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Deutschland nach dem WM-AusMehr Füllkrug ist auch keine Lösung

Die fruchtlose Schönspielerei des DFB-Teams macht viele zu Fans des kantigen Niclas Füllkrug. Dass sein Name derzeit so hoch gehandelt wird, ist nur Beleg für die Ratlosigkeit.

Niclas Füllkrug nach seinem Tor im Spiel gegen Costa Rica Foto: Fabrizio Bensch/reuters

W as ist schon die Klimakrise gegen eine Nationalmannschaftskrise? Wenn Deutschlands Kicker bei einer WM scheitern, dann zerbrechen sich erstaunlich viele Menschen in Deutschland den Kopf, welche Sofortmaßnahmen man einleiten könnte, um die nächste Katastrophe zu verhindern, die über uns hereinzubrechen droht. In diesem Fall geht es um einen möglichen Untergang bei der Europameisterschaft 2024 im eigenen Lande.

Und ebenso heftig wird diskutiert, was nicht alles unternommen hätte werden können, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Was lief schief bei dieser Weltmeisterschaft? Klar, es gibt ein allgemeines Unbehagen darüber, dass das deutsche Team nicht hat, was es haben sollte. Weltklasseverteidiger, vor allem außen, und Weltklassestürmer dazu. Aber derlei Einwürfe laufen ins Leere, sollte man sich doch daran halten, was man hat.

So ist Niclas Füllkrug der neue Liebling der Fußballnation geworden. Die Expertenriege der Altnationalspieler versuchte zuletzt auf allen TV-Sendern, „Fülle“, wie sie ihn nennen, in die Startelf des Bundestrainers zu reden. Sein Trikot soll im November das meist verkaufte Nationalmannschaftstextil in Deutschland gewesen sein. Und hätten sich die Leute für eine Stammplatzgarantie Füllkrugs auf die Straße geklebt, das Unverständnis darüber wäre vermutlich nicht allzu groß gewesen.

Es ist noch nicht so lange her, da verband die deutschen Fans die Sehnsucht, dass ihre Elf irgendwann einmal so schönen Fußball spielen könne, wie die spanische, französische oder gar die brasilianische. Attraktiver Offensivfußball gehört für Bundestrainer Hansi Flick mittlerweile zur DNA des DFB-Teams, wie er noch einmal vor dem letzten WM-Spiel versicherte.

Es soll mehr rumpeln

Und nun? Träumen viele in Deutschland von so einer echten Kante da vorne im Strafraum, die man nur mit Flanken beliefern muss. So einen wie Niclas Füllkrug eben. Ein echter Typ, der keinen Hehl aus seinen technischen Unfertigkeiten macht, sich dafür aber voll reinhängt für die Mannschaft.

Vor gerade mal einem Jahr machte ihn noch Werder-Trainer Markus Anfang nach einer Zweitligapartie rund, weil er seiner Jokerrolle nicht gerecht wurde und es nicht einmal schaffte, während seiner Spielzeit einmal aufs Tor zu schießen. Nun wird Bundestrainer Hansi Flick rund gemacht, weil er Füllkrug, der bald seinen 30. Geburtstag feiert, nur einwechselt und bei so einem wichtigen WM-Spiel wie gegen Costa Rica nicht von Beginn an seine Wucht entfalten lässt. Es ist ja ganz hübsch anzusehen, wie fintenreich Jamal Musiala auch fünf Gegnern entkommt, aber im deutschen Spiel soll es endlich wieder mehr rumpeln.

Sicherlich steht ein abschlussstarker Stürmer jedem Team gut zu Gesicht. Aber mehr „Fülle“ ist nur ein leeres Versprechen für das deutsche Nationalteam. Dass sein Name derzeit so hoch gehandelt wird, ist nur ein Beleg für die Ratlosigkeit, weshalb es mit diesem Kader nicht für das Achtelfinale gereicht hat. Mehr Füllkrug-Fußball ist auch keine Lösung.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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12 Kommentare

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  • "Es ist ja ganz hübsch anzusehen, wie fintenreich Jamal Musiala auch fünf Gegnern entkommt, aber im deutschen Spiel soll es endlich wieder mehr rumpeln."

    Es soll im gegnerischen Tor rumpeln.



    Und Musiala hat dazu nichts beigetragen. Auch wenn er noch sehr jung ist, irgendwann sollte er mal lernen, daß man einen Ball auch mal abgeben kann. Sein einziger Assist im Spanien-Spiel war eher unfreiwillig, denn Füllkrug hat im robust einfach den Ball abgenommen.



    Füllkrug steht ja symbolisch für "die gute alte Zeit". Kein Fan kann sich vorstellen, daß er das Posing in den sozialen Medien wichtiger nimmt als das Training und sich Promi-Friseure einfliegen läßt.



    Und während des Spiels erledigt er seine Aufgabe, ohne Sperenzien wie z.B. ein Rüdiger im Spiel gegen Japan, als er meinte, seinen Gegenspieler mit seinen komischen Schritten demütigen zu müssen.



