Dekoloniale Afrika-Konferenz beginnt: Afrikaner in der Wilhelmstraße
136 Jahre nach der Berliner Afrika-Konferenz kommt die Dekoloniale Afrika-Konferenz: 19 nicht weiße Frauen sprechen über Kolonialismus heute.
Zum Jahrestag an diesem Sonntag lädt das Projekt „Dekoloniale – Erinnerungskultur in der Stadt“ zur „Dekolonialen Berliner Afrika-Konferenz“: 19 nicht weiße Frauen aus Europa, Afrika und den beiden Amerikas setzen sich – quasi am historischen Ort in der Wilhelmstraße 92, dem Projektraum der „Dekoloniale“ – an einen Tisch und sprechen darüber, wie der Kolonialismus sie heute noch beeinflusst.
Am 15. November startet um 14 Uhr die Dekoloniale Berliner Afrika-Konferenz und ein interaktiver Stadtspaziergang auf www. dekoloniale.de.
Für vielfältige Antworten dürfte schon der Hintergrund der Frauen sorgen: Unter den Konferenzteilnehmerinnen seien Politikerinnen, Literaturwissenschaftlerinnen, Schauspielerinnen, Historikerinnen, Psychotherapeutinnen und Menschenrechtsanwältinnen, erklärt Anna Yeboah, Gesamtkoordinatorin des Dekoloniale-Projekts. „Manche beantworten die Frage ganz persönlich, andere fast objektiv.“ Namen will Yeboah vorab keine nennen, es seien aber bekannte Persönlichkeiten dabei, betont sie.
Wegen Corona werden die 19 Frauen natürlich nicht wirklich in der Wilhelmstraße zusammentreffen. Sie werden per Video zugeschaltet, im Projektraum selbst wird am Sonntag das Team der Dekoloniale das Gesamtprojekt erklären; moderiert wird die Konferenz von dem bekannten Moderator Tarik Tesfu.
Aktuelle Debatten
Anfang diesen Jahres war „Dekoloniale – Erinnerungskultur“ als fünfjähriges Kulturprojekt gestartet. Hintergrund ist der Auftrag des Abgeordnetenhauses an den Senat, ein gesamtstädtisches Aufarbeitungs- und Erinnerungskonzept zur Kolonialgeschichte zu erarbeiten.
Dieses Konzept müsse bis zur Wahl im Herbst 2021 vorliegen, forderte am Mittwoch erneut der Sprecher der Grünen-Fraktion für Antidiskriminierung, Sebastian Walter, aus Anlass des Jahrestags des Ende des Ersten Weltkrieges, der zugleich das Ende des deutschen Kolonialismus bedeutete. „Aktuelle Debatten um strukturellen Rassismus, rund um die M*Straße oder das Humboldt Forum verdeutlichen, wie sehr der Kolonialismus bis heute nachwirkt.“
Das Großprojekt „Dekoloniale – Erinnerungskultur“ hat drei Teilbereiche: Der erste namens „Dekoloniale In[ter]ventionen“ startet am Sonntag mit der Konferenz der 19 Frauen. Sie wird der Auftakt für eine ganze Reihe von Festivals, Thinktanks und künstlerischen Interventionen bis Ende 2024, mit denen „postkoloniale Erinnerungskultur in den öffentlichen Raum“ geholt werden sollen. Was in diesem Feld noch passieren wird in den kommenden Jahren, wird die Kuratorin der Konferenz, Nadja Ofuatey-Alazard, erklären.
Im zweiten Teilprojekt „Dekoloniale [Re]präsentationen“ wird Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland mit Berliner Bezirksmuseen Ausstellungen zu Kolonialismusthemen konzipieren – mit dem Berliner Stadtmuseum und dessen Direktor Paul Spieß, der am Sonntag ebenfalls zur Konferenz kommt.
Das dritte Teilprojekt „Koloniale Geschichte(n)“ soll schrittweise eine interaktive Weltkarte erstellen, die Akteure und Lebensgeschichten, vor allem von Kolonisierten, vorstellt, Institutionen und Organisationen mit kolonialer Funktion (etwa Behörden, Unternehmen, Museen), antikoloniale und antirassistischen Initiativen sowie Erinnerungsorte wie Denkmäler, Gedenktafeln und Straßennamen. Diesen Bereich verantwortet der Historiker Christian Kopp vom Verein Berlin postkolonial.
Die Karte wird diesen Sonntag erstmals online gehen mit Stationen für einen Stadtspaziergang – live oder digital – durch Mitte. Garniert wird der Spaziergang mit historischen Videovorträgen, etwa zur Kolonialgeschichte der Deutschen Bank, und Kurzfilmen. Letztere werden bereitgestellt von Interfilm, dem Berliner Kurzfilm-Festival, das ebenfalls am Sonntag (online) beginnt. Die Filme sollen laut Yeboah für „einige Wochen“ auf der Webseite des Projekts zu sehen sein.
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