piwik no script img

Deutsch-türkische BeziehungenArmeeangehörige beantragen Asyl

Rund 40 meist ranghöhere Soldaten sollen in Deutschland Asyl suchen, melden Spiegel und SWR. In der Türkei würden vielen als vermeintlichen Putschisten Haft drohen.

Nicht alle sind in unter Erdoğan sicher: türkische Armeeangehörige in Ankara (Archivbild) Foto: ap

Berlin/Athen dpa | Kurz vor der Türkei-Reise von Kanzlerin Angela Merkel gibt es Berichte, dass etwa 40 in Nato-Einrichtungen stationierte türkische Soldaten in Deutschland Asyl beantragt haben. Dabei handelt es sich nach Informationen des Spiegel und des ARD-Magazins „Report Mainz“ größtenteils um ranghohe Militärs. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Bundesinnenministerium betonten dem Spiegel zufolge, der Fall der Offiziere werde behandelt wie andere Asylfälle auch.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist heikel, da Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag – einen Tag vor dem EU-Gipfel auf Malta – zu politischen Gesprächen in die Türkei reist.

„Es gibt keinen Zweifel, dass wir diese Soldaten nicht in die Türkei zurückschicken können“, zitiert der Spiegel den CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. „Sie würden dort sofort im Gefängnis landen.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, sagte: „Das Asylverfahren ist rein rechtlich, politische Erwägungen dürfen dabei keine Rolle spielen und werden es auch nicht.“

Der griechische Verteidigungsminiter Panos Kammenos geht davon aus, dass die Zahl der türkischen Offiziere, die in Europa Asyl beantragt haben, noch viel höher ist. „Es sind mehr als 400 (türkische) Offiziere, die Asyl beantragt haben“, sagte er dem griechischen Sender Skai am Samstag. Das habe er aus Nato-Kreisen in Brüssel erfahren.

Türkischer Streit mit Griechenland

Die türkische Regierung drohte dem Nachbarn Griechenland bereits mit Konsequenzen, nachdem der oberste griechische Gerichtshof am Donnerstag die Auslieferung von acht türkischer Militärs verweigert hatte. Sie waren im Juli 2016 während des Putschversuchs in der Türkei per Hubschrauber nach Griechenland geflohen und hatten dort Asyl beantragt.

Ankara stuft die Militärs als Putschisten ein und will das Gerichtsurteil nicht hinnehmen. Neben dem Flüchtlingspakt mit der EU habe die Türkei auch ein bilaterales Rücknahmeabkommen mit Griechenland, das nun beendet werde, zitierte der türkische Staatssender TRT am Freitag Außenminister Mevlüt Cavusoglu.

Zwei der Offiziere beteuerten im Spiegel und im „Report Mainz“, sie hätten mit dem Putschversuch nichts zu tun. In der Türkei drohe ihnen dennoch die Verhaftung und womöglich Folter. Einer wird mit den Worten zitiert: „Wir stehen vor dem Nichts.“ Die Soldaten beschuldigen demnach Präsident Recep Tayyip Erdoğan, prowestliche und säkulare Haltungen von Türken im Militär systematisch abzustrafen.

Tausende Soldaten festgenommen

Die türkische Regierung geht seit dem gescheiterten Putsch massiv gegen mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen vor, den sie für den Umsturzversuch verantwortlich macht. Neben vielen anderen wurden in der Folge auch Tausende Soldaten festgenommen.

Anfang November – also gut vier Monate nach dem Putschversuch – hatten mehrere türkische Soldaten aus dem Nato-Hauptquartier im pfälzischen Ramstein um Asyl in Deutschland gebeten. Um wie viele Soldaten es sich dabei handelte, blieb damals unklar.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist seit Monaten angespannt. Ursache dafür waren unter anderem die umstrittene „Schmähkritik“ des TV-Moderators Jan Böhmermann an Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die Resolution des Bundestags, die die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als „Völkermord“ einstufte. Erdoğans Politik nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei sorgte ebenfalls für Verstimmungen zwischen beiden Ländern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Wenn wir denen Asyl geben können unsere türkischen Bundestagsabgeordneten gleich wieder den Personenschutz hochfahren.