    Das der dann den japanischen Siegtreffer erzielte, hat irgendwie gepaßt.

  • Also grundsätzlich- Werder-Fan, Fülle-Fan.



    ABER: Fülle wurde mitgenommen, damit wir "so einen haben", für die gewissen Situationen, bei denen der Ball hoch reingebracht werden muss.



    Und jetzt, hat man (wer auch immer) festgestellt, dass ein wuchtiger Strafraumstürmer das nonplus Ultra ist.



    Das zeigt Konzeptlosigkeit, Ideenlosigkeit und keinerlei langfristige Idee vom Fußball.



    Nicht auszudenken wenn wir Werner mitgenommen hätten. Dann wäre nach dem Spanienspiel Ende gewesen.

  • Andere mit Ambitionen scheiden auch aus. In Deutschland überschlagen die Superlativen über Blamage und Desaster. Da stellen sich Fragen:



    1) Wird mal wieder vergessen, dass es ein Ballspiel ist, bei dem man verloren kann?



    2) Liegt bei der Annahme, bestimmte Nationen, wie Deutschland, hätten hier immer irgendwie oben zu stehen, etwa so etwas wie eine koloniale Ignoranz zugrunde?

  • Füllkrug sollte vermeiden, ein zweiter Super-Mario zu werden. Der hat vor acht Jahren ein Tor geschossen, wurde dann hochgejubelt, schließlich längerfristig auf die Bank gesetzt und vorgestern in der 66. Minute eingewechselt, um (nur) durch eine verunglückte Kopfballaktion aufzufallen.



    Das hätte Flick auch von mir bekommen können. Nairam (noch 84).

    • @Nairam:

      Vielleicht habe Sie das aufgrund Ihres Alters nicht mitbekommen, aber Mario Götze hat eine herausragende Bundesliga- und CL-Saison gespielt.



      Im Gegensatz zum selbst aus einer Verletzung kommenden gesetzten Müller.



      PS: Als Götze gegen Costa Rica eingewechselt wurde, stand es 1:2.



      Auch wenn Ihnen das nicht aufgefallen ist, daß danach noch 3 Tore fielen lag nicht nur an den Torschützen.

  • Ich habe die ersten Spiele der WM im Ausland gesehen, u.a. zusammen mit arabischen, afrikanischen und asiatischen Fans. Alle lobten ihre Gegner für deren gute Aktionen im Spiel. Nur wir Deutschen stehen mal wieder als Fußballwundernation über allem und suchen bei uns die Haare in der Suppe.



    Viele Spieler der sog. Fußballzwergstaaten spielen inzwischen bei großen europäischen Vereinen, auch bei Bayern, die übrigens die meisten Spieler der WM stellen. Die spielen da nicht, weil sie Pfeifen auf dem Spielfeld wären.

    • @NO47:

      naja wie kann man das gekicke sich denn schön reden?

      • @beck jürgen:

        Gar nicht, wenn man kein Verständnis für Sport hat, aber stattdessen immer was zu meckern.

        • @NO47:

          Tut mir leid das Du kein Verständnis für Sport hast, im Fußball geht es vereinfacht darum mehr Tore zu schießen als die Gegnermannschaft...



          Und um viel Geld, nicht um Menschenrechte, nicht um Arbeitssicherheit, nicht um Nachhaltigkeit... Gibt wichtigeres... :-)

  • Doch: Mut zur Lücke! Wobei es weniger um die Lücke geht, als um den Mut. Da stinkt der Fisch vom Kopf. Und wenn der Bundestrainer lieber auf Nummer sicher geht, dann kommt eben Dienst nach Vorschrift heraus. Wenn eine Mannschaft gegen schlechte Mannschaften schlecht und nur gegen Gute gut spielt, dann gibt es ein Motivationsproblem, etwas das ein Füllkrug nicht kennen dürfte. Mit seiner Nichtaufstellung hat der Trainer die mentalen Schwächen seiner Mannschaft geradezu gefördert. Nicht Füllkrug wäre die Lösung gewesen, sondern der Mut ihn zu bringen. Flick hat sich aber nicht ändern wollen und seine Angst und sein "es wird schon reichen" hat die Mannschaft angesteckt, dazu die dumme und gänzlich unberechtigte Arroganz. Die Nationalmannschaft ist nicht gut, da ist nicht so viel, was man nur "abrufen" muss, man muss einfach über sich hinauswachsen. Fazit: die jetzige Nationalmannschaft ist eine Olaf Scholz Truppe.

  • So what? Nobody cares if Germany has a good soccer .

  • Eine echte, gut eingespielte Mannschaft und einen Trainer, der sich was traut und sich nicht einfach immer auf die Bayern verlässt und obendrein noch einen zweiten Trainer in der Mannschaft braucht. Der kann dann auch schneller reagieren, wenn die ursprüngliche Idee nicht funktioniert, wartet nicht eine Stunde und wechselt dann auch nicht nur einzelne Spieler aus. Besser eine junge Mannschaft mit weniger klingenden Namen, weniger Belastung im Club, und die Alten und die Supertalente einwechseln als anders herum.