piwik no script img

Debatte vielfältige ErinnerungskulturNicht mehr nur die „Anderen“

Derzeit wird Antisemitismus in Deutschland oft den „nicht Herkunftsdeutschen“ zugeordnet. Das zeigt, wie hierzulande Erinnerung verhandelt wird.

Auch ein „dekoloniales Vertreibungsgedächtnis“: Protest gegen die Besatzung Jerusalems beim „Al-Quds-Tag“ in Berlin. Bild: reuters

D ieser Tage ist viel von Israelkritik die Rede, vor allem davon, dass ihre Grenzen nicht überschritten werden dürfen. Aber wer definiert diese Grenzen? Die Menschenrechtsverletzungen in Gaza durch Israel zu kritisieren, ist für die Bild-Zeitung bereits antisemitisch. Sie weiß, was die „nicht Herkunftsdeutschen“ in Deutschland tun müssen: Sie dürfen keinen Antisemitismus importieren.

Das findet auch der Innenminister, der Kritik an Israel zwar erlauben mag, nicht aber importierten Antisemitismus. Auf einmal erscheint Antisemitismus in Deutschland vorrangig als eine Denkhaltung von „nicht Herkunftsdeutschen“.

Als im Mai 2013 der sechste Integrationsgipfel der Bundesregierung zu Ende ging, brach die Kanzlerin ein Tabu. Sie stellte das Leitmotiv der „Integration“ zur Debatte und schlug vor, nach Begriffen zu suchen, die mehr auf Teilhabe und Partizipation verweisen. Denn, so zitierte Die Welt Angela Merkel: „Für viele Zuwanderer stelle sich die Frage, wann ist man endlich integriert?“ Sie könne sich durchaus vorstellen, dass sich manche Migranten fragten: „Was soll ich jetzt noch machen? Ich habe Deutsch gelernt, ich habe einen deutschen Pass (…), was muss ich tun, damit ich als integriert wahrgenommen werde?“

Wir haben es mit einem neuen Phänomen zu tun: dem Unbehagen an der entstehenden Erinnerungskultur einer postmigrantischen Gesellschaft. Es ist ein Unbehagen der überforderten Aufsteigerfraktionen innerhalb der Mittelschicht, die ihren privilegierten Status in Gefahr sieht. Die Migranten sind nicht mehr einfach die „Anderen“, die man von oben herab kontrollieren kann, sondern sie gehören dazu, reden mit und ihre Erinnerungen werden Teil der kollektiven Erinnerung. Ihren Ärger und ihre Verunsicherung darüber agiert die deutsch-weiße Mittelschicht auf Schulhöfen, in der U-Bahn und in den Medien mit antimuslimischer Rhetorik aus. Es ist ein Versuch, den sozialen Wandel in Deutschland autoritär zu bewältigen.

Von der Realität ausgehen

Auch wenn es schwierig ist, Postmigration im soziologischen Sinne zu definieren, so treten überall im Alltag postmigrantische Situationen auf, welche die lebensweltliche Seite dieser Verhältnisse zeigen: Meine Nichte etwa, Deutsch-Griechin der dritten Generation, ist persönlich nie rassistisch diskriminiert worden, hat aber Diskriminierungserfahrungen ihrer Eltern und sogar ihrer Großeltern erlebt und verarbeite sie dementsprechend als ein Teil ihrer postmigrantischen Identität in Deutschland. Ähnliches gilt für auch für „Herkunftsdeutsche“ in binationalen Beziehungen, die die Diskriminierungserfahrungen ihrer Partner oder Kinder in ihrer eigenen Biografie verarbeiten müssen.

Für viele arabischstämmige Jugendliche in Deutschland ist die Lage in den von Israel besetzten Gebieten direkt mit Vertreibungserfahrungen ihrer Familien verbunden. Eine angemessene Erinnerungskultur muss also auch von dieser Realität ausgehen. Es muss eine transnationale Erinnerungskultur sein.

