Demonstration in Tel Aviv: Proteste gegen Netanjahu
Nach der Wahl in Israel wird gegen die „Erdoganisierung“ des Landes protestiert. Demonstranten befürchten eine Schwächung des Justizsystems.
Viele Demonstranten schwenkten israelische Fahnen und trugen Plakate mit Aufschriften, die Netanjahu mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verglichen. Erdogan wird von Kritikern vorgeworfen, das politische und das Rechtssystem zu seinen Gunsten zu manipulieren.
„Erdogan ist schon hier“, stand auf einem Plakat. „Wir werden nicht zulassen, dass Sie das demokratische Israel in den privaten Hofstaat einer Königsfamilie oder ein Sultanat verwandeln“, sagte Oppositionsführer Benny Gantz. Yair Lapid, der wie Gantz zur Mitte-Rechts-Liste Blau-Weiß gehört, sagte in Richtung Netanjahus: „Sie stehen nicht über dem Gesetz, wir werden nicht zulassen, dass Sie zum Diktator werden.“
„Wir sind hierher gekommen, um für unser Land zu kämpfen“, sagte Tamar Zandberg von der oppositionellen Meretz-Partei. Netanjahu werden den Obersten Gerichtshof des Landes zerstören, sagte sie, während aus der Menge gegen Netanjahu gerichtete „Bibi go home“-Rufe zu hören waren. Die Organisatoren sprachen von zehntausenden Demonstranten. Nach Angaben der Polizei lag die Teilnehmerzahl unter 10.000.
Schwierige Koalitionsbildung
Netanjahu hat noch bis Mittwochabend Zeit, um eine neue Regierungskoalition auf die Beine zu stellen. Ansonsten könnte Präsident Reuven Rivlin einen anderen Parlamentarier mit der Regierungsbildung beauftragen.
Zu Beginn einer Kabinettssitzung am Sonntagmorgen gab sich Netanjahu optimistisch. Mit gutem Willen lasse sich eine Lösung finden, sagte er. Möglich sei allerdings, dass jemand anderes lieber Neuwahlen wolle, deutete der Ministerpräsident an.
Der israelische Regierungschef strebt eine Koalition rechter und religiöser Parteien an. Obwohl bisher noch keine Vereinbarungen verkündet wurden, gibt es Spekulationen, wonach die Koalitionspartner von Netanjahus Likud-Partei Maßnahmen zustimmen sollen, die das Justizsystem schwächen würden.
Netanjahu drohen in einer möglichen neuen Amtszeit juristische Probleme: Der Generalstaatsanwalt hat angekündigt, Anklage wegen Bestechung, Betrugs und Veruntreuung gegen ihn erheben zu wollen. Vor der Anklageerhebung soll Netanjahu bei einer Befragung Gelegenheit erhalten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Diese wurde vor wenigen Tagen auf Anfang Oktober verschoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos