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Demos gegen RechtsWehrt euch!

Hunderttausende demonstrieren gegen die AfD. Höchste Zeit, findet un­se­r*e Autor*in. Viel zu lange haben die Menschen weggeschaut.

Demonstration unter dem Motto „Zeichen gegen Rechts“ in Mainz am 18. Januar Foto: Helmut Fricke/dpa

E s ist eiskalt und glatt. Auf der Lu’ in Mainz stehen 10.000 Menschen und halten Schilder hoch, auf denen „5 vor 1933“ oder „Braune Flaschen gehören in den Altglascontainer“ steht. Lange mobilisiert wurde für die Demo Ende Januar nicht. Ein unpolitischer Freundeskreis aus der Neustadt hat den Protest fünf Tage zuvor organisiert. Hinter den Mützen und Schals sieht man Großeltern, Jugendliche und Kinder.

Wie in Mainz sieht es aktuell in Dutzenden deutschen Städten aus. In diesen Tagen demonstrieren überall im Land Zehntausende und zeigen, dass die AfD nicht die Mehrheit der Gesellschaft ausmacht. Sie wollen, dass man ihnen zuhört, sie ernst nimmt, vor allem ihre Sorgen ernst nimmt.

Mir gibt das zum ersten Mal Hoffnung. Eine Hoffnung, die ich verloren geglaubt hatte. Ich habe in den letzten Jahren oft mit meiner Oma gesprochen. Sie ist 95 und hat eigentlich nie Angst gehabt. Aber ein Gespräch hat mich nicht losgelassen: „Auf euch kommen schlimme Zeiten zu, wenn ihr nichts tut“, hat sie gesagt.

Meine Oma ist nicht besonders politisch, sie wählt die FDP und sagt so etwas nicht leichtfertig. Dieser Satz hat mir Angst gemacht. Weil diese Worte nicht in einer großen Zeitung standen, sondern sie von meiner Oma direkt an an mich gerichtet waren. Sie hat mich und meine Generation gebeten, zu verhindern, was die AfD aus diesem Land machen möchte. Diese Worte kommen von einer Frau, die sonst nie um etwas in ihrem Leben gebeten hat.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

In meinen Freun­d*in­nen­kreis sind über die Jahre zwei Gruppen entstanden: Die einen haben aus Angst und Verzweiflung oft nichts gesagt. Der Aufstieg der AfD bedeutet eine größere Bedrohung für queere Menschen und andere marginalisierte Gruppen. Also haben sie geschwiegen, sich auf die anderen verlassen. Aber die anderen waren unbeteiligt. Ja, die AfD ist schlimm, gefährlich aber sie werden schon keine Macht über die Exekutive bekommen, dachten viele. Beides war Verdrängung.

Aufstand der Unpolitischen

Und dann kam die Correctiv-Recherche, die offenlegte, wie AfD-Politiker:innen fantasieren Deutsche mit Migrationshintergrund zu vertreiben. Und plötzlich gehen Menschen auf die Straße, die das eine Woche zuvor wahrscheinlich nicht einmal in Erwägung gezogen hätten.

In Mainz habe ich mit vielen Menschen gesprochen. Auf der Ludwigsstraße stand nicht das übliche Demovolk aus aktivistischen Kreisen, da liefen Menschen mit, die sich selbst wahrscheinlich nicht mal als politisch bezeichnen würden.

Es ist der Aufstand dieser Menschen, der dem jüngsten Protest gegen die AfD seine Stärke und Glaubwürdigkeit verleiht. Es ist der vereinte Protest von CDU über Freie Wähler, SPD, Grüne und Linke, der deutlich macht, was eine demokratische Zivilgesellschaft ausmacht. Das weckte eine Hoffnung in mir, an deren Ende der Zerfall der AfD steht.

Die Demonstrationen gegen die AfD werden zwar auf kurze Sicht keine Insa-Umfragen umkehren – aber sie zeigen, die Mehrheit sagt: Nein. Wir lassen euch das nicht durchgehen. Die Zeit des Verharmlosens ist vorbei.

