piwik no script img

Demo für linkes Projekt in BerlinAuf Konfrontation aus

2.500 Menschen demonstrieren für den Erhalt linker Projekte wie des „Syndikats“. Dabei kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Pyros fürs Syndikat: Protest am Rand der Demo am Samstagabend Foto: dpa

Berlin taz | Schon als sich die 2.500 linken De­mo­teil­neh­me­r*in­nen unter dem Motto „Raus aus der Defensive“ am Samstagabend am Herrfurthplatz im Neuköllner Schillerkiez versammeln, stehen die Zeichen auf Konfrontation. Ein kompakt formierter, vermummter schwarzer Block steht dutzenden Po­li­zis­t*in­nen gegenüber. Letztere wiederum haben, bevor die Demo überhaupt startet, Pfefferspray gezückt und Helme aufgesetzt.

Die Beamten filmen in den Block und fordern die Teilnehmenden auf, die Vermummung abzulegen. Die Aufforderung wirkt besonders skurril vor dem Hintergrund, dass wenige Stunden zuvor tausende Corona-Leugner*innen ungehindert ohne Mundschutz durch Mitte gelaufen sind.

Die Demo richtet sich vor allem gegen die Verdrängung zahlreicher linker Projekte, deren Räumung aktuell droht – allem voran die nahe des Demostartpunkts gelegene Kiezkneipe Syndikat, die kommenden Freitag geräumt werden soll, aber auch das queer-feministische Hausprojekt Liebig34 in Friedrichshain und das Jugendzentrum Potse in Schöneberg.

Ungewöhnlich pünktlich

Ungewöhnlich pünktlich für eine linke Demo start der Protest kurz nach 20 Uhr. Die Teilnehmenden laufen in hohem Tempo, immer wieder wird Pyrotechnik und Böller gezündet. Neben den üblichen Sprechchören wird „Kein Gott, kein Staat, für das Syndikat“ gerufen. Als der Zug an der Ecke Hermannstraße in die Flughafenstraße einbiegt, kommt es zu Stein- und Farbbeutelwürfen auf die Glasfassade eines Neubauprojekts, in dem hochpreisige Luxusappartments entstehen.

Die Polizei beschließt daraufhin die Demo zu stoppen: Sie stürmt mit massiven Pfefferspray- und Knüppeleinsatz in die Menge hinein. Einige De­mons­tran­t*in­nen antworten mit Stein- und Flaschenwürfen in Richtung der Beamt*innen.

Die Polizei versucht nun energisch, die Demo weiter auseinander zu treiben. Die Spitze war schon in der Flughafenstraße getrennt worden; der hintere Teil flieht in Richtung Columbiadamm. In den Seitenstraßen des anliegenden Schillerkiezes sammelt sich die Demo wieder. Immer wieder gibt es Versuche, Barrikaden zu bauen aus Bauschutt, E-Rollern und Leihfahrrädern. Die Polizei scheint stellenweise überfordert und fordert weitere Einsatzkräfte an.

In Kleingruppen versprengt

Als die Demo wieder auf die Hermannstraße gelangt, wird sie endgültig in Kleingruppen versprengt. Ähnlich einem Katz- und Mausspiel versucht die Polizei die Kleingruppen in den umliegenden Kiezen zu fassen. Es kommt zu Festnahmen, aber auch zu Sachbeschädigungen. Unter anderem wird die Scheibe des SPD-Partei-Büros in der Hermannstraße beschädigt. Kurz darauf beruhigt sich die Lage. Nicht einmal 90 Minuten nach Demobeginn kehrt wieder Normalität in die Hermannstraße ein.

Noch mehr Protest in Prenzlauer Berg

Ein Teil der De­mons­tran­t*in­nen zieht an diesem Abend weiter in den Prenzlauer Berg, wo sich nach Polizeiangaben 200 Menschen zu einer unangemeldeten Spontandemonstration am Kollwitzplatz versammeln. Auch hier kommt es wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, Steine und Flaschen werden geworfen, Pyrotechnik gezündet und Barrikaden versucht zu errichten. Am Ende des Tages bilanziert die Polizei mehrere Verletzte, wovon drei Be­am­t*in­nen im Krankenhaus behandelt werden mussten, und zwei beschädigte Einsatzfahrzeuge.

