Designierter neuer CIA-Chef Brennan: „Demokratie mit Füßen getreten“
Bei seiner Befragung hat der designierte CIA-Chef Brennan Drohnenangriffe verteidigt. Protestierende gegen Obamas Kandidaten wurden geräumt.
WASHINGTON taz | „Brennan tötet mit Drohnen“, ruft eine Frau in den Saal, als Obamas Wunschkandidat für die Spitze des CIA, John Brennan, dem Senats-Ausschuss für die Ehre dankt, vor ihm auftreten zu dürfen. Die Zwischenruferin wird abgeführt. Der Kandidat dankt als nächstes seiner Frau und seinen drei Kindern. „Brennan tritt die Demokratie mit Füßen"; ruft ein Mann in den Saaal. „Nicht einmal der Kongress ist in die Tötungspläne des CIA eingeweiht.“ Auch er wird abgeführt.
Brennen dankt nun seinen aus Irland eingewanderten Eltern. Eine Frau ruft: „Im Namen der Mütter in Jemen, in Pakistan und in Somalia". Die letzte Zwischenruferin – es ist die fünfte – hält eine meterlange Papier-Liste hoch: „Dies sind die Namen der Toten".
Dianne Feinstein, Demokratin aus Kalifornien und Vorsitzende des Senats-Geheimdienstausschusses, entscheidet nach fünf Unterbrechungen, dass alle Anwesenden den Saal verlassen müssen. „Die Teilnehmer von Code Pink kommen nicht mehr herein“, beschließt sie. Rund 30 Personen – mehrheitlich Frauen – sind mit der Anti-Kriegsgruppe gekommen. Sie tragen rosa Schals und T-Shirts und Transparente auf denen steht: „Drohnen machen Feinde“. Und: „Stoppt die CIA-Morde“. Acht ZwischenruferInnen werden vorübergehend wegen „gesetzwidrigem Benehmen" festgenommen.
Am Abend erklärt Medea Benjamin von Code Pink in einem Interview: „Gesetzwidrig ist, was Brennan tut. In Länder gehen, mit denen wir nicht im Krieg sind und Leute auf Grundlage von geheimen Informationen töten. Wo ist da das Recht?"
Zurückliegende Arbeit entscheidend
Als die ZwischenruferInnen weg sind, stellen die SenatorInnen aus dem Geheimdienstausschuss dann ihre Fragen. Von ihrer Zustimmung hängt ab, ob der 57-jährige Brennan den CIA-Chefposten antreten kann, für den ihn der US-Präsident nominiert hat. Den SenatorInnen geht es weniger um Brennans Pläne für den CIA, als um seine zurückliegende Arbeit. Brennen war für den Counter-Terrorismus verantwortlicher hoher CIA-Mitarbeiter zu Zeiten von George W. Bush und ist seit vier Jahren Berater zum gleichen Thema für die Obama-Regierung.
Über das Weiße Haus, wo er in den zurückliegenden vier Jahren mindestens 385 Drohnenangriffe allein in Pakistan und Jemen in Auftrag gegeben hat, sagt Brennan: „Der Präsident verlangt, dass alles, was wir tun, legal untermauert ist. Auch die Aktionen mit tödlicher Kraft.“ Er beschreibt die Drohneneinsätze, als gebe es dabei keine Kollateralschäden. Er wiederholt auch, dass er unter Bush gegen Folter gewesen sei, das aber nur in persönlichen Gesprächen geäußert habe. SenatorInnen erinnern ihn an ein Interview aus dem Jahr 2005, in dem er den „Nutzen“ von Geheimgefängnissen „zur Informationsgewinnung“ gepriesen hat.
Die SenatorInnen haben den Auftrag, die Geheimdienste zu kontrollieren. Sie wollen Transparenz. In den letzten Stunden vor der Anhörung hat das Weiße Haus ihnen nach jahrelangen Anträgen erstmals Einblick in Rechtsargumente gegeben. Der Demokrat Ron Wyden hat vor Brennans Anhörung angedroht, dass er den Kandidaten seines Präsidenten ablehnen könnte. Jetzt will er, dass Brennan die Kriterien offenlegt: „Amerikanische Bürger haben ein Recht zu wissen, wann ihre Regierung sie töten will.“
Auch Ausschuss-Vorsitzende Feinstein beklagt die Geheimnistuerei gegenüber dem Ausschuss. Sie regt die Einrichtung eines „Gerichts“ an, das Drohneneinsätze vorab prüft. Der Demokrat Jay Rockefeller erinnert daran, dass der Geheimdienst auch dann keine Unterstützung gab, als der Ausschuss einen 6.000 Seiten langen Bericht über die „schlechten Methoden in ihrer Agentur“ zusammengestellt hat: „Wir waren geschockt. Wir mussten alles selbst suchen.“
Brennen weicht aus
Brennan weicht oft aus. „Wir setzen Drohnen nicht als Strafe ein“, versucht er zu erklären, „sondern, um Leben zu schützen“. Über die Einrichtung eines „Gerichtes“ habe man auch im Weißen Haus nachgedacht. Und zu Rockefeller sagt der Mann, der 25 Jahre im CIA verbracht hat: „2007 hatte ich den Eindruck, dass wir bei den Verhörtechniken Informationen gewonnen haben. Aber Ihr Bericht stellt das infrage.“ Auch auf die Frage, ob Folter bei der Informationsbeschaffung geholfen habe, gibt er keine Antwort: „Zu diesem Zeitpunkt weiß ich nicht, was die Wahrheit ist.“
Der republikanische Sentor Saxby Chambliss aus Georgia bemängelt, dass die Obama-Administration in vier Jahren nur einen einzigen hochrangigen Terrorismusverdächtigen gefangen genommen hat: „Sie scheinen der Ansicht zu sein, dass es besser ist, Terroristen mit einer Drohne zu töten, als sie gefangen zu nehmen.“
Brennan widerspricht: „Ich ziehe eine Gefangennahme immer vor.“ Auch gegenüber dem Demokraten Carl Levin windet sich der Kandidat. Der Senator will wissen, ob Waterboarding Folter ist. Der Kandidat antwortet: „Ich bin kein Anwalt.“ Der Senator insistiert: „Verstößt Waterboarding gegen die Genfer Konvention?“. Brennan: „Es ist verwerflich. Und wir hätten es schon vor langer Zeit verbieten sollen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kürzungen im Kulturetat von Berlin
Gehen Kassiererinnen in die Oper?
Argentinien ein Jahr unter Javier Milei
Arm sein im Anarcho-Kapitalismus
„Kanzlerkandidatin“ der AfD
Propagandashow für Weidel
FDP und D-Day
Staatstragende Partei, die von Kettensägenmassakern träumt
Offensive in Syrien
Ist ein freies Syrien möglich?
Journalist über Kriegsgefangenschaft
„Gewalt habe ich falsch verstanden“