Der Erinnerungsforscher Michael Rothberg in seinem Buch „Multidirectional Memory. Remebering the Holocaust in the Age of Decolonization“ (2009) für die Verknüpfung der Erinnerung an die Schoah mit der Erinnerung an den Kolonialismus plädiert. Auf diese Weise könne eine weitere Schicht des europäischen Gedächtnisses freigelegt werden, der die antikoloniale Revolte mit den Wunden migrantischer Gruppen verbunden sieht. Die zentrale Herausforderung besteht darin, durch verknüpfte Erinnerungen die Opferkonkurrenz zu verhindern: also weder die Erinnerung an die Schoah zu relativieren noch die historischen Wunden anderer Opfergruppen zu trivialisieren.

Fortexistenz des Kolonialismus

Es gibt Züge von Antisemitismus bei vielen migrantischen Gemeinden in Deutschland. Auch die Al-Quds-Demonstrationen waren nicht frei davon. Aber: Der muslimische Protest gegen die Besatzung Jerusalems ist auch Teil eines dekolonialen Vertreibungsgedächtnisses, welches in Deutschland bislang keinen Platz haben darf. Gerade für die arabisch-muslimische Diaspora bedeuten die Ghettoisierung Gazas und die israelische Aberkennung des Rückkehrrechts für die Vertriebenen aus Palästina eine Fortexistenz des Kolonialismus.

Viele Migrantinnen und Migranten aus muslimischen Ländern sehen sich inzwischen (unabhängig vom Grad ihrer praktizierten Religiosität) nicht mehr als Türkinnen oder Libanesen, sondern als Muslime. Sie tun dies, weil sie im öffentlichen Diskurs als solche adressiert werden.

Da Muslime und Islam mit negativen Stereotypen verbunden werden, führt diese Fremdzuschreibung dazu, dass sich die so Adressierten gezwungen fühlen, sich innerhalb der semantischen Ordnung der Vorurteile zu erklären. Auf diese Weise wollen sie dem antimuslimischen Rassismus etwas Positives entgegenzusetzen. Hannah Arendt brachte es auf die berühmte Formel: „dass man sich immer nur als das wehren kann, als was man angegriffen ist“. Die Solidarisierung mit der Gaza-Bevölkerung verknüpft die Marginalisierungserinnerung der muslimischen Welt mit der Marginalisierungsrealität der muslimischen Diaspora hierzulande.

Neue Deutsche nicht ausschließen

Im Selektionssystem Schule werden migrantische Jugendliche häufig mehrfach diskriminiert; diese Erfahrung hat Einfluss auf ihre bzw. die kollektive Erinnerung. Generationen von migrantischen Jugendlichen werden im Geschichtsunterricht auf eine europäische Weise über den Holocaust belehrt. Die Geschichte ihrer Familien kommt nicht vor. So erleben sie die Holocausterziehung als pädagogischen Rassismus der Geschichtslehrer_innen, die ihnen verbieten, nicht Deutsch zu reden, oder sie vom Hijap (Kopftuch) „befreien“ wollen. In diesem Kontext bietet die provokative Israelkritik ein Integrationsangebot an.

Die postmigrantische Gesellschaft zeichnet sich durch Diversität aus; die Partizipationsrealitäten werden neu verhandelt. Das betrifft auch gemeinsames Erinnern, das die neuen Deutschen nicht ausschließt. Sie stellt neue Spannungsräume dar, in denen das Potenzial verknüpfter Erinnerungen gesamtgesellschaftlich wirkt und auf neue Gerechtigkeitsordnungen zielt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

45 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Danke Herr Tsianos,

     

    ein sehr fundierter, interessanter Artikel! Es ist höchste Zeit, dass auch die Biografien der Migranten endlich berücksichtigt werden. Und nicht immer nur die westlichen Massstäben gesetzt werden.

  • @comandanta ramona: Doch, Deutschland hat Kolonien besessen und in "Deutsch-Südwest" (Namibia) netsprechend gewütet. Nein, das darf man NICHT mit dem Holocaust verknüpfen. Dieser war singulär und ist strukturell vollkommen anders verlaufen, als Kolonialismus/Imperialismus. Außerdem wurden weder die Türkei noch Griechenland von Deutschland (oder anderen) kolonialisiert. Italien wollte einen "Platz an der Sonne"und hat sich entsprechend betätigt. Songs wie "Facetta nera" ("Schwarzes Gesichtchen") drücken einen ähnlichen Rassismus aus wie das deutsche Kolonialgehabe. Auch in Italien gab und gibt es Antisemitismus. Dennoch war der italienische Faschismus nicht genuin antisemitisch. Faschistische Regimes in Mittel- und Südosteuropa hatten durchaus einen manifesten Antisemitismus im politischen Programm. Dennoch haben sie keine Gaskammern gebaut. Die Frage wäre jetzt zB wie italienische Einwanderer in Deutschland, die bzw. deren Nachkommen ähnlich rassitsiche Erfahrungen wie Türken und Griechen zu verarbeiten haben,sich "erinnern" dürfen. Einfache Rundumschläge tragen m. E. nichts zur Sache bei.

