Deutsch-türkische Beziehungen: Armeeangehörige beantragen Asyl
Rund 40 meist ranghöhere Soldaten sollen in Deutschland Asyl suchen, melden Spiegel und SWR. In der Türkei würden vielen als vermeintlichen Putschisten Haft drohen.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist heikel, da Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag – einen Tag vor dem EU-Gipfel auf Malta – zu politischen Gesprächen in die Türkei reist.
„Es gibt keinen Zweifel, dass wir diese Soldaten nicht in die Türkei zurückschicken können“, zitiert der Spiegel den CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. „Sie würden dort sofort im Gefängnis landen.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, sagte: „Das Asylverfahren ist rein rechtlich, politische Erwägungen dürfen dabei keine Rolle spielen und werden es auch nicht.“
Der griechische Verteidigungsminiter Panos Kammenos geht davon aus, dass die Zahl der türkischen Offiziere, die in Europa Asyl beantragt haben, noch viel höher ist. „Es sind mehr als 400 (türkische) Offiziere, die Asyl beantragt haben“, sagte er dem griechischen Sender Skai am Samstag. Das habe er aus Nato-Kreisen in Brüssel erfahren.
Türkischer Streit mit Griechenland
Die türkische Regierung drohte dem Nachbarn Griechenland bereits mit Konsequenzen, nachdem der oberste griechische Gerichtshof am Donnerstag die Auslieferung von acht türkischer Militärs verweigert hatte. Sie waren im Juli 2016 während des Putschversuchs in der Türkei per Hubschrauber nach Griechenland geflohen und hatten dort Asyl beantragt.
Ankara stuft die Militärs als Putschisten ein und will das Gerichtsurteil nicht hinnehmen. Neben dem Flüchtlingspakt mit der EU habe die Türkei auch ein bilaterales Rücknahmeabkommen mit Griechenland, das nun beendet werde, zitierte der türkische Staatssender TRT am Freitag Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
Zwei der Offiziere beteuerten im Spiegel und im „Report Mainz“, sie hätten mit dem Putschversuch nichts zu tun. In der Türkei drohe ihnen dennoch die Verhaftung und womöglich Folter. Einer wird mit den Worten zitiert: „Wir stehen vor dem Nichts.“ Die Soldaten beschuldigen demnach Präsident Recep Tayyip Erdoğan, prowestliche und säkulare Haltungen von Türken im Militär systematisch abzustrafen.
Tausende Soldaten festgenommen
Die türkische Regierung geht seit dem gescheiterten Putsch massiv gegen mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen vor, den sie für den Umsturzversuch verantwortlich macht. Neben vielen anderen wurden in der Folge auch Tausende Soldaten festgenommen.
Anfang November – also gut vier Monate nach dem Putschversuch – hatten mehrere türkische Soldaten aus dem Nato-Hauptquartier im pfälzischen Ramstein um Asyl in Deutschland gebeten. Um wie viele Soldaten es sich dabei handelte, blieb damals unklar.
Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist seit Monaten angespannt. Ursache dafür waren unter anderem die umstrittene „Schmähkritik“ des TV-Moderators Jan Böhmermann an Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die Resolution des Bundestags, die die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als „Völkermord“ einstufte. Erdoğans Politik nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei sorgte ebenfalls für Verstimmungen zwischen beiden Ländern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei