Die AfD beim Kirchentag: Für Christen zu rechts?
Gegen die Einladung einer AfDlerin regt sich Protest. Sollten Christen mit Rechtspopulisten diskutieren? Ein Pro & Contra
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Die große Zahl der AfD-Befürworter ist beunruhigend. Doch der „zurückgelassene“ Wutbürger möchte ins Gespräch kommen. Im Gespräch gilt es die Argumentationsstruktur, Ideologie oder Illusionen zu erkennen, zuzuhören, sich mit guten Argumenten (oder Alternativen zur Alternative) zu positionieren. Vielleicht wäre ja möglich, was naiv klingt: ein paar AfDler mit Fakten und kritischen Fragen wieder mehr zur Mitte zu bewegen.
„Ich habe die Hoffnung, dass wir trotz kontroverser Ansichten offen miteinander reden können“, sagt die Bundessprecherin der „Christen in der AfD“ Anette Schultner im Tagesspiegel im Ausblick auf ihren Podiumsbesuch im Rahmen des Kirchentags. Dessen Motto ist: „Du siehst mich“.
Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au ist eine überparteiliche Gastgeberin und möchte statt über mit der AfD diskutieren. Auch einander in die Augen schauen, getreu dem Kirchentagsmotto.
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Man sollte die AfD fragen, was sie gegen Feminismus, Migranten und Flüchtlinge hat. Man sollte ihnen Bilder und Filme vorführen von Krieg und Flucht und Kämpfen; das Elend wirklich zeigen.
Die AfD braucht lebendige Schicksale statt imaginäre Vorurteile und soll in der Person Schultner zeigen, dass sie der schwangeren Maria und ihrem Josef die Tür vor der Nase zuknallen würden.
Auch in diesem Jahr hat die taz Panterstiftung junge NachwuchsjournalistInnen eingeladen. Sie werden für uns und für Sie auf täglich vier Sonderseiten sowie bei taz.de aus Berlin berichten. Mit unverstelltem Blick, stets neugierig und das Geschehen ernstnehmend. Das Team besteht aus: Korede Amojo, Malina Günzel, David Gutensohn, Edda Kruse Rosset, Lara Kühnle, Sami Rauscher, Tasnim Rödder und Linda Rustemeier. Unterstützend mitwirken werden die taz-Redakteure Philipp Gessler und Susanne Memarnia. Die redaktionelle Leitung übernehmen die taz-Redakteure Annabelle Seubert und Paul Wrusch.
Die taz ist zudem mit eigenen Ständen auf dem Kirchentag vertreten.
Man sollte rauskriegen, wie viel Christin Frau Schultner ist, wie viel christliches Mitgefühl sie öffentlich heuchelt, unter ihresgleichen. Und darum ist es richtig, die AfD einzuladen.
Im Jahr 2013 hat sich die Partei in Berlin gegründet, mittlerweile hat sie über 25.000 Mitglieder und bei Facebook rund 323.000 „Fans“. Damit AfD-Anhänger, die sich auch für eine Bewegung halten, nicht verloren gehen, müssen sie zum Kirchentag kommen, der für alle offen sein soll. Schließlich, so haben wir es im Bibelunterricht gelernt, ist Jesus doch der „gute Hirte“, der auch kein hellblaues Schaf zurücklässt.
Die AfD sitzt mittlerweile in 13 Landesparlamenten, sie ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Statt angewidert wegzuschauen und zum Boykott aufzurufen, müssen wir ins Gespräch kommen, um Schlimmeres zu verhindern. Linda Rustemeier
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Contra
Die AfD muss öffentlich demaskiert werden, klar. Der Evangelische Kirchentag ist dazu aber nicht der richtige Ort. Das zeigt schon ein Blick auf die Diskussionsrunde, an der die AfD-Funktionärin Anette Schultner teilnehmen wird. Die Veranstaltung mit dem Titel „Christen in der AfD“ verspricht keine kontroverse Debatte. Normalisierung statt Demaskierung scheint die Devise zu sein.
Doch die AfD ist keine Partei wie jede andere. Fundamental widerspricht sie den Werten, die auf Kirchentagen gelebt werden: Toleranz. Nächstenliebe. Weltoffenheit. Begriffe, für die die AfD nicht steht. Sie will Hilfsbedürftige abschieben, das Kirchenasyl abschaffen und Europa abschaffen. Sie duldet Klimawandelleugner, Geschichtsrevisionisten und Antisemiten in ihren Reihen. Ihr im Wahljahr auf dem von Hunderttausenden besuchten Protestantentreffen ein Podium zu bieten, ist deshalb ein fatales Signal.
Zugleich ist es ein Affront gegen alle engagierten Gläubigen. Angesprochen auf die christliche Flüchtlingshilfe, spricht Parteichefin Frauke Petry von „modernem Ablasshandel“. Gleichzeitig wirft der AfD-Vorsitzende in Bayern den Kirchen ein Milliardengeschäft mit der Flüchtlingskrise vor. Auf dem letzten Bundesparteitag rief der Landeschef der niedersächsischen AfD zur Abschaffung der Kirchensteuer auf, während tausende Christen gegen die Versammlung demonstrierten. Mit Blick auf die Glaubensgemeinschaft forderte er: „In dem Verein sollte keiner von uns mehr Mitglied sein.“ Ja, die Kirche als Institution sollte stets überparteilich sein, aber bitte doch nicht unpolitisch!
Die Geschichte lehrt uns das. Eine Initiative sammelte deshalb Unterschriften für die Ausladung von AfD-Politikerin Anette Schultner. Während die Rechspopulistin ihre Teilnahme als politischen Sieg feiert, fordern die Initiatoren ein klares Bekenntnis: Die AfD ist keine Alternative für Christen.
Im letzten Jahr hat sich der Zentralrat der Katholiken diesem Motto verpflichtet und die Partei vom Katholikentag im Leipzig ausgeschlossen. Der evangelische Kirchenrat sollte diesem Schritt folgen. Ganz im Sinne der in den kommenden Tagen gelebten ökumenischen Bewegung. David Gutensohn
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