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Deutscher Völkermord an HereroNew Yorker Gericht vertagt sich

Die Bundesregierung erscheint erstmals offiziell vor Gericht in den USA – und will mehr Zeit. Kritik kommt von Herero- und Nama-Vertretern aus Namibia.

Herero vor dem Gericht in New York Foto: dpa

New York/Berlin epd/dpa/taz Der Justizstreit in New York über eine Klage von Vertretern der Herero- und Nama-Volksgruppen aus Namibia gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Entschädigung wegen des an ihren Vorfahren begangenen Völkermords während der deutschen Kolonialzeit geht in eine weitere Runde. Das zuständige Bundesbezirksgericht in New York vertagt eine Anhörung über die Zulässigkeit der Klage am Donnerstag nach 15 Minuten auf 3. Mai, wie namibische Medien am Freitag berichteten.

Es folgte damit einem Antrag des Anwalts der Bundesregierung, die erstmals seit Einreichung der Klage vor einem Jahr offiziell vertreten war und jetzt mehr Zeit zur Vorbereitung verlangte.

Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte die Verschiebung, nicht aber den Termin, und wollte sich inhaltlich nicht zu dem Verfahren äußern. Die Bundesregierung sieht die Klage wegen des Grundsatzes der Staatenimmunität als unzulässig an.

Die Klage war im Januar 2017 eingereicht worden, nachdem Herero- und Nama-Vertreter mit Rufen nach Direktverhandlungen mit der Bundesregierung ohne Gehör geblieben waren. Sie stützt sich auf dieselben juristischen Grundlagen wie frühere Klagen von NS-Zwangsarbeitern gegen Deutschland in den USA.

Vertreter der Herero und Nama, die am Freitag Berlin besuchten, warfen Deutschland vor, auf Zeit zu spielen. Sie forderten bei einem Treffen mit der Linksfraktion im Bundestag, die Bundesregierung müsse in direkte Gespräche mit den Volksgruppen eintreten und die deutschen Kriegsverbrechen an den Herero und Nama als Völkermord anerkennen.

Die Entwicklungspolitikerin der Linksfraktion im Bundestag, Helin Evrim Sommer, forderte die Bundesregierung auf, auf die Kläger zuzugehen und „jeden Zweifel auszuräumen, ob die Verbrechen zwischen 1904 und 1908 ein Völkermord waren“.

Deutschland verhandelt mit der namibischen Regierung über eine offizielle Entschuldigung für den Völkermord und eine deutsch-namibische Zukunftsstiftung, die Bildungs- und Forschungsprojekte fördern soll. Eine rechtswirksame Anerkennung der von deutschen Soldaten an Herero und Nama verübten Massaker zwischen 1904 und 1909 im damaligen Deutsch-Südwestafrika als Völkermord lehnt Deutschland im in New York anhängigen Verfahren jedoch ab und spricht dort lediglich von „mutmaßlichen Gräueltaten“.

Verhandlungen zwischen dem Namibia-Beauftragten der Bundesregierung, Ruprecht Polenz (CDU), und Vertretern der namibischen Regierung reichten nicht aus, sagte der frühere namibische Vizeminister für Landwirtschaftsreformen, Bernadus Swartbooi. Die Nachfahren der Ermordeten müssten mit am Tisch sitzen. Die Vorsitzende des Genozidkomitees der Herero, Esther Muinjangue, sagte, Deutschland müsse die Verantwortung für den Völkermord vorbehaltlos übernehmen.

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10 Kommentare

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  • Mh. Deutschland hatte 100 Jahre Zeit.

    Noch mehr Zeit?