Im Vorfeld der Demo war die Stimmung innerhalb der linken Szene besonders angespannt gewesen. Grund waren nicht nur die anstehenden Räumungen, sondern ein Polizeieinsatz im Hausprojekt Rigaer 94. Im Zuge einer Durchsuchung Anfang des Monats war es zu einer rechtlich fragwürdigen Räumung zweier Wohnungen dort gekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
  • Die Aufforderung, die Vermummung abzulegen, muss besonders auf jene skurril wirken, die einen Unterschied zwischen Mund-Nasen-Bedeckung und Sturmhaube/Vermummung ignorieren. Heute ignoriert eben jeder, was er will, Corona, Gesetze, Logik...

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    In Berlin waren die Hauspreise für 20 Jahre nach der Wende besonders günstig.

    In der Zeit hätte man als linkes Projekt günstig Eigentum erwerben können und das Projekt langfristig aufstellen können!

    Ich kenne linke Projekte in Leipzig die mit viel Arbeit so etwas gemacht haben und jetzt zufrieden ihr linkes Wohnprojekt haben!

    Warum wurde das nicht gemacht?

    • @02854 (Profil gelöscht):

      in den Jahren 1889 bis 1933 gab es jede Menge Gelegenheiten Hitler ohne großartige Gegenwehr zu beseitigen - wieso wurde das nicht gemacht?

      Sach ma merkste noch was??? Das ist die beknackteste Argumentation zu Thema überhaupt

      • @Tongo:

        Der Vergleich hinkt gewaltig. Die Ermordung eines Menschen ist wohl eines der schwersten Verbrechen und nur in extremen Ausnahmesituationen vertretbar, wenn sonst Unschuldige sterben würden. Also im Falle Hitlers nicht vor Beginn des zweiten Weltkrieges. Dagegen munkelt es aus der Verschwörungsecke, man könne ein Haus als Eigentum ganz legal erwerben!

        • @Luftfahrer:

          Wie bitte? Ihr Geschichtswissen ist wahrlich recht rudimentär. Haben Sie vielleicht davon gehört, dass nach dem Reichstagsbrand Februar 1933 die KZs eingerichtet wurden (eins der ersten März 1933 als erstes in Preußen bei uns - lesen Sie den entsprechenden Wiki-Artikel KZ Oranienburg), in denen gleich alle möglichen Gegner der Faschisten: Kommunisten, Sozialdemokraten (ob Mandatsträger oder Funktionäre oder Bürger), Gewerkschafter, Anarchisten, Juden inhaftiert, gefoltert und ermordet wurden? Hörten Sie vielleicht von der Reichsprogromnacht am 9./10. Nov 1938 in der über 1000 Synagogen zerstört wurden und 400 Juden zu Tode kamen? Zwischen 7. und 13.11.38 800 jüdische Bürger? Und sie faseln von nicht vor Beginn des 2.WK. Eine wahrlich armselige Argumentation!!!!

          • @Rudi Rastlos:

            Korrektur dankend zur Kenntnis genommen. Ich hatte als Referenz den Beginn der "Euthanasie" im Kopf, der mit dem Beginn des 2. WK zusammenfiel. Ich korrigiere mich folglich: nicht vor 1933.

      • @Tongo:

        Nicht unbedingt, wir haben das in Chemnitz gemacht. Man muss sich natürlich auch mit den Stadtoberen arrangieren, so ist es nunmal. Heute nennen wir 4 Häuser mit jeweils 12-15 Wohnungen und ein schönes Hofgrundstück unser Eigentum. Alles abbezahlt.

        Ja, eine Menge Arbeit lässt sich nicht vermeiden. Aber dafür kommt auch keine Polizei zum Räumen. Im Gegenteil, wenn wiedermal Nazidemo ist, bekommen wir sogar 1-2 Sixpacks zum Schutz vor die Tür gestellt.