     

    Erdogan wird wüten und über die DITIB - diese Bereicherung unserer Gesellschaft - wird der seinen Anhängern schon sagen was sie jetzt zu tun haben.

  • Bringt auch die Deutschen Soldaten, die innerhalb der NATO mit türkischen Kollegen zu tun haben oder in der Türkei aktiv sind, in jedem Fall in eine missliche Lage.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "..., Norbert Röttgen, sagte: „Das Asylverfahren ist rein rechtlich, politische Erwägungen dürfen dabei keine Rolle spielen und werden es auch nicht.“

    Schon klar, bzw. unklar, was das heißen soll bei einem wichtigen Nato-Verbündeten und hundertprozentig sicherem Herkunftsland.

    Noch heikler geht nicht und auf Merkels Statements dazu in Ankara darf man gespannt sein, falls es solche überhaupt geben wird.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Und was genau würde eine "unheikle" Vorgehensweise bringen?

       

      Mehr tote Flüchtlinge auf dem Mittelmeer (oder glauben sie auf einmal gehen die Grenzen auf?)

       

      Oder meinen Sie wenn wir jetzt Erdogan "aufklären", dass er auch nur eine Sekunde lang die europäische Sicht annimmt (hat bei Völkermorden auch nicht geklappt)

       

      //

      Den Preis dafür, dass sie sich hier eine ach so moralischen Politik von Frau Merkel sehen, werden die Flüchtlinge zahlen.

    • @571 (Profil gelöscht):

      "Noch heikler geht nicht und auf Merkels Statements dazu in Ankara darf man gespannt sein, falls es solche überhaupt geben wird."

       

      Am besten stützt sie sich bei der Antwort auf alternative Fakten.

  • "Anfang November – also gut vier Monate nach dem Putschversuch – hatten mehrere türkische Soldaten aus dem Nato-Hauptquartier im pfälzischen Ramstein um Asyl in Deutschland gebeten. Um wie viele Soldaten es sich dabei handelte, blieb damals unklar." Dachte eigentlich das Nato-Hauptquartier ist in Brüssel. Wie kann die Nato Asyl gewähren?

  • Das könnte hoffentlich zur Nagelprobe für die NATO und die EU werden.

    Vor Erdogan kriechen oder die vollmundig verkündeten eigenen Prinzipien leben.

    Bin gespannt.

    • @Trabantus:

      Solange der IS noch stark genug ist, braucht die NATO die Türkei. Man könnte also fast vermuten, dass die Türkei ein Interesse daran hat den IS nicht ernsthaft zu schwächen.

      Und die Annäherung zwischen Erdoğan und Putin hat natürlich auch dafür gesorgt, dass sich NATO Länder nicht ernsthaft in türkische Angelegenheiten einmischen werden.

  • ALLEN Bedrängten Menschen Asyl in ALLEN demokratischen Staaten Europas!

    • @Gion :

      Wenn man bedenkt, dass ca. 2/3 der Menschheit bedrängt sind, wird es dann doch ziemlich eng. Es reicht doch, die aufzunehmen, die tatsächlich an die Tür klopfen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        das meinte ich - pardon, da war sie wieder die hitzigkeit des westmünsterländers ;-)

  • Die Offiziere unseres Verbündeten suchen bei uns Asyl. Das kommt wirklich nicht oft vor.

     

    Aber es ist natürlich nicht opportun, über den Sinn eines solchen Bündnisses nachzudenken...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Eher ist so ein Bündnis obsolet.

      • @Trabantus:

        ..Ja, ziemlich obsolet, es sei denn, die Türkei schafft auch "alternative Fakten".. Der Phantasie sind natürlich dabei keine Grenzen gesetzt.