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Der Koalitionsvertrag ist fertigMuss halt

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die neue große Koalition ist eine reine Pflichtkoalition. Vieles, was SPD und Union nun ankündigen, liest sich halbgar und vage.

Lächelnd in die Vernunftehe: Lars Klingbeil (SPD) und Friedrich Merz (CDU) nach der Pressekonferenz zum Koalitionsvertrag Foto: Annegret Hilse/reuters

D ie Koalition zwischen Union und SPD steht also. Es ist die fünfte in der Geschichte der Bundesrepublik, und das vorherrschende Gefühl ist nicht Euphorie oder Aufbruch, sondern ein lauwarmes „Muss halt“. Selten ist eine Koalition in so schwierigen Zeiten mit so wenig Vertrauensvorschuss gestartet. Das fängt schon beim Namen an. Als GroKo kann man das Gebilde aus U-30-Union und 16-Prozent-SPD nicht mehr bezeichnen. PfliKo, also Pflichtkoalition, wäre angemessen, denn es gab schlicht keine alternative Konstellation, die Stabilität verspricht und die rechtsradikale AfD nicht in der Führerloge platziert.

Dennoch oder gerade deshalb muss man der Koalition wünschen, dass sie die nächsten vier Jahre erfolgreich regiert und die großen Herausforderungen anpackt. Die akuteste ist derzeit, Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland zu stützen, angesichts der schweren, von Donald Trump heraufbeschworenen Zollturbulenzen, die sich zum Orkan auswachsen könnten.

Gleichzeitig geht es aber auch darum, die anderen Großbaustellen mitzudenken und konsequent anzugehen: die Dekarbonisierung der Wirtschaft voranzutreiben, den demografischen Wandel zu gestalten und die Digitalisierung in allen Bereichen zu meistern. Und nebenbei die Demokratie vor den Bedrohungen von innen und außen zu retten. Letzteres ist vielleicht die schwierigste Aufgabe der künftigen PfliKo.

Es fehlt die Gegenfinanzierung

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Daran muss man den Koalitionsvertrag messen: Wird dieser den Herausforderungen gerecht? Die Antwort ist so ambivalent wie das Gefühl zu Schwarz-Rot. Für die Wirtschaft gibt es zunächst viele blumige Ankündigungen, das Versprechen auf bessere Abschreibungsmöglichkeiten und sinkende Energiepreise. Die von der Union versprochenen Steuererleichterungen in großem Stil kommen erst mal nicht. Da fehlt wohl auch schlicht die Gegenfinanzierung, zumal die SPD sich mit dem Versprechen, große Erbschaften und Vermögen stärker in die Pflicht zu nehmen, ebenfalls nicht durchsetzen konnte.

Ein neues Digitalministerium soll die Digitalisierung voranbringen; hoffentlich klappt das besser als zuletzt in der Ampel beim Wohnungsbau. Auch das Bekenntnis zum Klimaschutz ist vor allem eine Worthülse, die erst mit Leben gefüllt werden muss. Wie die Sozialsysteme zukunftsfest gemacht werden, lässt der Koalitionsvertrag offen. Sicher ist nur, dass der Druck auf die, die nichts haben, wächst.

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Am 9. April 2025 hat Schwarz-Rot die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Den Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU für die 21. Legislaturperiode finden Sie

Nun muss vor allem die Union damit aufhören, Jacqueline und Latif die Schuld dafür zuzuschieben, dass die Dinge schlecht laufen. Verantwortlich sind künftig Friedrich Merz und seine Koalition. Sie müssen liefern.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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11 Kommentare

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  • Eines ist schonmal klar, Koalitionsverträge sind keine rechtsverbindlich Verträge, sondern nur politische Absichtserklärungen.

    Dessen sollten wir Bürger und Wähler uns schon Bewusst sein.

  • Eine Pflichtkoalition, der man Glück wünschen muss?

    Es lebe unsere freiheitliche Demokratie, wo freie BürgerInnen der Pflicht zustimmen müssen, regiert zu werden durch eine Koalitionsregierung, denen das Regieren Pflicht ist. Damit ist schon einmal das Grundsatzprogramm jeder Staatsmacht, vom König bis zum Wahlkanzler, den Untertanen hinreichend erklärt.

  • Sehr geschickt von CDU/CSU/SPD, damit helfen sie bei den nächsten Bundes/Landtagswahlen der AfD zu absoluten Mehrheit.

  • Demokratische Koalition



    Das ist zur Zeit ja nicht selbstverständlich.



    Nicht nur in den USA , Russland, China , der Türkei und Israel, nein, auch in Europa setzen sich immer mehr Regierungen mit Rechtsextremen zusammen und wollen alte Verpflichtungen zur internationalen Zusammenarbeit aufkündigen.



    Es ist Arbeitszeit.



    Wir müssen für den Erhalt der Demokratie kämpfen.



    Mit dem Erhalt des Soli werden Besserverdienende weiterhin einkommensgerecht verpflichtet ihren Teil beizutragen. Die Form der Wirtschaftsförderung durch höhere Abschreibungen folgt dem rot grünen Plan.



    Die Festschreibung auf 48 % der Rentenbezüge ist ebenfalls ein SPD Versprechen, so wie die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 € im kommenden Jahr.



    Die Vernunft hat sich durchgesetzt.



    Ich hätte auch der CDU überlassen sich im Außenministerium mit trump einzuschlagen und im Innenministerium die fraglichen Migrationspläne der CDU durchzusetzen.



    Es ist gut, wenn Pistorius seine Arbeit fortführt und das Aufwachsen der Bundeswehr nach schwedischem Modell beginnt. Es gilt Europa und unsere Demokratie zu schützen, das ist jetzt das Wichtigste.

  • Ist der Hinweis auf Jaqueline und Latif ein Insider-Spruch, den man kennen sollte?



    Ich lese öfter Artikel von Ihnen, Frau Lehmann, aber verstehe nicht, was Sie damit ausdrücken wollen.

    • @Dirk Osygus:

      = Unterschicht und Migrationshintergrundige

  • Der FDP könnt ihr dieses mal nicht die Schuld geben, wenn es kracht. Und es wird krachen. O.K. dann wäre da noch ein Söder, ein Merz, eine Esken,...

  • Natürlich ist es eine Pflichtkoalition bei all den Punkten die in den letzten Jahren vernachlässigt wurden.

    • @Rudolf Fissner:

      Natürlich, die letzte Regierung war immer die schlechteste und jetzt wird alles besser

      • @TV:

        Mir würde es schon reichen wenn es nicht schlechter wird.

      • @TV:

        Die letzte Regierung ist bereits vieles angegangen .