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Debatte um sexualisierte GewaltMitgefühl ist nicht begrenzt

Weinstein, #MeToo: Berichte von Frauen, die vergewaltigt oder belästigt wurden, auf allen Kanälen. Aber was ist mit Erfahrungen von Männern?

Lasst uns reden Foto: dpa

Dies ist eine These, es ist keine endgültige Analyse. Es ist der Versuch, öffentlich zu denken. Also bitte, schickt mir keine Hassbriefe oder Vergewaltigungsdrohungen, sondern solidarische Post und erzählt mir von euren Vergewaltigungserfahrungen.

Denn so wichtig ich #MeToo auch finde – und ich finde den Hashtag, unter dem die Schauspielerin Alyssa Milano aufrief: „Wenn ihr sexuell belästigt oder vergewaltigt worden seid, schreibt ‚me too‘ als Antwort auf diesen Tweet“ und der daraufhin viral ging, wirklich essentiell – fehlen mir dabei doch ganz viele Stimmen. Nämlich die der Männer.

Natürlich gibt es auch Männer, wie Schauspieler Jensen Ackles, der „für meine Frau, für meine Töchter, für alle Frauen … Ich bin an eurer Seite“ tweetete. Das ist reizend, doch das meine ich nicht. Was ist mit den Männern, die genauso Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht haben? Warum schreiben nur ganz, ganz wenige von ihnen hier? Weil #MeToo eindeutig an Frauen gerichtet ist. Wenn Männer aufgefordert werden, sich zu beteiligen, dann, indem sie darüber nachdenken sollen, warum sie „so etwas“ machen.

Das ist verständlich, schließlich ist das, wie wir in der Regel über sexualisierte Gewalt sprechen. Aber #MeToo tritt mit der Verheißung an, etwas zu ändern und das Schweigen zu durchbrechen. Aber dann lasst uns das doch für alle machen. Denn Reden kann so viel bewegen, wie ich gemerkt habe, seit meine Kulturgeschichte der Vergewaltigung herausgekommen ist.

Nach nahezu jeder Lesung kommen Menschen und erzählen mir ihre Geschichten oder schreiben sie mir. Und überraschend viele dieser Mails kommen nicht von Frauen. Ein Leser mailte, dass er Opfer von sexualisierter Gewalt ist und eine der Sachen, die für ihn Heilung besonders schwer machen, ist, dass er in allen Texten und kulturellen Botschaften über Vergewaltigung immer als (potenzieller) Täter angesprochen wird, weil er ja ein Mann ist.

Reden verändert die Welt

Bei einer Lesung in Berlin meldete sich jemand und sagte: „Und was ist mit den Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die bis vor nicht allzu Langem völlig legal hier um die Ecke verübt wurden?“ Damit meinte er die euphemistisch als „geschlechtsangleichend“ bezeichneten Operationen an Neugeborenen, deren Genitalien nicht „eindeutig genug“ waren, in der Berliner Charité. Richtig, was ist damit? Warum reden wir nicht auch davon, wenn wir über sexualisierte Gewalt sprechen? Schließlich gehört das zusammen.

Noch einmal: Reden kann die Welt verändern. Vor einer Weile saß ich im Zug nach Hause und die beiden angeschickerten jungen Männer mir gegenüber hatten ein dringendes Gesprächsbedürfnis: „Was hast du hier in Frankfurt gemacht?“ Eine Lesung. „Eine Lesung?“ Ja, eine Lesung. Bis ich ihnen schließlich den Titel meines Buchs verriet und der Angetrunkenere der beiden rief: „Du denkst bestimmt, dass nur Frauen vergewaltigt werden können! Aber ich bin ein halbes Jahr lang regelmäßig von meiner Exfreundin vergewaltigt worden.“ Worauf der andere kommentierte: „Na, wenn du das nicht gewollt hättest, hättest du sie ja verlassen können.“

Es war eine Sternstunde, den beiden sagen zu können, dass natürlich auch Männer vergewaltigt werden und wir inzwischen wissen, wie schwierig es ist, sich aus Missbrauchsbeziehungen zu lösen. Denn der zweite fragte den ersten danach bierernst: „Meinst du, ich bin nicht gut mit dir umgegangen?“

Wenn ich darauf hinweise, wird mir oft gesagt: Das sind die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Besser bekannt als die 90/10-Regel, die besagt, dass der größte Teil der Opfer Frauen sind und der größte Teil der Täter Männer. Es sei dahingestellt, ob das ein gutes Argument ist, schließlich leidet man als Ausnahme nicht weniger. Doch neuere Forschungsergebnisse rütteln auch an dieser Bastion der Gewissheit.

