piwik no script img

Deutsche EnergiepolitikBrennstoffe teurer, Strom billiger

Bisher ging es bei der Energiewende nur um Strom. Jetzt fordert der Think Tank Agora Energiewende umfassendere Reformen.

Benziner werden steuerlich geringer belastet als E-Autos Foto: ap

Berlin taz | Strom soll billiger werden, Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas dagegen teurer. So lautet die am Montag veröffentlichte Empfehlung der Organisation Agora Energiewende. Ein Mittel dafür sei es, die staatlichen Steuern und Abgaben auf Elektrizität zu senken, für die fossilen Energielieferanten dagegen zu erhöhen. Sonst sei der Weg von der „Strom- zur Energiewende“ nicht zu schaffen.

Begründung der These: Obwohl Strom zunehmend klimafreundlich werde liege die Steuerbelastung viel höher als bei fossilen Energieträgern. Umweltfreundliches Verhalten werde damit bestraft, klimaschädliches jedoch belohnt. Agora gilt als einflussreicher ThinkTank für die deutsche Energiepolitik.

Agora-Chef Patrick Graichen hält das Thema für ein wesentliches der nächsten Legislaturperiode. Sein ThinkTank versucht damit, eine neue Ökosteuer-Reform anzuschieben. Die rot-grüne Bundesregierung setzte ab 1999 den ersten Schritt um. Mittlerweile diskutiert die SPD immer mal wieder, die Energiesteuer auf Elektrizität zu verringern – bislang ohne praktisches Ergebnis. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), dessen Beirat der ehemalige SPD-Finanzminister Hans Eichel leitet, entwickelt ähnliche Pläne wie Agora. Wenn man die Belastung mit staatlichen Steuern, Abgaben und Umlagen auf die Einheit Kilowattstunde (kWh) bezieht, ist sie beim Stromverbrauch am höchsten.

Dort beträgt sie 18,7 Cent pro kWh, etwa 60 Prozent des Endkundenpreises. Stromerzeuger werden dagegen nur mit 0,3 Cent herangezogen. Von Liter umgerechnet auf Kilowattstunde beträgt die Steuer beim Benzin 7,3 Cent, für Diesel 4,7 Cent, für Erdgas 2,2 und bei leichtem Heizöl 0,6 Cent pro kWh.

Hohe Stromkosten benachteiligen Autofahrer, die auf E-Autos umsteigen

Diese Struktur wird laut Agora zunehmend zum Problem. So benachteiligen die hohen Stromkosten Autofahrer, die auf E-Autos umsteigen. Benziner und Diesel erhalten dagegen Vergünstigung. Derzeit wolle man noch keinen genauen Reform-Vorschlag machen, „sondern erst einmal die Handlungsoptionen analysieren“, sagte Graichen. Eine Variante bestünde in der Angleichung der unterschiedlich hohen Steuersätze.

Ein zweites Modell hat vor Jahren bereits der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer vorgeschlagen: Die Kosten der Energiewende beim Strom würden ganz oder teilweise in einen steuerfinanzierten Fonds ausgelagert. Die Stromverbraucher müssten sie dann nicht mehr alleine tragen. Aus diesen und weiteren Varianten will Agora in der kommenden Zeit ein umsetzbares Konzept entwickeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Think Tanks sind eine feine Sache für alle Arten von Lobbyarbeit. Wer kann noch zwischen Gut und Böse unterscheiden?

  • Wenn man die Endprodukte entsprechend ihrer Umweltbelastung besteuern will, müsste man aus Studien der verschiedenen Lobbyverbände mühsam ermitteln wieviel Treibhausgas ihre jeweilige Produktion verursacht hat und die Steuersätze ständig an technologische Entwicklungen anpassen.

    Aus dem Input (Braunkohle, Steinkohle, Öl, Gas) können aber relativ simpel und zuverlässig die Emissionen ermittelt werden und mit einer CO2-Steuer belastet werden. Ebenso kann auch der Emissionshandel auf alle Verwendungen fossiler Energie ausgeweitet werden. Die Menge der Zertifikate könnte dabei auch so gesteuert werden, dass ein Mindestpreis sichergestellt ist.

  • "Von guten Beispielen lernen."

     

    Das Bundesumweltministerium fördert die Exzellenzinitiative Klimaschutz-Unternehmen. Dort haben sich Firmen zusammengeschlossen, die Klimaschutz vorbildlich praktizieren. Beim "Praxistag betrieblicher Klimaschutz" am 27. Juni 2017 präsentieren Unternehmen ihre wegweisenden Klimaschutzprojekte.

    https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BMUB/2017/3/2017-03-29-Klimaschutz-Unternehmen.html;jsessionid=45A1DC94BCAA308E0DC2561EF76112ED.s5t2

  • Die Besteuerung von Energie hat ohnehin schon absurde Ausmaße erreicht. 50% des Strompreises sind Steuern oder Umlagen.

     

    Bei Diesel (bei einem Preis von ~1,20€/l) liegt der Steueranteil bei etwa 55%.

     

    Sollten wir mittelfristig alle E-Autos fahren wird aufgrund der höheren der Effizienz der Fahrzeuge und den dadurch deutlich rückläufigen Einnahmen bei der Mineralölsteuer, die Steuer auf Strom über für die Mobilität verwendeten Strom sogar noch steigen.

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Eine sehr gute Idee. Damit stellt man die Energiewende endlich vom Kopf auf die Füße.

    Zur Zeit wird der kostengünstige Strom aus Windkraft mit hohen Zusatzkosten so belastet, das bald keiner mehr das so unterstützt.

    Sicherlich ein unerklärtes Ziel mancher Politiker aus dem Süden.

    • @64938 (Profil gelöscht):

      Wenn Strom aus nicht-erneuerbarer Energie dann auch günstiger werden sollte, erscheint mir das hinsichtlich Energiewende aber auch widersprüchlich.

      • 6G
        64938 (Profil gelöscht)
        @EDL:

        Ja, da müsste wohl differenziert werden...