  • Wieso ist die Holocausterziehung pädagogischer Rassismus, nur weil Muslime darin nicht oder wenig vorkommen? Verstehe ich nicht.

  • " ... auf neue Gerechtigkeitsordnungen zielt".

     

    Ja, und einen nicht unerheblichen Teil dieser neuen "Gerechtigkeitsordnungen" lehne ich ab. Bspw. Entsäkularisierung.

  • Antisemitismus, Islamismus und Holocaustleugnung als Integrationsangebot?

     

    Ich glaube, ich werd' nicht mehr.

     

    Evtl. sollte der Autor mal darüber nachdenken, ob eine Bevölkerung eines willkürlich entstandenen Staates wie der BRD überhaupt eine gemeinsame "Erinnerungskultur" braucht. Schuld und Erinnern ist individuell. Ich lasse meine Großeltern nicht auf eine Stufe mit dem Vater eines fanatischen, unbelehrbaren Nazi wie es Gaucks Vater wohl war stellen. Ich kann auf dessen Erinnerungskultur verzichten.

     

    Ebenso auf antisemitische Migranten. Offenbar ist wohl der Geschichtsunterricht noch lange nicht autoritär genug, wenn immer noch Antisemitismus dabei herauskommt.

    • @Age Krüger:

      Wie kommen Sie darauf, dass Gaucks Vater ein "fanatischer unbelehrbarer Nazi" war? Der war Antikommunist und wurde - zu Unrecht - in den Gulag deportiert.

       

      Oder verwechseln Sie Gauck mit Gabriel, der seinen Vater tatsächlich so einschätzte?

      • @Rotbarsch:

        Es gibt immer Leute die Antikommunismus mit Nazi Denke gleichsetzten wollen.

        • @DasNiveau:

          Ist das jetzt Ironie oder ist es tatsächlich nicht bekannt, dass Gaucks Eltern bereits seit 1932 in der NSDAP waren?

    • @Age Krüger:

      An historische Fundamentalereignisse zu erinnern, hat doch nix mit der persönlichen Befindlichkeit -ob oder ob nicht jemand persönlich erinnert werden will- zu tun. Sie haben sich ereignet und stehen dann halt von Fall zu Fall zur Debatte.

      Es ist doch nicht unerheblich wenn es dazu kommt, dass nach der historisch belegten Verlogenheit z.B. über Massenvernichtungswaffen jedesmal soll gesagt werden dürfen: Is´ halt passiert, tut uns ein Bisschen Leid, aber wir müssen nach Vorne schauen.

      Nee, nee-, wir müssen nicht nach Vorne schauen, wir müssen jedesmal pingelig nach Rückwärts schauen! Was in der Geschichte eigentlich jedesmal auf ähnliche Art und Weise solchen apokalyptischen Wahnsinn herbei geführt hat, der massenweise das Leben anderer Mitmenschen ignoriert oder sogar vorsätzlich eliminiert. Wie dieser orgiastisch inszenierte Höhepunkt des Antisemitismus, der Holocaust. Vor den „Machern“ in der Welt kann nur gewarnt werden, die Lehrer und Erinnerer sind in dieser Welt weitaus erforderlicher.

      • @H.-G-S:

        Ich kann auch aus Ihrer Antwort nicht entnehmen, warum das kollektiv erfolgen soll.

         

        Wir schützen nur die einzelnen Täter, wenn wir nicht in der Lage sind, auch die persönliche Schuld bei jedem einzelnen individuell zu suchen.

  • Andererseits läuft die Argumentation des Artikels auf einen ziemlich klaren Begriff von Integration und eine klassische Wertedebatte hinaus: Integration bedeutet für ihn nicht Festlegung und Anerkennung von gegenseitigen Positionen auf der Basis eines Konsens wie in der Soziologie. Dieser Definition nach könnten die unterschiedlichsten Wertvorstellungen integriert werden, ja sogar Nazis, Linke und Bürger sind demnach in einer Gesellschaft integriert. Sondern seine Vorstellung von Integration meint Verschmelzung, Einigung, Abwesenheit von Unterschieden - und unterschiedlichen Erinnerungskulturen, was einen befriedenden Effekt auf die Gesellschaft haben soll. Und die Geschichte soll (wiedermal) dadurch aktiv werden, dass sie eine gemeinsame Wertebasis schafft, wo angeblich momentan keine besteht. Erstens, besteht wirklich keine?, und zweitens, muss da wirklich eine her, pogromieren wir uns hier gegenseitig die ganze Zeit? Zeigen Gesellschaften wie die französische oder britische nicht, dass die unterschiedlichsten Wertvorstellungen nebeneinander existieren können und die Gesellschaft trotzdem funktioniert? Es leuchtet mir nicht ein, warum der Autor bei einer Frage des gesellschaftlichen Miteinanders gleich zu den Wurzeln der Werte und Erinnerungskulturen gehen muss, wo es doch eigentlich darum geht, Verhaltensregeln aufzustellen, die befolgt werden sollen, etwa, dass man, egal wer man ist, in Deutschland keine Synagogen, Moscheen oder Kirchen anzündet und sich gegenseitig in Ruhe lässt. Hier geht vielleicht eher der deutsche Durst nach Einigkeit mit dem Autor durch.

    Außerdem glaube ich, dass am Geschichts unterricht herumzuschrauben nicht viel bringt, und man das "Relevante" auch im jetzigen Unterricht vermitteln kann.

    • @Theo Schley:

      An welcher Stelle genau im Artikel, könnten Sie Ihre folgende Behauptung festmachen:

       

      „Integration bedeutet für ihn nicht Festlegung und Anerkennung von gegenseitigen Positionen auf der Basis eines Konsens…“ ?

      • @H.-G-S:

        "Die zentrale Herausforderung besteht darin, durch verknüpfte Erinnerungen die Opferkonkurrenz zu verhindern"

        Verbindung, Verschmelzung vs. Parallelität, Konkurrenz

  • Liest sich in der Tat gerade mit dem Schlusssatz wie ein wissenschaftlicher Artikel. - Gut so! Zu kompliziert ist er nun wirklich nicht. Lassen sie sich bitte ihre Ambitioniertheit beim Schreiben nicht ausreden. Wer den Artikel nicht versteht, soll ihn zwei Mal lesen.

     

    Die Angst vor Konkurrenz besteht in der Mittel- und Oberschicht meiner Wahrnehmung nach weniger gegenüber Ausländern, als ganz allgemein gegenüber den jeweiligen Wettbewerbern. Nichtsdestotrotz gibt es in allen Schichten bei vielen Deutschstämmigen einen Hang zur Ausländerfeindlichkeit, der sich zumeist erst im Privaten offenbart.

     

    Das Problem der Erinnerungskultur liegt darin, dass sie überwiegend von denjenigen gepflegt wird, die die Erinnerungen teilen und den Offiziellen, die an entsprechenden Veranstaltungen teilnehmen. Dann gibt es noch ein paar Produzenten von Fernsehdokumentationen. Die Jungen interessieren sich - zu Recht - nur wenig dafür. Wir brauchen eine Gesellschaft der Kulturen, in der man sich nicht mehr über die Nation oder den Unterschied zu anderen definiert. Genau das Gegenteil passiert aber jetzt, wenn man den Leuten einredet, man sei etwas Besseres, nur weil Deutschland eine positive Exportquote und einen ausgeglichenen Haushalt hat und man gerade Fußballweltmeister geworden ist. Die Jungen bilden ihr Verhältnis zu Migranten nicht über Erzählungen über den Holocaust aus, sondern im Hier und Jetzt.

  • Unerträgliche verlogene und weinerliche Selbstgerechtigkeit.

