Deutscher in US-Kriegsgefangenschaft: Von Frankfurt nach Bagram
Eben noch Student, jetzt Kriegsgefangener: Die USA halten einen 23 Jahre alten Deutschen in Afghanistan fest. Das BKA streitet jede Beteiligung ab.
BERLIN taz | Die USA halten seit Anfang Januar einen 23-jährigen Frankfurter Studenten in Afghanistan fest. Haddid N. soll als Kriegsgefangener im berüchtigten Militärgefängnis Bagram einsitzen. Was dem Deutschen mit afghanischen Wurzeln genau vorgeworfen wird, ist unklar. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte auf Nachfrage, man bemühe sich um Zugang zu dem jungen Mann.
In Deutschland hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt zweimal erfolglos gegen Haddid N. ermittelt. Im Oktober 2009 sei er beim Versuch der Ausreise nach Bahrain am Flughafen festgehalten und ihm der Pass abgenommen worden; es habe Hinweise darauf gegeben, dass er sich dem bewaffneten Dschihad im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet habe anschließen wollen, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte. Haddid N. selbst habe damals angegeben, Angehörige besuchen zu wollen. Im Juli 2010 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, Haddid N. erhielt seinen Pass zurück.
Ebenso im Sand verliefen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen einer angeblichen Hetzrede N.s gegen Juden und Christen in einem Gebetsraum eines Frankfurter Vereins. Der konkrete Wortlaut sei nicht mehr nachzuweisen gewesen, so die Sprecherin.
Haddid N.s Schwester, eine Frankfurter Rechtsanwältin, sagte laut Süddeutscher Zeitung, ihr Bruder habe über Weihnachten den Vater in Kabul besuchen wollen. Dort soll er am 8. Januar von US-Soldaten festgenommen worden sein. Die Schwester wirft den deutschen Sicherheitsbehörden vor, für die Inhaftierung mitverantwortlich zu sein, da sie den USA Informationen über angebliche strafbare Bestrebungen ihres Bruders übermittelt hätten. Das Bundeskriminalamt erklärte auf Nachfrage, man habe "keine Informationen an ausländische Stellen weitergeleitet oder übermittelt, die zu N.s Festnahme geführt haben".
Der Asta der Fachhochschule Frankfurt, an der Haddid N. Bauingenieurswesen studiert, forderte am Mittwoch die Freilassung und Rückkehr N.s. und, falls ein strafrechtliches Verfahren notwendig sein sollte, ein rechtsstaatliches Verfahren nach deutschem Recht.
Mit einer schnellen Rückkehr ist aber kaum zu rechnen. Das zeigt der Fall des Hamburger Islamisten Ahmad S. Der wurde im Juli 2010 von US-Soldaten festgenommen - und sitzt bis heute in Bagram ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett