Deutsche Debatte um EU-Asylreform: „Wir sind noch nicht am Ende“
Die geplante EU-Asylreform spaltet die Bundespolitik, vor allem die Grünen. Die Regierung verteidigt ihre Zustimmung - kündigt aber Nachbesserungen an.
Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg hinter die Reform gestellt: Man brauche einen Solidaritätsmechanismus, in dem Staaten wie Deutschland Geflüchtete aus den Grenzstaaten übernehmen, dort dafür aber alle registriert werden. Die Verfahren an der Außengrenze brauche man für geregelte Abläufe und auch zum Schutz des Asylrechts an sich. Insgesamt sei die Reform „fair“.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reagierte ebenso auf Kritik. Sie glaube, dass es mit der Reform „für die Mehrheit der Geflüchteten die Chance gibt, dass es besser wird“, sagte sie ebenfalls auf dem Kirchentag. Zuvor hatte Baerbock bereits in einem fünfseitigen Brief an die Grünen-Bundestagsfraktion von einer Einigung gesprochen, die ihr „persönlich sehr schwergefallen“ sei, die letztlich aber „richtig“ sei. Mit einem Nein von Deutschland wäre eine gemeinsame europäische Asylpolitik „auf Jahre tot“ gewesen.
Die Kritik an der geplanten Asylreform hält aber gerade unter Grünen weiter an. Die Thüringer Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich sagte am Sonntag der taz, der Beschluss sei ein „Fehler“. Es werde nun „viel mehr Abschottung“ geben, auch würden Menschen- und Kinderrechte verletzt. Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt warf Faeser vor, die Behauptung, dass es ohne die Asylreform wieder Binnengrenzkontrollen in Europa bräuchte, stimme nicht. Die Kommission selbst sehe in Grenzkontrollen keine wirksame Antwort auf irreguläre Migration. Faeser rede „eine Krise herbei, die es nicht gibt“, so Marquardt.
Grünen-Chefin kündigt Parteitagsdebatte an
Grünen-Chefin Ricarda Lang kündigte am Sonntag an, das Thema auf dem nächsten Grünen-Parteitag zu diskutieren. Man werde es sich dabei „nicht leicht machen“, so Lang zur ARD. Die Partei werde aber auch „sehr klar für Verbesserungen“ bei der Asylreform eintreten, insbesondere im Europaparlament. „Wir sind noch nicht am Ende.“ Lang hatte zuvor den Beschluss der EU-Innenminister*innen abgelehnt – anders als ihr Co-Chef Omid Nouripour.
CDU-Chef Friedrich Merz sprach am Wochenende von einem „erheblichen Durcheinander“ bei der Asylreform. Bis der Beschluss umgesetzt sei, brauche es daher Binnengrenzkontrollen in Europa. EU-Staatsangehörige und Inhaber gültiger Papiere könnten sich auch dann weiter frei in der EU bewegen. Die Binnengrenzkontrollen lehnt Innenministerin Faeser bisher ab.
Druck kommt derweil aus der Zivilgesellschaft. Pro Asyl kritisierte den EU-Beschluss scharf und startete eine Petition, um die Reform noch zu verhindern. In Hamburg gingen am Sonntagnachmittag mehrere hundert Menschen gegen die „Zerstörung des Asylrechts“ auf die Straße.
Kritik an Scholz wegen „Witz“ über Geflüchtete
Auch auf dem Kirchentag hatten Zuhörer*innen gegen die Reform protestiert, mit Schildern oder Zwischenrufen. Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche, sagte der taz: „Ich habe mir das echt nicht vorstellen können: Dass wir demnächst Menschen, die vor Krieg, vor Gewalt, vor Klimakatastrophen fliehen, in Haftzentren an unseren Grenzen stecken, um sie möglichst schnell wieder loszuwerden.“ Darunter seien auch Familien mit kleinen Kindern. „Die haben in ihrem Land und auf der Flucht schon so viel Grausames erlebt – und wir setzen das dann fort? Wie krass ist das denn?“, so Heinrich. „Europa und die Menschenrechte – das passt dann nicht mehr zusammen! Wir werden nicht aufgeben, uns dafür einzusetzen, dass es soweit nicht kommt.“
Kritik erntete Scholz auch für eine Bemerkung auf dem Kirchentag, er habe schon mal beim Europäischen Rat „den Witz gemacht“, Deutschland müsse „einen großen Strand am Mittelmeer haben“, weil hier mehr Geflüchtete ankämen als in den Mittelmeer-Anrainerländern. Die Seenotretter von Sea-Watch nannten das angesichts von mehr als 1.150 Toten im Mittelmeer allein in diesem Jahr einen „schlechten Witz“. Auch der frühere CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet twitterte, „Leid, Not und Elend von Geflüchteten“ eigneten sich nicht zu Witzen auf europäischen Gipfeln -„nie“.
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