    • @Huitzilopochtli:

      Wie wäre es mit einer kontroversen Einzelanalyse? Ihre geäußerte Abscheu klingt ansonsten wie bildungsferne Hilflosigkeit. Mit dem Ausruf "unerträglich" alleine, erreicht man den näher interessierten Mitleser nicht.-

      • @H.-G-S:

        Es ist einfach zuviel Bullshit und man mag nicht immer dasselbe schreiben:

         

        1) Verquaster, Wissenschaft simulierender Soziologensprech.

         

        2) Die überwiegende Mehrzahl der angesprochenen migrantischen Jugendlichen hat keinen biographischen Bezugspunkt zum Nahostkonflikt., damit wird aber deren Antisemitismus begründet.

         

        3) "Da Muslime und Islam mit negativen Stereotypen verbunden werden, führt diese Fremdzuschreibung dazu [...]"

        Wie wäre es zur Abwechslung mal mit Eigenzuschreibung? Dieses verlogene Selbstmitleid kann man nicht mehr hören. Niemand wird gezwungen, irgend jemand zu sein, der er nicht ist.

        In Wirklichkeit ist die Kausalität natürlich gerade andersherum: Die Wahrnehmung folgt der Realität.

        Diese ständige Opferzuschreibung, die Hospitalisierung von Migranten, anstatt an deren ündigkeit und Emanzipation zu appellieren und auch mal etwas zu fordern erzeugt das Gegenteil vom Gewollten.

        Den Kolonialismus als eigene Opfergeschichte dazu erfinden ist einfach nur Blödsinn. Die meisten Migranten kommen aus keiner ehemaligen Kolonie, erst recht nicht aus einer deutschen, diese etwaige Geschichte liegt auch viel zu weit zurück.

         

        4) Ach ja, wo bleibt eigentlich der vielbeschworene Verfassungspatriotismus? Die Onaniervorlage des schlichten Mainstreamlinken? Der würde vollauf genügen, um zu vermitteln, dass man Anders- oder Nichtgläubigen nicht einfach auf's Maul hauen sollte.

        Stattdessen braucht's jetzt also wieder Narrative ( eines der dümmsten und hilflosesten Modeworte), um "die Menschen abzuholen".

        • @Huitzilopochtli:

          Den entnervten Seufzer „immer dasselbe schreiben“ kann ich nur bedingt nachvollziehen. Wenn doch das, was man selber im Argen liegend wähnt (sieht) wieder mal aufs Tapet kommt, ist es doch dann angebracht, wieder mal Position zu beziehen? Jedenfalls wenn man sich als mahnende Stimme verstanden wissen will. –

          Als zeitgenössischer Mitmensch möchte man als Leser, so bei Gelegenheit doch immer wieder mal hören, ob die andere Seite eventuell einen irgendwie gearteten Sinneswandel äußern könnte.

          • @H.-G-S:

            "Die andere Seite" - wir sind doch alle one world... und welchen Sinneswandel? Hin zur einzig richtigen Weltanschauung?Ihrer?

             

            Anderes Thema: Mir scheint, dass Kommentare von Ihnen wieder schneller sichtbar sind. Hat der Delinquent sich in der Zwischenzeit wohlverhalten? Konnten die Bewährungsauflagen gelockert werden?

            • @Huitzilopochtli:

              Als Demokrat weiß ich, dass meine „Weltanschauung“ durchaus Angriffsflächen bietet.

               

              Mit Wohlverhalten war nicht viel zu holen, bei dieser „Paula“ von der Taz. Die Demütigungszeit wurde mir zu lang. Ich musste leider an meinem Pseudonym eine kleine Stellschraube drehen. Bedeutet im Endeffekt einen neuen Account.

  • "So erleben sie die Holocausterziehung als pädagogischen Rassismus", wenn ich richtig verstehe soll das am Clah zweier Erinnerungskulturen liegen, einer Shoa- und einer Kolonialerinnerung, wobei erstere hierzulande die traditionsbildende und gesellschaftstragende ist. Und die Lösung soll sein: Erweiterung der deutschen Erinnerungskultur durch die der Kolonalgeschichte. Schön und gut, und wie soll das gehen in einer Gesellschaft, die keine nennenswerte koloniale Geschichte hat?