38 Prozent der Opfer waren männlich

Das amerikanische Justizministerium befragt jedes Jahr rund 90.000 Haushalte für die National Crime Victimization Survey. 2012 kamen sie zu dem überraschenden Ergebnis, dass 38 Prozent der Opfer von sexualisierter Gewalt männlich waren, während die Zahlen für Männer sich bis dahin in der 10-Prozent-Zone bewegt hatten (genauer zwischen 5 Prozent und 14 Prozent).

Noch verblüffender waren die Ergebnisse der National Intimate Partner and Sexual Violence Survey von 2010, für die die amerikanischen Centers for Disease Control neben „gegen den eigenen Willen penetriert werden“ eine weitere Definition für Vergewaltigung zuließen, nämlich „gezwungen zu werden, eine andere Person zu penetrieren“.

Plötzlich schrumpfte der Unterschied zwischen Männern und Frauen – andere Geschlechter kannte die Umfrage nicht – auf unter ein Prozent: 1.270 Million Frauen und 1.267 Million Männer gaben an, in ihrem Leben Opfer von sexualisierter Gewalt geworden zu sein.

Das Buch

Mithu Sanyal: „Vergewaltigung, Edition Nautilus, 2016

Wie kann das gehen? Wie kann man einen Mann dazu bringen, jemanden gegen seinen Willen zu penetrieren? Schließlich braucht er dazu eine Erektion, und eine Erektion ist per Definition der Beweis dafür, dass er erregt ist. Nicht wahr?

Nicht wahr. Wir wissen inzwischen, dass physische Erregung nicht mit psychischer Erregung korrespondieren muss. Wir wissen auch, dass Orgasmen eine Möglichkeit für des Nervensystem sind, unerträgliche Anspannung abzubauen – so unerträglich wie zum Beispiel die Anspannung, vergewaltigt zu werden. Für Menschen – jeglichen Geschlechts – ist es besonders belastend, bei einer Vergewaltigung einen Orgasmus zu erleben. Als würde der eigene Körper einen betrügen, oder – noch schlimmer? – als wolle man es in Wirklichkeit doch. Victim blaming eigenhändig.

Frauen als Täterinnen

Nun muss man Statistiken immer mit einer Prise Salz betrachten. Genau das tat Lara Stemple, Leiterin des Health and Human Rights Law Project der University of California, und erstellte 2014 zusammen mit Ilan H. Meyer eine Metastudie der verfügbaren Daten zu Männern als Opfern und 2016 eine zu Frauen als Täterinnen von sexualisierter Gewalt. Lara Stemple ist eine bekannte Feministin. Das ist wichtig vor den Ergebnissen zu erwähnen. Sexuelle Gewalt gegen Männer (nach der FBI Definition) wurde in 68,6 Prozent der Fälle von Frauen verübt und bei „gezwungen werden, eine andere Person zu penetrieren“ in 79,2 Prozent der Fälle.

Ich weiß nicht, in wie weit diese Zahlen auf Deutschland übertragen werden können. Oder wie hoch der Informationsgehalt von Zahlen überhaupt ist. Schließlich steckt hinter jeder dieser Zahlen eine eigene Geschichte. Aber ich war beeindruckt von Lara Stemple Aussage, dass der Feminismus so lange und so hart gegen Vergewaltigungsmythen gekämpft hat – wie die, dass eine Frau, die vergewaltigt wurde, irgendwie selbst schuld sei, weil sie einen zu kurzen Rock getragen hat etc. – doch dass ein vergleichbarer Kampf gegen Vergewaltigungsmythen in Bezug auf Männer noch aussteht. Sie betont, dass Männer damit nicht die eigentlichen Opfer sind oder die wichtigeren Opfer. Die Anerkennung von männlichen Opfern verringert in keiner Form die Anerkennung von weiblichen Opfern, denn „Mitgefühl, ist keine begrenzte Ressource.“

Geld natürlich schon. Und ich sehe jetzt schon dreimalschlaue AfDler, die Frauenberatungsstellen in Männerberatungsstellen umwandeln wollen. Das darf natürlich um keinen Preis geschehen! Aber wäre es nicht an der Zeit aufzuhören über Vergewaltigung als ein Verbrechen zu sprechen, das Männer Frauen antun, und statt dessen miteinander zu sprechen? Das ist keine Forderung, sondern eine offene Frage. Lasst uns reden.

