Demonstrationen in ganz Deutschland: Die Bewegung ist zurück
Friedrich Merz' Ankündigung, mit der AfD zu stimmen, hat die Bewegung gegen rechts wiederbelebt. Nutzen SPD und Grüne diesmal den Impuls der Straße?
D ie Bewegung gegen rechts ist zurück. Mehr als hunderttausend Menschen haben an diesem Wochenende demonstriert, und beeindruckend sind dabei nicht nur die Versammlungen in Köln und Berlin, sondern in den vielen kleinen Orten der Republik: Auch in Hechingen, Hennef und Elmshorn gehen wieder Menschen für die offene Gesellschaft auf die Straße, das zeigt die Datenanalyse der taz.
Nach einer politisch düsteren Woche sind die Demonstrationen ein demokratisches Lebenszeichen, und sie sind eine Selbstvergewisserung der TeilnehmerInnen: Du bist nicht allein, die Demokraten sind immer noch in der Mehrheit. Viele dürften mit leichterem Herzen nach Hause gegangen sein, als sie gekommen waren.
Dass die Bewegung ein Jahr nach ihrem rasanten Beginn zurück ist, ist einem Mann zu verdanken, der selbst wohl nicht mehr auf die Idee käme, eine solche Demonstration zu besuchen: Friedrich Merz. Zwar gab es schon vorher erste Anzeichen, dass sich etwas regte, landauf, landab wurden Demos angemeldet. Aber erst der Tabubruch des CDU-Vorsitzenden, der ankündigt hatte, in der kommenden Woche auch mit Stimmen der AfD eine Verschärfung der Asylpolitik beschließen zu wollen, sorgte bei vielen für den nötigen Impuls: Es reicht!
Bei der größten Demo in Berlin arbeitete sich jeder Redner an Friedrich Merz ab, die Empörung der Vielen war nicht zu überhören. Vor einem Jahr krankte die Bewegung auch daran, dass Adressat und Ziel der Bewegung nicht klar waren. Überall wurde beschworen, dass niemand von den Demos ausgegrenzt werden dürfe, dass es wichtig sei, auch für Konservative offen zu sein. Diese dankten es der Bewegung mit einem Rechtsruck: Was Rechtsextreme vor einem Jahr noch heimlich besprachen, findet sich nun im Wahlkampf der Union. Geschlossene Grenzen, Ausbürgerung und anschließende Ausweisung.
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Endlich einen Adressaten
Nun hat die Bewegung einen Gegner und ein Ziel: den Pakt der Konservativen mit den Faschisten zu verhindern, und einen Kanzler Merz, dem in dieser Frage nicht zu trauen ist. Ob die Bewegung erfolgreich ist oder wieder eingeht, hängt nun maßgeblich von SPD und Grünen ab. Schaffen Sie es diesmal, den Impuls von der Straße aufzunehmen und die offene Gesellschaft auch im Wahlkampf zu verteidigen? Die Union greift das Grundrecht auf Asyl und mit ihrem Traum von geschlossenen Grenzen auch die europäische Idee an.
Die liberalen Parteien müssen sie verteidigen, dafür lassen sich immer noch Mehrheiten mobilisieren. Im letzten Jahr gingen auch deshalb immer weniger Menschen auf die Straße, weil Sozialdemokraten und Grüne auf den Demos zwar gern ihr Gesicht zeigten, aber dann doch fast jede Asylrechtsverschärfung mittrugen, die keines der Probleme lösten.
Friedrich Merz hat SPD und Grünen in diesem Wahlkampf die vielleicht letzte Chance gegeben: Nutzen sie sie?
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