Denkmalschützer über Energiewende: „Wir wollen Solaranlagen auf Denkmälern möglich machen“
Ein Gericht hat den Aufbau einer Solaranlage auf einem Goslaer Denkmal untersagt. Das sei nur eine Ausnahme, sagt Hamburgs Denkmalschützer Nils Meyer.

taz: Herr Meyer, Solaranlagen und Denkmalschutz – schließt sich das in der Realität gegenseitig aus?
Nils Meyer: Nein, das sehen wir als Denkmalschutzamt in Hamburg gar nicht. Es ist Konsens, dass wir klimaneutral werden müssen und es auch wollen. Darauf hat sich der Denkmalschutz in Hamburg und auch bundesweit in den anderen Bundesländern eingestellt, hat Regeln erarbeitet, wie eine Solaranlage auf einem denkmalgeschützten Gebäude zu vereinbaren ist.
taz: Man sieht sie nur auf denkmalgeschützten Gebäuden bislang selten – oder hört davon, wie etwa aktuell in Goslar, dass solche Vorhaben gerichtlich untersagt werden.
Meyer: Im besten Fall soll man sie ja auch nicht sehen. In Goslar handelt es sich zudem um einen sehr speziellen Fall in der Altstadt mit ihrem Welterbe-Status. Es gibt hier eine Selbstverpflichtung, die Altstadt gemäß der Unesco-Richtlinien zu schützen – da müssen bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden. Es scheint aber wirklich einer dieser Sonderfälle zu sein.
taz: Aber wir sind ja nun schon mitten in der Klimakrise und um von fossiler Energie wegzukommen, brauchen wir doch eigentlich jedes verfügbare Dach. Steht der Denkmalschutz da nicht auf der falschen Seite der Geschichte?
Meyer: Das sehe ich nicht, die deutschen Denkmalämter haben da wirklich eine Entwicklung hinter sich. Ich würde sagen: Wir haben einen vorsichtig-pragmatischen Blick und überlegen: Wenn es mit der Solaranlage auf dem gewünschten Dach nicht geht, wie könnte es denn anders gehen? Gibt es vielleicht eine alternative Fläche auf der Rückseite, die nicht öffentlich einsehbar ist? Gibt es ein angrenzendes Gebäudeteil, das nicht unter Denkmalschutz steht und über eine ebenso passende Dachfläche verfügt? Lässt sich eine gemeinsame Lösung mit dem dem Denkmal umgrenzenden Quartier finden? Könnte, wenn wie in Goslar ein ganzes Gebäudeensemble nicht in Frage kommt, ein Solarfeld eine Kompensation darstellen?
taz: Also ist der Anspruch, einfach ein bisschen kreativer nachdenken?
Meyer: Absolut. Wir haben hier zum Beispiel in dem Hamburger Unesco-Welterbe Speicherstadt ein Forschungsprojekt zum CO2-neutralen Betrieb mitbegleitet, wie wir unter strengen Auflagen eine energetische Sanierung von Bestandsimmobilien möglich und auch attraktiv machen können. Da wird ganz viel ausprobiert.
taz: Das Hamburger Denkmalschutzamt hat vor zwei Jahren einen Praxisratgeber für die Installation von Solaranlagen herausgegeben, unterscheidet da zwischen „Regelfall“ und „komplexem Fall“. Was ist denn ein typischer Regelfall und entspricht der tatsächlich der großen Mehrheit der Fälle?
Meyer: Wir decken mit unserem Regelfall viele Standardsituationen ab und dann geht das in den allermeisten Fällen bei Genehmigungen durch. Darunter fallen für die Installation günstige Haustypen mit Flachdächern und einer Attika, mit der Solaranlagen ganz gut kaschiert werden können: Wohnsiedlungen aus den 1920er Jahren, Schulgebäude aus derselben Zeit oder Reihenhausvillen aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Solche Regelfälle sind einfach zu genehmigen und unsere Erfahrung aus den vergangenen zwei Jahren, seitdem wir diesen Ratgeber haben, zeigt: Das läuft geräuschlos.
Zusammen mit der Oberharzer Wasserwirtschaft und dem Bergwerk Rammelsberg bildet die Altstadt von Goslar ein „historisches Bergbaunetzwerk“, womit es seit 1992 als Unesco-Weltkulturerbe gilt. In der Altstadt von Goslar befinden sich mehr als 1.500 Fachwerkhäuser.
Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat vergangene Woche die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der auch denkmalgeschützten Altstadt Goslars errichten wollten.
Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal – die Goslaer Altstadt als Gruppendenkmal – beeinträchtigt sei und außerdem ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiegt nach Ansicht des Gerichts der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Im Grundsatz habe die Nutzung erneuerbarer Energien aber weitgehend Vorrang vor dem Denkmalschutz.
taz: Und bei einem komplexen Fall wiederum ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ich als Eigentümer eine Solaranlage aufs Dach bauen darf?
Meyer: Das würde ich nicht sagen. Unser erklärtes Ziel ist es, viel möglich zu machen oder in Alternativen zu denken. Damit will ich natürlich nicht ausschließen, dass es Gebäude gibt, die so ikonisch sind und deren Dächer von allen Seiten einsehbar sind, dass es einfach nicht geht. Unsere Aufgabe ist es, abzuwägen, wie sehr durch so eine Maßnahme in die Bausubstanz eingegriffen wird und wie stark sich das Bild dadurch ändert. Aber auch da hat sich durch die technische Entwicklung ja schon viel getan: Solaranlagen, die farblich anpassbar sind oder die so eingebaut werden können, ohne zu sehr in die originale Bausubstanz einzugreifen.
taz: Sie haben jüngst ihren Ratgeber erweitert – auch hinsichtlich der Frage, wie das mit dem Einbau von Wärmepumpen ist. Auch dort ist herauszulesen: In den meisten Fällen gibt es aus Sicht des Denkmalschutzes dagegen nichts einzuwenden.
Meyer: Im Prinzip behandeln wir die Wärmepumpe genauso wie die Solaranlage: Es gibt Regelfälle und komplexe Fälle. Grundsätzlich wollen wir es auch möglich machen – was im Übrigen auch mit unserem gesetzlichen Auftrag der Abwägung verbunden ist. Nur in manchen Fällen, wenn, überspitzt gesagt, beispielsweise eine Luft-Wärme-Pumpe vor dem denkmalgeschützten Rathaus aufgestellt werden soll, sehen wir das eher nicht. Da müsste man sich eine Alternative überlegen. Aber auf dem Dach des Thalia-Theaters haben wir zum Beispiel eine Wärmepumpe genehmigt.
taz: Rechnen Sie in der Praxis damit, dass das tatsächlich eine relevante Zahl von Eigentümer:innen vorhat? Nach gängiger Ansicht müssen doch Gebäude zunächst ordentlich gedämmt werden, ehe eine Wärmepumpe Sinn ergibt – was bei einer denkmalgeschützten Fassade ja wiederum nicht geht.
Meyer: Da müsste man einmal generell sagen: Wärmepumpen und Denkmäler schließen sich nicht aus, nur weil die Fassade nicht gedämmt werden kann. Es gibt ja noch viele weitere energetische Maßnahmen, einen ganzen Baukasten, etwa die Keller- oder Dachdämmung oder der Einbau neuer Fenster, mit denen energetische Verbesserungen hergestellt werden können und der Einbau einer Wärmepumpe möglich wird.
taz: Angenommen, ich will ökologisch mit meinem denkmalgeschützten Haus umgehen, darf nur leider keine Solaranlage installieren und kann die Fassade nicht dämmen – kann ich wenigstens das Dach begrünen?
Meyer: Auch da ist unser erklärtes Ziel für Denkmäler, es grundsätzlich möglich zu machen. Da kommt es dann eher darauf an, ob so ein Dach das Gewicht trägt. Gerade in Städten, die sich im Sommer entsprechend aufheizen, wird das aber ein immer relevanteres Thema, wie wir durch Dachbegrünung kühlende Feuchtigkeit halten und damit Resilienz erzeugen.
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