piwik no script img

Deutsche Regierung in IndienMehr Handel wagen

Auch bei dieser Runde der deutsch-indischen Gespräche wird das Potenzial des jetzt bevölkerungsreichsten Land der Welt betont. Berlin setzt mehrere Schwerpunkte.

Gute Stimmung: Regierungschefs Modi und Scholz bei den siebten Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen in Delhi, 25. Oktober

Delhi taz | Vor himmelblauem Hintergrund wurde Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der indischen Hauptstadt Delhi begrüßt. Allerdings nur auf dem Plakat. Denn Scholz kam spät in der Nacht und der Himmel war am Morgen darauf noch etwas trübe. Doch zu trüber Stimmung gab es zumindest bei der siebten Runde der Regierungskonsultationen mit dem strategischen Partner in Delhi wenig Anlass. „Sehr gute Erinnerungen“ habe Scholz an seinen letzten Besuch in Indien, sagte er am Freitag. Der hatte zum G20-Gipfel im September 2023 stattgefunden. Und da war die Welt noch um einen geopolitisch-heiklen Großkonflikt kleiner.

Vier Mi­nis­te­r:in­nen begleiteten Scholz in diesem Jahr, zwei davon, die für Wirtschaft und Arbeit, reisten sogar schon früher an. „Innovation, Mobilität und Nachhaltigkeit“ lauten die Schlagworte. Und sie unterstrichen, welches Thema im Mittelpunkt der deutsch-indischen Regierungskonsultationen stehen sollte. Und das war längst gesetzt: Denn zeitgleich war die Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft angesetzt worden.

Doch auch 2019 war der Besuch der damaligen Kanzlerin Angela Merkel mit der Jahrestagung der indischen Außenhandelskammer gekoppelt und besonders für die Wirtschaftsvertreter von Interesse. Nun ist diesmal die Konzentration der Unternehmen aus der Region wohl größer und vielleicht auch der Wille, in der Diversifizierungsstrategie stärker auf Indien zu setzen. Das mehr Einwanderung aus Indien nach Deutschland gewünscht ist, macht das neue Papier „Fachkräftestrategie Indien“ klar. Der deutsche Botschafter in Indien sagte kürzlich, dass die jährliche Obergrenze für Visa für indische Fachkräfte von 20.000 auf 90.000 erhöht werde.

Schon damals war jedoch die Bürokratie das große Hindernis. Allerdings hat sich seitdem einiges geändert, wie man an der Erteilung von mehr Visa sieht. Und Luft bei diesem hochkarätigen Besuch ist, gemessen am Luftqualitätsindex, deutlich besser: Die Begrüßungsplakate waren diesmal sichtbar und nicht durch neblige Schwaden verdeckt.

Knapp 30 Kooperationen, Abkommen und Ergebnisse

Konkret gab es bei den Konsultationen fünf Schwerpunkte: Von „Politik und Sicherheit“ über „Umwelt und nachhaltige Entwicklung“, „Wissenschaft und Technologie“ bis hin zu „Wirtschaft und Handel“ sowie „Mobilität“. Wie aus Regierungskreisen verlautete, wurden am Freitag knapp 30 Kooperationen und Abkommen vereinbart. Die Regierungskonsultationen sollen um einen gemeinsamen konsularischen Dialog erweitert werden.

„Die wachsende Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik zeigt, dass wir tiefes gegenseitiges Vertrauen empfinden“, sagte der indische Regierungschef Narendra Modi (BJP). Das Abkommen über den Austausch von Geheimdienstinformationen sei ein weiterer Schritt in diese Richtung. Indien blickt diesbezüglich auf die „Bekämpfung von Terrorismus und Separatismus“, so der hindunationalistische Politiker.

Während Bundeskanzlers Olaf Scholz als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sich mehrmals deutlich dafür aussprachen, die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien zügig voranzutreiben, schien das nicht unbedingt oberster Priorität auf der indischen Agenda zu haben. Auch wenn der indische Blick auf die EU sich verändert hat. Ein Abkommen, das manche Bereiche wie die Milch- und Landwirtschaft, die auf beiden Seiten des Verhandlungstisches ein sensibles Thema sind, ausklammert, könnte den Weg dorthin erleichtern.

Indische Neutralität in Bezug auf Russland wurde erwähnt

Indiens neutrale Haltung im russischen Angriffskrieg wurde von Seiten Berlins angesprochen, jedoch weniger kritisch. Erfreulicher war, dass in der zweiten Phase der grünen urbanen Mobilität Partnerschaften geschlossen und eine Roadmap für die Einführung von grünem Wasserstoff unterzeichnet werden konnten.

„Neben neuen bilateralen Abkommen ging es Modi und Scholz vor allem darum, eine Aufbruch-Stimmung zu erzeugen“, sagt der Indien-Kenner Tobias Scholz von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutschland habe seinen China-zentrierten Ansatz gegenüber Asien hinter sich gelassen. Der gemeinsame Auftritt der Regierungschefs auf der Wirtschaftskonferenz könne als Signal an die Privatwirtschaft beider Länder verstanden werden, mehr Handel zu wagen. Die politische Beobachterin Garima Mohan spricht von „einer neue Ära für die deutsch-indische Partnerschaft“.

Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den Tag jedenfalls als „vollen Erfolg“. „Alles klar, alles gut!“, schloss Premier Modi seinen Redebeitrag ab. Nach dem Treffen mit Modi ging es für Scholz noch dann gleich weiter zu einem Termin bei Airbus.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Das sind gute Nachrichten!



    Es ist zu begrüßen, dass Deutschland die Zusammenarbeit mit Demokratien ausbaut.



    Indien ist noch nicht verloren.



    Klar ist Modi auch kein lupenreiner Demokrat, doch bei der Voraussetzung lichten sich ja schon die Reihen in Europa.



    Scholz gibt hier klar das Bekenntnis zum Einwanderungsland aus . Im Gegensatz dazu sei an den CDU Wahlkampfslogan "Kinder statt Inder " erinnert, den Merz in abgewandelter Form recyceln will.

  • Schön, wenn wir 90.000 Fachkräfte anwerben die letztlich erst mal deutsch lernen müssen. Kenn jetzt den vierten Fall, wo perfekt deutsch sprechende Leute, zwei deutsche eine deutsch Australierin sowie eine Venezolanerin unser Land hier verlassen (bzw. In einem Fall ihren Beruf verlässt und was letztlich Unqualifiziertes anfängt) weil hier entweder die Abschlüsse nicht anerkannt werden (Mathe Lehrerin, Radiologin, Umweltwissenschaftler, Mediziner) oder die des Partners und somit beide das Land verlassen. Woanders ist es offensichtlich formal einfacher!



    Aber klar, wir können auch Fachkräfte aus Indien holen.



    Ich für mich muss leider langsam feststellen, dass ich mich mit dem Laden hier immer weniger identifiziere.