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Der Quatsch mit dem FastenLieber Demos als Ökokonsum

Gastkommentar von Georg Kurz

Vegan leben und ohne Plastik einkaufen, ist gut und schön. Um die Welt zu retten, muss man aber die kapitalistische Marktlogik bekämpfen.

Besser als fasten: Globaler Klimastreik am 29. November 2019 in Berlin Foto: Christian Ditsch/imago

W ir werden keine der ökologischen Krisen in den Griff bekommen, solange wir nur über persönlichen Konsum und die Verantwortung von Ver­brau­che­r:in­nen reden. Wie kann es sein, dass immer mehr Menschen Bio, Fairtrade, plastikfrei, palmölfrei, vegan kaufen – und die Emissionen unbeirrbar weiter steigen?

Dazu hilft ein Blick auf den politischen Gegner: Wenn Ver­brau­che­r:in­nen mehr Klimaschutz wollen, dann sollen sie eben entsprechende Produkte kaufen, da sind sich Konservative und Liberale einig. Statt verpflichtenden Vorgaben für die Tierhaltung sollen sich Ver­brau­che­r:in­nen lieber selbst entscheiden können, sagen die Chefs von Wiesenhof, Tönnies und Co.

Und der „carbon footprint“, also die persönliche Klimabilanz jedes Einzelnen, ist eine Erfindung des Ölkonzerns BP, mit der erfolgreich verpflichtende Maßnahmen für fossile Unternehmen abgewendet wurden. Heute beziehen sich selbst Umweltverbände auf diesen persönlichen CO2-Abdruck. Und damit hat Lobby der Klimazerstörung uns da, wo sie uns haben will: Fokussiert auf den eigenen Einkauf im Supermarkt, statt wütend auf der Straße, um die Ausbeutung unserer Lebensgrundlagen zu beenden.

Die Ökobewegung war erfolgreich, wenn sie gemeinsam klare Regeln für die Produktion erkämpfte: Der Atomausstieg wurde durch organisiertes Aufbegehren gegen die AKWs erreicht, nicht mit Stromsparen und dem Kauf von Ökostrom. Und die ozonschädlichen FCKWs wären vermutlich heute noch in jedem Kühlschrank, hätte man statt des globalen Verbots auf einen freiwilligen Verzicht gesetzt.

Ja, je­de:r Einzelne hat eine Verantwortung: nämlich sich zusammenzuschließen, um für Regeln zu kämpfen, die einen ethischen und umweltfreundlichen Konsum für alle garantieren. Weil jedes Produkt klimagerecht und ohne Ausbeutung produziert wurde – und sich diese Produkte auch alle leisten können. Darum geht es. Und es geht nicht mit, sondern nur gegen kapitalistische Marktlogik.

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15 Kommentare

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  • "Wie kann es sein, dass immer mehr Menschen Bio, Fairtrade, plastikfrei, palmölfrei, vegan kaufen – und die Emissionen unbeirrbar weiter steigen?"

    Palmöl hat einen sehr hohen Ertrag pro Hektar und ist einfach zu verarbeiten. Für einen dieser Bäume müsste man drei andere pflanzen plus mehr Fabriken- mit entsprechend Flächen- und Wasserverbrauch. Nur am Rande.

    Ansonsten ist der Kapitalismus eine neutrale Sache. Er bedient UNSERE Wünsche, er will nur Kunden. Es ist unsere Verantwortung.

    Wie mit dem Staat. Der bedient auch nur unsere Wünsche. Wollen wir mehr Umweltschutz, wählen wir dementsprechend, passierts. Die Gesellschaft wird liberaler- Gesetze ändern sich.

  • 0G
    06227 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich Zustimmung, einmal frei nach Roger Kint: "The biggest trick capitalism ever pulled was to convince its critics of its own lies"

    Wobei, wie andere auch schon festgestellt haben, geht (bzw. muss) auch beides gleichzeitig.

  • Verzicht schwächt nicht- sondern macht stärker und überzeugender.

    • @noncarnnever:

      Das macht nur dann stärker und überzeugender, wenn zusätzlich der Widerstand auch direkt geführt wird. Die meisten begnügen sich allerdings mit dem Verzicht. Das aber reicht nicht aus.

      • @Malatesta Pjotr:

        Dann geht die Wirtschaft kaputt und Steuern brechen ein.

        Es drohen Überschuldung, geschlossene Kindergärten, kaputte Straßen, Kriminalität, Streichung von Sozialleistungen. Populisten auf dem Vormarsch. Beide Daumen hoch.

        • @Wonneproppen:

          Das von Ihnen beschriebene Szenario ist doch schon zu einem Großteil Realität. Um unsere Gesellschaft besser zu machen, kommen wir um einen entschlossenen Kampf für ein gerechteres Wirtschaftssystem nicht herum.