  • "jeden Zweifel auszuräumen“

     

    Das kann nicht mal ein Historiker leisten. Als Deutscher will man natürlich nicht einen Völkermord unter den Tisch fallen lassen. Der Bundespräsident hat sich mehrmals eindeutig positioniert. Die Sozialdemokratie die Wahl 1906 verloren wegen diesem Thema. Es gab im Minimum einen "bewaffneten Aufstand", der niedergeschlagen wurde, das heißt Stammesüberfälle auf Siedlungen. Man weiß nicht wie viele Opfer es gab und vor allem wissen die Historiker nicht genau, wie viele Menschen dabei gestorben sind. Der Völkermord basiert im wesentlichen auf ganz großspurigen Berichten der Schutztruppe über das in die Wüste treiben der Herero und dem Kopfkino der zeitgenössischen Linken im Reichstag, die angenommen hat, die seien in der Wüste alle verdurstet. Außerdem gab es eine britische Untersuchung um 1922, nach dem 1. Weltkrieg. Später dann ganz viel polemische DDR Geschichtsschreibung zum Thema. Für Historiker dürfte die militärische Leistungsfähigkeit der "Schutztruppe" arg überschätzt gewesen sein, die ja auch irgendwie erklären musste, warum sie so signifikante Verluste erlitten hat, für aktuelle Politiker kommt es gar nicht in Frage den Völkermord herunter zu spielen, sondern darauf an sich eifrig und verantwortlich dazu zu bekennen. Die mitunter ziemlich brutalen Drohungen der Herero-Verbände unter dem Motto "Geld oder wir bringen wieder Menschen um" wollen dann nicht so ganz passen. Auch nicht, dass die meisten Leute in heutigen Namibia eher von den Opfern der Hereroüberfälle abstammen. Sicher scheint, dass New York eine juristische Farce ist, was kein deutscher Regierungsvertreter aussprechen wird, weil das Thema politisch sensibel ist. Regierungsvertreter werden weiterhin den Völkermord bekennen, egal wie häufig die Linkspartei nachfragt. Peinlicherweise ist die Datenlage für Historiker nicht so eindeutig wie es die "Noble Savage"-Romantik der kaiserlichen Linken oder die Bekenntnispolitik unserer Regierung gerne hätte.

  • Haben die USA die Weltgerichtsbarkeit? Wenn nein, so darf man derartiges eigentlich nicht einreißen lassen.

  • New Yorker Gericht ? Wieso ein Gericht aus New York ? Gehört so was nicht vor einen internationalen Gerichtshof ?

  • Mord verjährt nicht. Alle Menschen haben gleiche Rechte. Da widerspricht keiner. Aber man braucht nur ein ganz klein wenig an den Jahreszahlen und den Beteilgten herumschrauben und schon erlebt man das Gegenteil.

    • 6G
      69842 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      Wenn man sagt "Mord verjährt nicht" dann meint es dass ein Mensch der einen Mord begangen hat grundsätzlich bis an sein Lebensende strafrechtlich dafür belangt werden kann.

      • @69842 (Profil gelöscht):

        In Deutschland gibt es das Nicht-Verjährens von Mord auch noch nicht ganz so lange.

    • @Thomas Schöffel:

      Das ist ein Grundsatz aus dem Strafrecht. Mit dem Tot des Täters endet jede Strafverfolgung. An dem Tod aller in Frage kommenden Täter dürfte kein Zweifel bestehen. Übrigens, das New Yorker Gericht ist ein Zivilgericht. Im Zivilrecht gibt es keinen Grundsatz "Mord verjährt nicht".

  • Ich erwäge Klagen gegen Schweden, Frankreich, Spanien, Dänemark, Polen und Ungarn. Meine Familie hat nachweislich (urkundlich und historisch in Archiven belegt) während des 30jährigen Krieges gelitten. Ich bin mal gespannt wie die Reparationen ausfallen...

    • @Frank Stippel:

      Genau. Wenn das Schule macht, finden sich die Amerikaner auf der Ankagebank wieder für die Ausrottung der Indianer, die Spanier wegen der Inka, die Indianer wegen Grausaumkeiten eines Stammes gegen den nächsten, die Franzosen wegen der Hugenotten, die Italiener wegen der Christenverfolgung..... die Liste wäre endlos.