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Deutsche in Großbritannien und Südafrika„Am Telefon kommen wir nicht durch“

Wegen der neuen Coronamutation sind Reiseverbindungen bis Neujahr verboten. Eine Rückholaktion ist nicht geplant, Betroffene sind frustriert.

Nicht nur für Deutsche sind Reisen aus Großbritannien derzeit verboten Foto: Hannah McKay/reuters

Berlin taz | Die Bundesregierung bleibt hart: Auch wer einen deutschen Pass hat oder in Deutschland lebt, sich derzeit aber in Großbritannien oder Südafrika aufhält, kann möglicherweise erst an Neujahr nach Hause reisen. Direktverbindungen nach Deutschland bleiben bis dahin ausnahmslos verboten. Der Fährverkehr zwischen England und Frankreich ist seit Mittwoch zwar theoretisch wieder erlaubt, praktisch ist ein Platz auf den Schiffen aber schwer zu ergattern. Die Weiterreise über den Landweg ist ebenfalls nicht einfach: Belgien untersagt nach Angaben des Auswärtigen Amtes den Transit.

„Für Deutsche vor Ort bedeutet das leider, dass es zu erheblichen Einschränkungen kommt“, hatte eine Sprecherin des Ministeriums schon am Montag gesagt. Die Frage nach einer Rückholaktion stelle sich aber „aktuell nicht“. Ob sich daran zwei Tage später etwas geändert hat? Eine entsprechende Anfrage blockt das Außenministerium am Mittwoch ab. Rückholfüge oder Ausnahmeregelungen sind offenbar weiterhin nicht geplant.

Grund für das Reiseverbot ist eine Mutation des Coronavirus, die bisher vor allem in England und Südafrika aufgetreten ist und die besonders leicht übertragbar sein könnte. Am Montag hat die Bundesregierung die Regelung in einer Verordnung festgeschrieben. Sie verbietet streng genommen zwar nicht die Einreise nach Deutschland, untersagt Verkehrsunternehmen aber, Menschen aus den beiden Ländern hierherzutransportieren.

Dieses Verbot soll teilweise bis zum 6. Januar gelten. Schon fünf Tage früher, an Neujahr, dürfen laut Verordnung „Personen mit Wohnsitz und Aufenthaltsrecht in Deutschland“ transportiert werden. Die Fluggesellschaften müssen sich die einzelnen Verbindungen allerdings vorab vom Innenministerium genehmigen lassen.

Botschafter steckt im Stau fest

Wie viele Menschen von dem Verbot betroffen sind, weiß das Auswärtige Amt nicht. Das Spektrum der Betroffenen ist aber wahrscheinlich breit. Darunter fallen Deutsche, die in einem der beiden Länder leben und trotz der Pandemie zu Weihnachten die Familie besuchen wollten. Aber auch Lkw-Fahrer*innen, die eine Lieferung nach Großbritannien gebracht haben und auf dem Rückweg hängen geblieben sind, oder andere Berufstätige, die geschäftliche Termine im Land hatten und nicht rechtzeitig zurückkamen. Und Reisende aller Art aus Drittländern, die in London umsteigen wollten und jetzt nicht weiterkommen.

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Der deutsche Botschafter in London, Andreas Michaelis, machte sich am Mittwoch auf den Weg nach Manston in der Nähe von Dover, wo derzeit Lkw-Fahrer*innen ausharren, bis sie einen Platz auf den Fähren nach Frankreich ergattern. Michaelis wollte mit dort wartenden Deutschen sprechen. Er kam aber nicht durch: Er blieb im Lkw-Stau auf der Autobahn stecken.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es: „Unsere Auslandsvertretungen im Vereinigten Königreich und in Südafrika stehen auch über die Feiertage bereit, um deutschen Staatsangehörigen in konkreten Notlagen konsularische Unterstützung zu leisten.“ Art und Umfang der Hilfe richte sich dabei immer nach dem Einzelfall. „Die Bandbreite kann von allgemeiner Beratung bis hin zu konkreter praktischer Unterstützung reichen, beispielsweise bei der Suche nach einer vorübergehenden Unterkunft.“

Ein Test „ist utopisch“

Allerdings ist die Botschaft in London derzeit wohl schwer zu erreichen. Das berichtet zumindest eine Deutsche, die in ihrem Auto vor dem Fährhafen von Dover feststeckt. „Es gab bisher gar keine Hilfe. Am Telefon kommen wir nicht mal durch“, sagte sie der taz.