        • @Wonneproppen:

          Das macht nur dann stärker und überzeugender, wenn zusätzlich der Widerstand auch direkt geführt wird. Die meisten begnügen sich allerdings mit dem Verzicht. Das aber reicht nicht aus.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich arbeite in einer Materialsammlung / Upcyclingladen. In unserem Laden kann jede:r so viel für die gespendeten Materialien geben, wie er:sie es für richtig hält.



    Im letzten Jahr haben wir vier Wochen lang Aktionen zum Plastikfasten gemacht und diese hatten alle Bezug zum Selbermachen, der Verwertungslogik und der Wertkritik. Unser Verein hat auch eine Broschure herausgebracht, in der viele Wege beschrieben stehen, sich auf demokratischen Wege einzumischen und gesellschaftliche Veränderungen auf den Weg zu bringen.



    Insofern war unser Engagement nicht in der kapitalistischen Marktlogik verortet. Da wird der vorliegende Kommentar also polemisch.



    Eine vertane Chance. Leider. Denn dass wir alle auch lernen müssen, ein nachhaltiges Leben zu führen, liegt auf der Hand. Im Text wird das verkürzt auf die Konsumseite:



    "Ja, je­de:r Einzelne hat eine Verantwortung: nämlich sich zusammenzuschließen, um für Regeln zu kämpfen, die einen ethischen und umweltfreundlichen Konsum für alle garantieren."



    Die Seite der Care-Arbeit wird dabei ausgeblendet. Der Kapitalismus ist ein warenproduzierendes Patriarchat. Zum Antikapitalismus gehört also notwendig auch die Frage, wer traditionell weiblich konnotierte Tätigkeiten wie das Waschen und Reparieren der Kleidung, das Wiederverwenden von gebrauchten Stoffen beim Nähen etc macht. Auch die emotionale Arbeit, die nötig ist, um Kindern eine nachhaltiges Lebensweise beizubringen, muss geschlechtergerecht verteilt werden.



    Ein Antikapitalismus, der zulasten von Frauen geht, kann nicht funktionieren. Da hat der Kommentar seine methodische Schwäche. Denn Geschlechtergerechtigkeit lässt sich nicht so einfach verordnen. Das fängt notwendigerweise bei uns selbst an. Es reicht nicht, dass "jedes Produkt klimagerecht und ohne Ausbeutung produziert" werden soll. Es muss auch umweltgerecht und ohne Ausbeutung (von Frauen) gepflegt und entsorgt werden und diese Fähigkeiten müssen zudem von Generation zu Generation reproduziert werden.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Geschlechtergerechtigkeit? Es geht um Umwelt und Naturschutz.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Ob vielleicht beides erforderlich ist?"



    Da kann ich mich nur anschließen.

  • "Der Atomausstieg wurde durch organisiertes Aufbegehren gegen die AKWs erreicht, nicht mit Stromsparen und dem Kauf von Ökostrom."



    Der erste vielleicht, der tatsächliche hatte aber einen gewissen GAU in Japan im Rücken.

  • Das hört sich für mich sehr flach an.

    Ob vielleicht beides erforderlich ist?

    Ich glaube nicht, dass ich auf einer Demo lerne wie ich aus weniger Konsum mehr Lebensfreude und Befriedigung ziehe.

    Nur auf die grosse Ansage von oben nach der Revolution warten?



    Genau das wird meiner Meinung nach nicht reichen und spielt dem "System" in die Karten!

    • @Heiner Petersen:

      "Das System" ist das beste, das wir je hatten.

      Bürgerrechte, Demokratie, Wohlstand, Sicherheit... Alles auf historischem Höchststand. Kann man nicht abstreiten. Plus Höchststand Umweltbewusstsein, Rassismussensibilität und all das.

      Ich fühle mich wohl.

  • Das eine schließt das andere ja nicht aus.

  • Der Kommentar zeigt etwas Richtiges auf, macht es aber am Falschen fest.

    Jeder Einzelne kann sich beim Verkehr, beim Einkauf einschränken. Aber wenn man sich die Verteilung der CO2 Emittenten in D ansieht, sieht man auch, dass das nur ein kleiner Bruchteil ist. Daher waren auch alle Versuche, den auf das Individuum bezogenen CO2 footprint (11 to, oder so), entscheidend zu reduzieren, zum Scheitern verurteilt. Durch die anderen Einflüsse ist es für das Inividuum unmöglich zur Zeit auf 1,5 to (angestrebter Weltwert) zu kommen.

    Das liegt aber nicht ursächlich an dem Wirtschaftssystem.

    Beim Atomausstieg hat die Masse der Einzelnen vielleicht ein Rolle gespielt.



    Aber sicher nicht bei FCKW:



    "ozonschädlichen FCKWs wären vermutlich heute noch in jedem Kühlschrank, hätte man statt des globalen Verbots auf einen freiwilligen Verzicht "



    Hier waren Regierungen, auch gegen Lobbisten aktiv (allerdings fiel der Verzicht auch nicht übermässig schwer).