    Die Lösung wäre eher eine komplette Umwandlung des Geschichtsunterrichts: statt Erziehung zum guten deutschen Staatsbürger durch Nationalgeschichte müsste man die Geschichte der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte lehren, die ihre Hochs und Tiefs einschließt, wobei der Holocaust und die Kolonialgeschichte sicher die Tiefpunkte sind und der aktuelle Rechtsstaatlichkeitsanspruch das Hoch, zumindest bis jetzt. Das ist die einzige universelle gemeinsame Basis, alles andere ist dahergeleitetes Geschwafel, insbesondere in einer zur Exklusivität neigenden Gesellschaft wie der deutschen.

    • @Theo Schley:

      Bin ich oder sind Sie im Falschen Film-?- -

      Ist folgendes für Sie tatsächlich "keine nennenswerte koloniale Geschichte":

       

      In Namibia kamen bis zu 80 Prozent des Hererovolkes während der deutschen Kolonialzeit um; als Reaktion auf den Aufstand der Herero und Nama verübte die deutsche Besatzungsmacht unter der Führung Lothar von Trothas einen Völkermord, bei dem rund 85.000 Herero starben

    • D
      D.J.
      @Theo Schley:

      Es mag durchaus sein, dass die Kolonialgeschichte und die Sklavereigeschichte zuweilen nicht ausreichend behandelt wird. Dass D selbst weniger daran beteiligt war, sollte für einen europäischen Staat kein Hinderungsgrund sein. Problematisch ist allerdings auch, dass die muslismische Sklavereigeschichte (u.a. in Afrika) überhaupt nicht vorkommt. Dadurch entsteht ein schiefes Geschichsbild. Muslimische Geschichts-Studenten sind oft erst mal erstaunt, wenn sie erstmals Quellen dazu lesen. Absurderweise verbinden sie oft das Phänomen Kolonialismus und Sklaverei ausschießlich mit dem Westen. Geschichte als reine Opfergeschichte.

      • 1G
        1393 (Profil gelöscht)
        @D.J.:

        Dass in der Islamischen Geschichte Sklave nicht vorkommen sollen ist ja eine besonders dreiste Behauptung, zumal im Koran selbst Suren anweisungen geben, wie denn Sklaven zu behandeln sein sollen. Und dies nicht gerade "unmenschlich", da den Sklaven eher Rechte Eingeräumt werden.

         

        http://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_im_Islam#Aussagen_im_Koran

         

        Aber wenn man darauf aus ist, Muslimen ein "schiefes Geschichtsbild" nachzusagen, ist es nicht außergewöhnlich, dass solche Details vernachlässigt werden.

    • @Theo Schley:

      Ich stimme mit Ihnen überein, allerdings mit zwei Anmerkungen: Die Frage, ob Deutschland keine "nennenswerte Kolonialgeschichte" hat, kann so einfach nicht beantwortet werden. Im engeren Sinne hat Deutschland wenig Kolonien besessen, dennoch ist die Aufarbeitung dieser Geschichte bislang unzureichend. Im weiteren Sinn allerdings hat Deutschland durchaus eine Geschichte der Neo-Kolonialisierung, wie sie seit dem zweiten Weltkrieg über die multilateralen Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen betrieben wurde, aktiv und durch Nutznießung. Zweitens, und das erscheint noch wichtiger mit Blick auf den Artikel: In einer respektvollen Diskussion über die Unterschiedlichkeit von Identitäten muss die Geschichte "des Anderen" so rekonstruiert und begriffen werden, als wäre es die eigene. Oder genauer: Die Geschichte des Anderen ist eng mit der meinen verbunden. Die Gründe für Antisemitismus sind, wie alles andere auch, historisch gewachsen und jeweils unterschiedlich. Insofern unterstütze ich Ihre Forderung nach einer anderen Vermittlung von Geschichte. Nur unter der Bedingung, dass die Gegenüberstellung von "unserer (deutschen) Geschichte" und "deren Kolonialgeschichte" als falsch erkannt wird, kann eine wechselseitige Anerkennung möglich sein.

