Deutsche in Großbritannien und Südafrika: „Am Telefon kommen wir nicht durch“
Wegen der neuen Coronamutation sind Reiseverbindungen bis Neujahr verboten. Eine Rückholaktion ist nicht geplant, Betroffene sind frustriert.
„Für Deutsche vor Ort bedeutet das leider, dass es zu erheblichen Einschränkungen kommt“, hatte eine Sprecherin des Ministeriums schon am Montag gesagt. Die Frage nach einer Rückholaktion stelle sich aber „aktuell nicht“. Ob sich daran zwei Tage später etwas geändert hat? Eine entsprechende Anfrage blockt das Außenministerium am Mittwoch ab. Rückholfüge oder Ausnahmeregelungen sind offenbar weiterhin nicht geplant.
Grund für das Reiseverbot ist eine Mutation des Coronavirus, die bisher vor allem in England und Südafrika aufgetreten ist und die besonders leicht übertragbar sein könnte. Am Montag hat die Bundesregierung die Regelung in einer Verordnung festgeschrieben. Sie verbietet streng genommen zwar nicht die Einreise nach Deutschland, untersagt Verkehrsunternehmen aber, Menschen aus den beiden Ländern hierherzutransportieren.
Dieses Verbot soll teilweise bis zum 6. Januar gelten. Schon fünf Tage früher, an Neujahr, dürfen laut Verordnung „Personen mit Wohnsitz und Aufenthaltsrecht in Deutschland“ transportiert werden. Die Fluggesellschaften müssen sich die einzelnen Verbindungen allerdings vorab vom Innenministerium genehmigen lassen.
Botschafter steckt im Stau fest
Wie viele Menschen von dem Verbot betroffen sind, weiß das Auswärtige Amt nicht. Das Spektrum der Betroffenen ist aber wahrscheinlich breit. Darunter fallen Deutsche, die in einem der beiden Länder leben und trotz der Pandemie zu Weihnachten die Familie besuchen wollten. Aber auch Lkw-Fahrer*innen, die eine Lieferung nach Großbritannien gebracht haben und auf dem Rückweg hängen geblieben sind, oder andere Berufstätige, die geschäftliche Termine im Land hatten und nicht rechtzeitig zurückkamen. Und Reisende aller Art aus Drittländern, die in London umsteigen wollten und jetzt nicht weiterkommen.
Empfohlener externer Inhalt
Der deutsche Botschafter in London, Andreas Michaelis, machte sich am Mittwoch auf den Weg nach Manston in der Nähe von Dover, wo derzeit Lkw-Fahrer*innen ausharren, bis sie einen Platz auf den Fähren nach Frankreich ergattern. Michaelis wollte mit dort wartenden Deutschen sprechen. Er kam aber nicht durch: Er blieb im Lkw-Stau auf der Autobahn stecken.
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es: „Unsere Auslandsvertretungen im Vereinigten Königreich und in Südafrika stehen auch über die Feiertage bereit, um deutschen Staatsangehörigen in konkreten Notlagen konsularische Unterstützung zu leisten.“ Art und Umfang der Hilfe richte sich dabei immer nach dem Einzelfall. „Die Bandbreite kann von allgemeiner Beratung bis hin zu konkreter praktischer Unterstützung reichen, beispielsweise bei der Suche nach einer vorübergehenden Unterkunft.“
Ein Test „ist utopisch“
Allerdings ist die Botschaft in London derzeit wohl schwer zu erreichen. Das berichtet zumindest eine Deutsche, die in ihrem Auto vor dem Fährhafen von Dover feststeckt. „Es gab bisher gar keine Hilfe. Am Telefon kommen wir nicht mal durch“, sagte sie der taz.
Die Frau lebt in England, wollte aber wegen Weihnachten und weiterer Termine nach Deutschland reisen. Sie möchte anonym bleiben, da sie befürchtet, mit ihrem Reiseversuch gegen die britischen Coronabeschränkungen zu verstoßen. Für sie und die anderen Wartenden vor dem Fährhafen, die meisten von ihnen Lkw-Fahrer*innen, gebe es weder sanitäre Anlagen noch Verpflegungsmöglichkeiten. Obwohl Fährverbindungen eigentlich wieder erlaubt sind, sei die Zufahrt zum Hafengelände geschlossen.
Und: Wer auf den Schiffen mitfahren möchte, muss laut einer Vereinbarung zwischen britischen und französischen Behörden einen negativen Coronatest vorweisen. „Das ist utopisch“, sagt die Frau. Vor Ort gebe es keine Testmöglichkeiten. Und die Schlange verlassen wolle sie auch nicht: Wegen des langen Rückstaus käme sie danach so schnell nicht mehr in die Nähe der Schiffe. Und wenn sie in den nächsten Tagen keinen Platz bekommt, so fürchtet sie, könnte es danach noch schwieriger werden – falls ein unkontrollierter Brexit das Chaos noch weiter vergrößere.
Immerhin: Dem britischen Spediteursverband RHA zufolge werden vor Ort mittlerweile mobile Testzentren eingerichtet. Diese stehen allerdings nur Lkw-Fahrer*innen zur Verfügung. Und auch die müssen weiter Geduld aufbringen. Der britische Bauminister Robert Jenrick räumte am Vormittag ein: „Es wird einige Tage dauern, bis der Rückstau behoben ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt