Der Koalitionsvertrag ist fertig: Muss halt
Die neue große Koalition ist eine reine Pflichtkoalition. Vieles, was SPD und Union nun ankündigen, liest sich halbgar und vage.

D ie Koalition zwischen Union und SPD steht also. Es ist die fünfte in der Geschichte der Bundesrepublik, und das vorherrschende Gefühl ist nicht Euphorie oder Aufbruch, sondern ein lauwarmes „Muss halt“. Selten ist eine Koalition in so schwierigen Zeiten mit so wenig Vertrauensvorschuss gestartet. Das fängt schon beim Namen an. Als GroKo kann man das Gebilde aus U-30-Union und 16-Prozent-SPD nicht mehr bezeichnen. PfliKo, also Pflichtkoalition, wäre angemessen, denn es gab schlicht keine alternative Konstellation, die Stabilität verspricht und die rechtsradikale AfD nicht in der Führerloge platziert.
Dennoch oder gerade deshalb muss man der Koalition wünschen, dass sie die nächsten vier Jahre erfolgreich regiert und die großen Herausforderungen anpackt. Die akuteste ist derzeit, Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland zu stützen, angesichts der schweren, von Donald Trump heraufbeschworenen Zollturbulenzen, die sich zum Orkan auswachsen könnten.
Gleichzeitig geht es aber auch darum, die anderen Großbaustellen mitzudenken und konsequent anzugehen: die Dekarbonisierung der Wirtschaft voranzutreiben, den demografischen Wandel zu gestalten und die Digitalisierung in allen Bereichen zu meistern. Und nebenbei die Demokratie vor den Bedrohungen von innen und außen zu retten. Letzteres ist vielleicht die schwierigste Aufgabe der künftigen PfliKo.
Es fehlt die Gegenfinanzierung

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Daran muss man den Koalitionsvertrag messen: Wird dieser den Herausforderungen gerecht? Die Antwort ist so ambivalent wie das Gefühl zu Schwarz-Rot. Für die Wirtschaft gibt es zunächst viele blumige Ankündigungen, das Versprechen auf bessere Abschreibungsmöglichkeiten und sinkende Energiepreise. Die von der Union versprochenen Steuererleichterungen in großem Stil kommen erst mal nicht. Da fehlt wohl auch schlicht die Gegenfinanzierung, zumal die SPD sich mit dem Versprechen, große Erbschaften und Vermögen stärker in die Pflicht zu nehmen, ebenfalls nicht durchsetzen konnte.
Ein neues Digitalministerium soll die Digitalisierung voranbringen; hoffentlich klappt das besser als zuletzt in der Ampel beim Wohnungsbau. Auch das Bekenntnis zum Klimaschutz ist vor allem eine Worthülse, die erst mit Leben gefüllt werden muss. Wie die Sozialsysteme zukunftsfest gemacht werden, lässt der Koalitionsvertrag offen. Sicher ist nur, dass der Druck auf die, die nichts haben, wächst.
Am 9. April 2025 hat Schwarz-Rot die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Den Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU für die 21. Legislaturperiode finden Sie
Nun muss vor allem die Union damit aufhören, Jacqueline und Latif die Schuld dafür zuzuschieben, dass die Dinge schlecht laufen. Verantwortlich sind künftig Friedrich Merz und seine Koalition. Sie müssen liefern.
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