Die Frau lebt in England, wollte aber wegen Weihnachten und weiterer Termine nach Deutschland reisen. Sie möchte anonym bleiben, da sie befürchtet, mit ihrem Reiseversuch gegen die britischen Coronabeschränkungen zu verstoßen. Für sie und die anderen Wartenden vor dem Fährhafen, die meisten von ihnen Lkw-Fahrer*innen, gebe es weder sanitäre Anlagen noch Verpflegungsmöglichkeiten. Obwohl Fährverbindungen eigentlich wieder erlaubt sind, sei die Zufahrt zum Hafengelände geschlossen.

Und: Wer auf den Schiffen mitfahren möchte, muss laut einer Vereinbarung zwischen britischen und französischen Behörden einen negativen Coronatest vorweisen. „Das ist utopisch“, sagt die Frau. Vor Ort gebe es keine Testmöglichkeiten. Und die Schlange verlassen wolle sie auch nicht: Wegen des langen Rückstaus käme sie danach so schnell nicht mehr in die Nähe der Schiffe. Und wenn sie in den nächsten Tagen keinen Platz bekommt, so fürchtet sie, könnte es danach noch schwieriger werden – falls ein unkontrollierter Brexit das Chaos noch weiter vergrößere.

Immerhin: Dem britischen Spediteursverband RHA zufolge werden vor Ort mittlerweile mobile Testzentren eingerichtet. Diese stehen allerdings nur Lkw-Fahrer*innen zur Verfügung. Und auch die müssen weiter Geduld aufbringen. Der britische Bauminister Robert Jenrick räumte am Vormittag ein: „Es wird einige Tage dauern, bis der Rückstau behoben ist.“

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4 Kommentare

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  • Wenn ich das alles lese, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln: so verwöhnt sind wir also geworden (versteht mich nicht falsch: vermutlich würde ich in dieser Situation genauso jammern).

    Die Menschen in den Lagern auf Lesbos und anderswo monatelang dahinvegetieren wären über dem Comfort, das eine LKW-Fahrerkabine bietet vermutlich froh.

  • Wer bei der Abreise der Meinung war, das Zielland ist ausreichend sicher, sollte sich jetzt nicht auf die Behauptung des Gegenteils berufen, um einen Aufenthalt zu beendigen.

  • Die Situation der stecken gebleibenen Reisenden ist doof, aber der Bericht geht am wahren Ausmaß des Problems vorbei.

    Zwar haben wir noch keine wissenschaftlich endgültigen Ergebnisse, das ist so schnell auch gar nicht möglich, aber offensichtlich wird in UK eine Verdopplung trotz Lockdown innerhalb ein bis zwei Wochen beobachtet, und während die alte Variante aufgrund des Lockdown abnimmt, nimmt die neue rapide zu. Das ist nicht mehr plausibel nur mit statistischen Ausreißern zu erklären, beizpielsweise gehören selbst ganz im Norden in Schottland schon 15% der Fälle zur neuen Variante.

    Das es die Impfungen gibt, ist klasse, aber sie allein werden dieses Problem nicht löschen. Wenn auf diese neue Situation nicht sofort und massiv reagiert wird, ist die Gefahr gross dass wir sehenden Auges in eine Katastrophe laufen. Schon jetzt sind die Kapazitäten der Intensivstationen am Anschlag, die übrigens eine bescheuerte Regelgrösse sind, denn es wird auch viele Leute geben die an Langzeitfolgen leiden werden, das Tracking der Gesundheitsämter versagt schon lange, und die wirtschaftlichen Schäden aus dem halbherzigen Umgang mit der Pandemie werden auch immer grösser.

    Mit einem mutierten Virus, dass sich in einer Woche Verdoppelt, womöglich in einem Monat verzehnfacht. und und zwei Monaten verhundertfacht, würde unser Gesundheitssystem mit Sicherheit endgültig kollabieren.

    Wir brauchen endlich ein schnelles, entschiedenes, konsequentes, wirkungsvolles, und solidarisches Vorgehen, nämlich eine ZeroCovid Strategie.

    Guter Text hierzu, mit einer Strategie welche sicher auch viele Wissenschaftler und Organisationen wie die Leopoldina und ich vermute mal auch Professor Drosten befürworten. Allerdings mit einer etwas deutlicheren und direkteren Sprache, ähnlich wie Greta Thunberg für nicht wenige Normalbürger verständlich gemacht hat, was die Klimaforscher mit ihren Warnungen eigentlich sagen wollen:

    medium.com/@mamasu...tegie-dea488ece9d8

    • @jox:

      Dank für zutreffenden Kommentar und den Link.