Deutsche Bank nach der Finanzkrise: Aus Strafen ein Geschäft machen
Die Deutsche Bank sollte den Opfern der Finanzkrise in den USA mit Milliarden Dollar helfen. Doch statt zu zahlen, schlägt sie Profit daraus.
Eine der Schuldigen an dieser epochalen Finanzkrise war die Deutsche Bank. Sie sollte Opfern von Zwangsvollstreckungen eigentlich finanziell helfen – so sieht es ein Vergleich mit dem US-Justizministerium von Dezember 2016 vor. Doch davon hat sich die Deutsche Bank, vermutlich ganz legal, verabschiedet. Das geht aus einem am Mittwochabend veröffentlichten Bericht des Washingtoner Juristen Michael J. Bresnick hervor, der damit beauftragt ist, die Einhaltung des Vergleichs von 2016 zu überwachen.
Zum Verständnis zunächst ein kurzer Rückblick: Im Januar 2017 schrieb das US-Justizministerium, die Deutsche Bank habe sich vor der Finanzkrise in den Jahren 2005 bis 2007 illegal verhalten, Kredite unverantwortlich vergeben und so nachhaltigen Schaden bei Investoren und der amerikanischen Öffentlichkeit angerichtet. „Sie hat direkt zur Finanzkrise beigetragen“, sagte die Generalstaatsanwältin Loretta E. Lynch damals.
In einem Vergleich verpflichtete sich die Bank, 3,1 Milliarden Dollar Strafe sofort zu zahlen sowie bis März 2022 4,1 Milliarden Dollar für das „Consumer Relief Program“, also ein „Verbraucherhilfsprogramm“, zur Verfügung zu stellen. Letzteres sollte „Hausbesitzer, Kreditnehmern und Kommunen helfen, die von ihren [d. h. der Deutschen Bank, Anm. d. Red.] Geschäften geschädigt wurden“, hieß es.
Keine Hilfe für überschuldete Hausbesitzer
Davon kann nun kaum die Rede sein. Ausgerechnet denen, die am bedürftigsten sind, hilft die Bank nicht. „Sie wird letzten Endes keinem einzigen überschuldeten Hausbesitzer helfen, indem sie einen Teil seiner Hypothek übernimmt“, schreibt Bresnick. Entgegen ursprünglicher Pläne habe die Bank sich entschieden, diese Art von Hilfe nicht anzubieten, heißt es in dem neuen Report weiter.
Auch andere Erleichterungen wie die Stundung von Immobilienkrediten für Menschen, die warum auch immer gerade nicht zahlen können, lehnt die Bank ab. Sie sind in der Vereinbarung mit der US-Justiz allerdings vorgesehen, nur eben nicht explizit vorgeschrieben. Deshalb ist das Verhalten der Bank wahrscheinlich nicht illegal. Und der Grund, warum sie diese Hilfen nicht anbietet, ist simpel: All das würde echtes Geld kosten. Stattdessen stürzt sich die Bank auf den einzigen Teil der Vereinbarung, bei dem sie nicht nur nichts zahlen muss, sondern am Ende sogar sehr wahrscheinlich mit der eigenen Sühne Geld verdienen wird.
Die Vereinbarung mit den US-Behörden sieht vier Möglichkeiten vor, wie die Deutsche Bank auf 4,1 Milliarden Dollar an Verbraucherhilfen kommen kann. Eine davon sind einfache Kreditgeschäfte – und auf sie allein wird die Bank zurückgreifen. Damit hat die Deutsche Bank die beiden Unternehmen Nationstar und Caliber Home Loans beauftragt.
Sie schließen für die Bank Immobilienkredite mit Kund*innen ab, die Häuser in Gebieten kaufen, die von der Finanzkrise besonders hart getroffen worden sind – vor allem Teile von Florida und Kalifornien. Außerdem bekommen Kunden günstige Immobilienkredite, die zum ersten Mal einen solchen beantragen – was sonst zu höheren Zinsen führen würde. Für jeden Kredit, den die Deutsche Bank so finanziert, erhält sie selbst bis zu 11.500 Dollar an „Verbraucherhilfe“ gutgeschrieben.
Auch andere Banken müssen zahlen
Bis jetzt hat sie rund 190.000 derartiger Kredite vergeben und damit knapp 1,5 Milliarden Dollar ihrer Schuld abgetragen – ohne ihre Bilanz mit nur einem Cent zu belasten. Die Deutsche Bank hat der taz gegenüber bestätigt, dass die gesamten 4,1 Milliarden Dollar vermeintliche Strafe am Ende nicht budgetwirksam sind. Das heißt, die Summer wird nicht bezahlt.
Die Kredite, die dahinter stecken, scheinen sogar ein gutes Geschäft zu sein. Sämtliche Kreditnehmer*innen haben laut des Bresnick-Berichtes eine gute Bonität, werden ihre Schulden bei der Deutschen Bank also tilgen, zudem kassiert die Bank 2,5 bis 6 Prozent Zinsen. Das entspricht fast dem derzeit in den USA marktüblichen Wert von 2,6 bis 8,5 Prozent.
Ein minimaler Zinsvorteil für die Kreditnehmer*innen also, trotzdem schreibt die Deutsche Bank auf Anfrage: „Dies ist angesichts der aktuellen Marktbedingungen und unserer Finanzierungsexpertise die effizienteste und effektivste Art, Erleichterungen für Verbraucher zur Verfügung zu stellen.“ Wie viel Geld sie mit diesen „Erleichterungen“ verdient? „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu Zahlen bezüglich einzelner Produktkategorien nicht äußern“, schreibt ein Sprecher.
Auch andere Banken sind zur Zahlung infolge der Finanzkrise verurteilt worden. Vor der Deutschen Bank auf Platz eins ist dabei die Bank of America mit 12 Milliarden Dollar. Auch andere Banken müssen für die Hilfsprogramme für Verbraucher deutlich weniger aufwenden, als die Milliardensummen suggerieren. Die Deutsche Bank scheint jedoch die einzige zu sein, die daraus komplett ein Kreditgeschäft mit Gewinnaussicht macht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?