      • @Comandanta Ramona:

        "Nur unter der Bedingung, dass die Gegenüberstellung von "unserer (deutschen) Geschichte" und "deren Kolonialgeschichte" als falsch erkannt wird, kann eine wechselseitige Anerkennung möglich sein." - absolut. Aber die Geschichte des anderen muss nicht als die eigene begriffen werden, es reicht, sie zu begreifen und zu wissen, mit wem man es zu tun hat. "Die Geschichte des anderen ist mit der meinen verbunden." - welcher Teil davon? Der, der war oder der, der noch kommt? Bei unterschiedlichen Erfahrungen und Erinnerungen zählt vor allem, dass man sich klar darüber ist, dass man die Gegenwart und die Zukunft zusammen erlebt und erleben wird, gemeinsame Ziele und Interessen projiziert. Und die sind ja da: Freiheit und Würde für alle.

      • @Comandanta Ramona:

        vll. könnten Sie ja mal einem Herero gegenüber die Maske fallen lassen?

  • "Gerade für die arabisch-muslimische Diaspora bedeuten die Ghettoisierung Gazas und die israelische Aberkennung des Rückkehrrechts für die Vertriebenen aus Palästina"

     

    Ein "Rückkehrrecht" für die Flüchtlinge bzw. die Nachfahren der Flüchtlinge von 1948 nach Israel selbst wird es nie geben, etwas anderes zu behaupten, ist nichts als Nähren von Illusionen und Schüren von Ressentiments.

    Ansonsten ein arg jammernder Artikel.

  • "... So erleben sie die Holocausterziehung als pädagogischen Rassismus der Geschichtslehrer_innen, die ihnen verbieten, nicht Deutsch zu reden, oder sie vom Hijap (Kopftuch) „befreien“ wollen. In diesem Kontext bietet die provokative Israelkritik ein Integrationsangebot an. ..."

    Ist das cool, Mann :-))

  • D
    D.J.

    (2)

    Ich befürchte, es gibt eine ganz wesentliche Lebenslüge bei vielen Linken. Sie lautet, die gezeigten Phänomene und ähnliche seien stets und ausschließlich Folge eines Unterlegenheitsgefühls. Mag wohl auch daran liegen, dass die Alternative noch beunruhigender ist, dass es nämlich häufig auch Resultat eines Überlegenheitsgefühls ist. Religion und Nationalismus (manchmal auch eine üble Liaison eingehend) liefern nun wahrlich dafür reichlich "Anlass". Und wenn anerzogenes Überlegenheitsgefühl und Frustrationsgefühl (z.B. durch Bildungsversagen oder tatsächliche Diskriminierung) aufeinandertreffen, kann es sehr, sehr problemaisch werden.

  • "Ihren Ärger und ihre Verunsicherung darüber agiert die deutsch-weiße Mittelschicht auf Schulhöfen, in der U-Bahn und in den Medien mit antimuslimischer Rhetorik aus".

     

    Häh? Wann sind Sie das letzte Mal U-Bahn gefahren? Und wann waren Sie das letzte Mal auf einem Schulhof?

     

    Auf den Haltestellen und Schulhöfen, auf denen sich meine Töchter aufhalten, sieht der Alltag anders aus: "Was guckst Du alde Schalampe. Isch fi.. deine Mudda!"

     

    So ein realitätsfernes Theoretikergeschreibsel aus dem Rotweingürtel!

  • Bitte nochmal in verständlichem Deutsch posten. Ich habe leider keine Soziologie studiert.

    PS: In Deutschland wird die aktuell politisch angesagte Linie im Geschichtsunterricht gelehrt. Und der Unterricht wird dank Lehrplanumstellung auch immer schlimmer, bzw. inhaltsleerer. Da gibt es dann bald nichts mehr zu monieren, weil man genausogut statt Geschichtsunterricht Wohlfühlstunden mit Gruppenumarmungen ansetzen könnte. Wird sich inhaltlich ungefähr gleichen.

    • @Bluewater:

      Sie müssen nicht Soziologie studiert haben um das zu verstehen, sondern nur Genderwissenschaften. Damit wären Sie dann auf der Höhe der Diskussion und würden auch verstehen ... wenn Sie es verstehen wollen.

