Bürger informiert , mal was neues.

    • @lulu schlawiner:

      Sind Sie sicher das Sie den richtigen Artikel gelesen haben?

  • Wie figurbetont war eigentlich das Outfit des Mannes, der über die Lügenpresse raunzte?Das Muss ich jetzt dringend wissen.

    • @pippilotta_viktualia:

      das habe ich mich auch gefragt! Bitte, ich muss es wissen!!!

  • Inwiefern spielt die Farbe des Jackets Beatrix vonStorchs eine Rolle für die politische Berichterstattung?

    Weil die Taz Grün so gerne mag?

    • @pippilotta_viktualia:

      Dumme Farbspielerei II:

      Inwiefern spielt es eine Rolle, dass der Pfeil beim AfD Logo im Hintergrund rot ist? Weile die AfD Rot so gerne mag?

    • @pippilotta_viktualia:

      ... und was ist mit den "überdurchschnittlich vielen weißen, deutschen Männern, 50plus."? Was haben die an? Schnitt? Farben? Frisuren? Ich komm nicht damit klar, dass Ihr nur Frauen so detailliert beschreibt!