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„Deutsche Jugend Voran“Neonazi allein im Gericht

Julian M., Kopf der DJV, muss sich wegen Gewaltdelikten verantworten. Am ersten Prozesstag gesteht er die Vorwürfe. Solidarität bekommt er keine.

Julian M., mit Megafon, auf einer Nazi-Demonstration im Oktober in Marzahn Foto: dpa/Paul Zinken

Berlin taz | In einem Glaskasten im Sicherheitssaal des Landgerichts Berlin sitzt am Dienstagmorgen der Neonazi Julian M., Kopf der „Deutschen Jugend Voran“ (DJV) Berlin-Brandenburg, einer seit 2024 existierenden gewalttätigen Neonazigruppierung. Anders als andere politische Straftäter muss der 24-Jährige den Auftakt seines Prozesses wegen Bedrohung, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und versuchtem schweren Raub ohne Szene-Unterstützung im Publikum verleben.

Untypisch zudem: Nach Verlesung der Anklage lässt M. durch seinen Pflichtverteidiger Mirko Röder erklären, die Vorwürfe seien „zutreffend“, auch bereue er die Taten.

Im vergangenen Jahr trat M. bei Störaktionen gegen CSD-Paraden in ostdeutschen Städten in Erscheinung, als Einpeitscher mit Megafon. Doch dabei blieb es nicht. Im September posierte er mit Kameraden auf einem auf Instagram veröffentlichten Bild mit einem zuvor geraubten Antifa-Shirt, aufgenommen in der Szenekneipe Zum Zapfhahn. Das Opfer, dem massive Gewalt angedroht und zwei Mal gegen die Schläfe geschlagen wurde, hat sich dem Prozess als Nebenkläger angeschlossen.

Einen Monat später rückten Ermittler zu Razzien bei Neonazis der DJV und der ähnlich gestrickten Gruppe „Jung & Stark“ aus. Von M., Sohn eines Polizisten, wurden zwei Anschriften durchsucht, darunter das elterliche Wohnhaus. Wegen Fluchtgefahr sitzt er seitdem in Untersuchungshaft. Polizeibekannt war M. schon vorher: Seit seiner Jugend liefen eine Vielzahl von Verfahren gegen ihn, verurteilt wurde er zwei Mal: wegen Hausfriedensbruch und Beleidigung.

4 Tatkomplexe

Gleich wegen vier Vorwürfen muss er sich nun vor Gericht verantworten. Neben dem Überfall auf den Antifaschisten in Marzahn geht es um zwei weitere Attacken. Nur eine Woche später hat M. demnach mit vier Mittätern auf einen Mann in Hellersdorf eingeprügelt, wohl weil dieser Streit mit seiner Ex-Freundin gehabt hatte. Mehrmals soll M. ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben, zudem habe er mit vorgehaltener Luftdruckpistole gedroht, ihn zu erschießen.

Zu einem weiteren Überfall auf einen politischen Gegner kam es Mitte Oktober nach einer rechtsextremen Demo in Marzahn. In der S-Bahn auf dem Weg zum Bahnhof Lichtenberg griffen M. und weitere Neonazis einen Fahrgast an, der ein Antifa-Logo auf seiner Jacke trug. Auf Videos von Überwachungskameras, die bei der Gerichtsverhandlung gezeigt wurden, ist zu sehen, wie die Rechten einen Fahrgast unvermittelt angreifen, ihn schlagen und treten. Der Angegriffene trug diverse Verletzungen davon.

Verhandelt wird zudem über eine Bedrohung gegen eine Frau, die zuvor ihren Austritt aus der Deutschen Jugend Voran erklärt hatte. Auf Sprachnachrichten, die ebenfalls im Gericht abgespielt wurden, schreit M. unter anderem: „Ich werde euch alle töten.“ M. hatte vor allem sehr junge Menschen für die DJV angeworben. Der Prozess, der auf vier Verhandlungstage angesetzt ist, wird am Freitag fortgesetzt.

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