    • @Bluewater:

      Und jetzt mal MEIN Tip über ihre reale Lebenssituation: sie leben im Osten von MeckPomm, in der bayerischen Provinz, oder einer ähnlich "urbanen" Gegend. Ein (als solcher erkennbarer) Ausländer bzw. Deutscher mit Migrationshintergrund existiert in Ihrem Umfeld nicht. Und Ihre Situationsbeschreibungen haben sie aus islamophoben Hass-Blogs und RTL-Vorabendsendungen

      • @Kaboom:

        Leider daneben.

  • Grauenhafter Stil. Akademiker-Neusprech. Seminarvortrag.

     

    Kommentar bearbeitet. Bitte sparen Sie sich Beleidigungen.

    • @Dr_Manhattan:

      Sie monieren "Grauenhafter Stil".

      Dann schauen Sie bitte nochmal auf den letzten Satz ihres Kommentars.

      Sachliche Kritik bedarf keiner Fäkal-Sprache.

  • "Es ist ein Unbehagen der überforderten Aufsteigerfraktionen innerhalb der Mittelschicht, die ihren privilegierten Status in Gefahr sieht. Die Migranten sind nicht mehr einfach die „Anderen“, die man von oben herab kontrollieren kann, sondern sie gehören dazu, reden mit und ihre Erinnerungen werden Teil der kollektiven Erinnerung."

     

    Ich weiß nicht, diese Erklärung erscheint mir etwas sehr konstruiert.

     

    Wenn mein aufstiegsorientierter Kollege sich anti-semitisch äußert, ist er ein Arschloch! Egal, welche Diskriminierungserfahrungen er vermeintlich in seinem Leben gemacht hat.

     

    Nur weil ich in meinem Leben mal geschlagen wurde, habe ich nicht das Recht dazu, Nazi zu werden und andere Menschen zu diskiminieren.

     

    Die Sache, mit den herrschsüchtigen Geschichtslehrer*innen mag eine Erklärung für einschlägiges Verhalten sein, eine Entschuldigung ist sie aber nicht.

  • D
    D.J.

    1. Mein türkisch-deutscher Freund, völlig säkular, bekam von seiner Freundin gesagt, deren Mutter würde ihn nie akzeptieren, weil er Türkei sei.

    2. Ein herkunsftsdeutscher Kollege von mir bekam von seiner türkisch-deutschen Freundin, ziemlich säkular, gesagt, ihre Eltern dürften von der Beziehung nichts erfahren, weil er Deutscher sei.

    Warum schreibe ich das? Weil mich zwei Dinge mitlerweile wüdend machen:

    1. Das Gefasel von uns ach so toleranten Deutschen.

    2. Das Gefasel von der alleinigen Schuld der Aufnahmegesellschaft an Ausgrenzungstendenzen, das in geradezu absurder Weise bereits in der Herkunsftkultur vorhandene Abgrenzungstendenzen (meine Religion vs. Die Anderen; meine Nation vs. Die Anderen) ignoriert. Nichts, was gleichsam vererbt wird, aber bei Muslimen durchschnittlich besonders stark tradiert wird.

    • D
      D.J.
      @D.J.:

      Sorry, zu schnell getippt:

      Türkei > Türke

      mitlerweile > mittlerweile

      wüdend > wütend

  • Na super! Das "postmigrantische Deutschland" trauert um die palästinensischen Opfer jener Angriffe Israels, die die palästinensische Führung der Hamas zu verantworten hat, und daneben noch um die 125 weiteren, sicher ebenso schwer traumatisierten Zuwandererspezies aus anderen Erdteilen und findet so immer weniger Gelegenheit, die Ereignisse zwischen 33 und 45 zu bedenken. Deren Privilegierung wäre ja ohnehin in einer "postmigrantischen" Gesellschaft eine Diskriminierung sämtlicher anderen Opferstatusgeltendmachungsagenturen.

    • @Plumpe Emil:

      Und welche Position bekleiden Sie in Ihrer Opferstatusgeltendmachungsagentur? Haben Sie Angst, wenn die anderen Opfer ihren Teil fordern, dass dann für Sie weniger bleibt? Sie sind also ein Opfer mit Alleinvertretungsanspruch? Fragen über Fragen ...

      • @Wolfgang Schulz:

        Es ist unersichtlich, wie Sie zu dieser Reaktion haben kommen können. Ein Opferstatus wurde gar nicht in Anspruch genommen. Eigenartige Reaktion.