        (Vielleicht auch nur zum Schutz der öffentlichen Ordnung XD)

        Nennt mich angepassten Normalo, ist mir vollkommen recht.

        Wer aber selbstherrlich gegen alles und jeden ist eckt halt irgendwann richtig an.

      • @Tongo:

        Ich sehe bei ihm keine Argumente.



        Nur ein Vergleich und eine Frage.



        Schon mal von "Wer nicht fragt bleibt dumm" gehört?

  • "Linker Block" - wer braucht sowas?

    • 0G
      09968 (Profil gelöscht)
      @Sandra Becker:

      Und so etwas muss man in einer angeblich linken Tageszeitung lesen?



      Ich hab mir mal Ihre anderweitigen Kommentare angesehen und muss sagen, dass ich den Eindruck habe, dass hier ein rechtes U-Boot mitschwimmt.

      • @09968 (Profil gelöscht):

        Nicht alles, was rechts von der TAZ steht, ist "rechts" :-) Meine Kommentare sind allesamt den Tatsachen entsprechend - aber sie dürfen mich gern widerlegen.



        Und gerade die Linken plädieren doch für viel Toleranz - also sollten Sie auch andere Meinungen aushalten!

        • 0G
          09968 (Profil gelöscht)
          @Sandra Becker:

          Was hat eine miese Einstellung mit angeblich objektiven Tatsachen zu tun?



          Leute, die es ok finden, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, sind nicht tolerierbar sondern zum fürchten.

    • @Sandra Becker:

      Anscheinend eine Stadt die, obwohl sie von RRG regiert wird in einem unsäglichen Tempo gentrifiziert wird.

  • Was jetzt nun: Masken oder nicht? Ich dachte derzeit gilt Vermummungsgebot?

    Ich will ihn ja lieben, den Freund-und-Helfer. Aber verstehen kann ich ihn nicht. Tsk, tsk.

  • Eine der zentralen Aufgabe der Polizei ist es, Straftaten zu verhindern. So sich die Demonstranten der Sachbeschädigung schuldig machen, also während der Demonstration Straftaten begehen, ist das einzig Vernünftige die Auflösung dieser. Interessant ist auch, dass das Abstandsgebot nicht zu gelten scheint, wenn es um die "gute" Sache geht, wobei "gut" sehr im Auge des Betrachters liegt.

    • @Luftfahrer:

      Naja, die Demonstranten hatten ja immerhin Masken an, für den Fall, dass Abstände nicht eingehalten werden können :)

    • 9G
      90564 (Profil gelöscht)
      @Luftfahrer:

      stimmt einfach nicht, laut gültiger rechtssprechung ist die verhältnismässigkeit zu beachten und im gegensatz zu den mit samthandschuehen angefassten corona-leugner!nnen, haben sich die demonstrant!nnen vorbildlich an das masken-gebot gehalten.

      ps versuchen sie mal innerhalb eines polizeikessels abstand zu halten, aus naheliegenden gründen ein ding der unmöglichkeit

      • @90564 (Profil gelöscht):

        Das Recht auf Unversehrtheit von Eigentum überwiegt offensichtlich die Würde des Menschen und das daraus hergeleitete Recht auf körperliche Unversehrtheit.

  • 9G
    90564 (Profil gelöscht)

    >Die Polizei beschließt daraufhin die Demo zu stoppen: Sie stürmt mit massiven Pfefferspray- und Knüppeleinsatz in die Menge hinein

    also ENTWEDER stoppt man eine demo ODER man stürmt in eine demo, die polizei hat sich, nachdem die rechts-offene corona-demo NICHT durch die polizei aufgelöst wurde, zur auflösung der linken demo entschlossen.



    aber ein dank an die demonstrant!nnen, welche sich an diesem abend nicht einfach wieder in lethargie oder panik geflüchtet haben, es könnte ein heisser herbst werden, angesichts der geplanten räumungen

    • @90564 (Profil gelöscht):

      Nö die Demo wurde beendet als die Demonstranten



      "immer wieder wird Pyrotechnik und Böller gezündet. [...], kommt es zu Stein- und Farbbeutelwürfen auf die Glasfassade eines Neubauprojekts"