Ich wünsche mir, dass die nächsten Demonstrationen in den kommenden Wochen doppelt so groß werden wie die vergangenen. Und wenn ich mich unter meinen eher unpolitischen Freun­d*in­nen umhöre, dann habe ich ein gutes Gefühl. Wir sind eine wehrhafte Demokratie. Wehren wir uns!

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4 Kommentare

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  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Demonstrationen gegen die AfD mögen keine INSA-Umfrage umkehren, aber vielleicht kann es eine etwas dezentere Berichterstattung über die Partei.

    Wenn man zu diesem Zeitpunkt (02.02.2024 13:20) auf der taz-Startseite nach den Namen der im Bundestag vertretenen Parteien sucht, erhält man folgende Trefferzahlen:

    SPD: 1



    Grüne: 0



    CDU: 1



    FDP: 1



    Linke: 1



    AfD: 13

    Menschen neigen dazu, sich eher mit dem zu beschäftigten und sich dem zuzuwenden, was ihnen vertraut vorkommt. Deswegen tendieren die meisten Menschen dazu, in Restaurants immer wieder die gleichen Gerichte zu bestellen oder Filme anzusehen, deren Schauspieler sich klar einordnen lassen.

    Gerade wenn man sich nicht aktiv mit der Parteienlandschaft auseinandersetzt, springt man bei einer Befragung in erster Linie auf Namen an, die sich im Gedächtnis gut verankert haben. Und es sind eben Begriffe, denen man häufig begegnet, welche sich gründlich in das Gedächtnis einprägen.

    Hinzu kommt, dass sich Begriffe umso leichter handhaben lassen, je einfacher sie erscheinen und je mehr sie mit Emotionen verbunden sind. Und im Zusammenhang der AfD ist die Berichterstattung häufig ähnlich unkomplex und emotionsgeladen, wie die Botschaften dieser Partei selbst.

    Wie Botschaften verstanden werden, hängt dabei nicht nur von diesen selbst ab, sondern auch davon, von wem sie kommen. So kann die Aussage "AfD ist böse" in den Ohren konservativ gesonnener Menschen zu "AfD ist gut", werden, wenn diese von eindeutig linken Kommentatoren getroffen wird.

    Den PR-Strategen der AfD dürfte dies sehr wohl bewusst sein, schließlich ist es die einzige Partei, die es wirklich versteht, Social-Media-Kanäle stimmgewinnend zu bespielen.

    Deswegen wäre es sinnvoll, wenn man denn schon über diese Partei schreibt, sich keiner simplen Phrasen zu bedienen, sondern eine Informationstiefe und einen Abstraktionsgrad anzustreben, welche dem Leser etwas Konzentration abverlangen. Dann nähme sicher auch die AfD-bezogene Artikelflut ab.

  • Guter Artikel, nur das hier finde ich komisch:



    "der vereinte Protest von CDU über Freie Wähler, SPD, Grüne und Linke"

    Das ist so, als wenn man sagen würde "die Allianz gegen Nazideutschland umfasste zahlreiche Staaten, von Rumänien über Italien, USA, Großbritannien, und die Sowjetunion."

    Und was speziell die FW angeht: der Amnesie-Hubsi warnt sogar ausdrücklich vor der Teilnahme an den "von Linksextremen unterwanderten" Protesten. (Zum Glück hält sich die Basis nicht immer dran.)

  • Gut auf den Punkt gebracht, bleibt zu hoffen, dass alle Demokraten auch weiterhin mit der Vielfalt auf den Demos leben können und nicht in kleinkarierte Parteilichkeit verfallen. Tendenzen dazu gibt es ja jetzt schon immer mal wieder.

  • Das wichtigste ist, dass die eher unpolitischen Menschen unbedingt zum Wählen gehen müssen bei jeder Wahl. Nur so können Parteien wie die AfD auf Dauer in ihre Nische zurückgedrängt werden.

    GEHT WÄHLEN!