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25 Kommentare

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  • Ehrlich. Komplettes geistiges Neuland für mich (bin nur Mann , groß und war mal stark). Frauen vergewaltigen Männer? 79 % sollen gezwungen worden sein , eine andere Person zu penetrieren?

    Ich kann mir vorstellen, dass ein Mann im Zuge einer emotionalen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit zu sexuellen Handlungen gedrängt wird und er keine Möglichkeit sieht , sich diesen zu entziehen.

    Aber Frau lauert unbekannte Mann im Park auf und zieht ihn ins Gebüsch, das ist doch keinesfalls gemeint!

  • Im Jahre 2010 haben sich Männer, die größtenteils der Mittel- und Oberschicht entstammen, in Deutschland an die Öffentlichkeit gewandt und davon berichtet, dass ihnen in Kindheit bzw. Jugend sexuelle Gewalt angetan worden ist. Es begann alles mit Opfern des Jesuitenordens http://www.spreeblick.com/blog/2010/01/28/sexueller-missbrauch-am-canisius-kolleg-berlin/ Das Ganze weitete sich schnell aus, andere Gruppen von Opfern sexuellen Missbrauchs schlossen sich an und die Debatte erfasste unsere ganze Gesellschaft. Damals entstand eine relativ sachliche, fundierte, wegen ihrer Ehrlichkeit menschlich anrührende Diskussion, die fast zwei Jahre lang intensiv geführt wurde und die in unserer Gesellschaft die Sicht der Menschen auf Kindesmissbrauch verändert hat.

    Ich gehe davon aus, dass Männer, die ernsthaft, unter Verzicht auf Provokation und Polemik von sexueller Belästigung, sexuellen Übergriffen oder sexueller Gewalt berichten, die ihnen von anderen Männern und von Frauen angetan worden ist, auch jetzt im Jahre 2017 Gehör finden würden.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen erwachsenen Menschen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • "Aber wäre es nicht an der Zeit aufzuhören über Vergewaltigung als ein Verbrechen zu sprechen, das Männer Frauen antun, und statt dessen miteinander zu sprechen?"

     

    Gute Idee. Wer über sexuelle Ausbeutung, sexualisierte Misshandlung und sexuelle Gewalt sprechen will, redet über Sex. Und da uns das immer noch schwer fällt, sollten wir alle, die wir die Gesellschaft bilden, ein kleines bisschen Mut aufbringen und einfach mit dem Sprechen anfangen. Unter Verzicht auf Kollektivmythen, Anzüglichkeiten, Romantisierungen, in sachlicher Sprache. Und vor allem: ohne Angst.

  • Ich lese, „1.270 Million Frauen und 1.267 Million Männer gaben an, in ihrem Leben Opfer von sexualisierter Gewalt geworden zu sein“. Das mag ja sein, aber das ist doch seit 8.000 Jahren schon der Fall oder wie lange das Patriarchat nun schon dauert: Der Mann herrschte in der Öffentlichkeit, die Frau zuhause. Herrschaft ist mit Gewalt verbunden, mehr oder weniger, mehr physisch beim starken Mann und mehr psychisch bei der Frau. Frauen waren nicht weniger böse als Männer. Nur eben anders. Unauffälliger. (Chemie war die Naturwissenschaft der Frauen). Zudem geschützt oder gar geheiligt durch die Mutterschaft wie der Mann durch seine Taten.

    Beide, Mann und Frau mussten das Paradies verlassen. Wir haben uns nur jahrzehntelang geirrt, als wir glaubten und predigten, Frauen seien a priori Opfer und Männer Täter. Unsere 67-er Ideologie geriet gesellschafts- und familienzerstörend. Schon unseren Kindern und Schülern ging es weniger um Familie und Kinder als um die, wie wir das nannten, „Emanzipation der Frau und mehr um Sex als um Liebe und Erotik. Platos „Symposion“ und Sapphos Gedichte blieben im Regal liegen, Oswalt Kolle und der Kinsey-Report waren dran. Für Erich Fromms „Die Kunst des Liebens“ interessierte sich ohnehin nur, wer schon lieben konnte. Die wenigen Kinder und Enkel, die wir in die Welt setzten, haben wir verwöhnt. Nun haben sie folgerichtig keine Lust zu heiraten oder auch nur in anstrengender Partnerschaft zusammenzuleben. Kinder? Unter diesen Bedingungen? Unerträglich! Konsequenz: In Bremen ist jeder zweite Haushalt ein Single-Haushalt. Da hilft auch PARSHIP nicht. Und dann kommt auch noch sog. „sexualisierte Gewalt“ dazu. Also Lieblosigkeit. Auf beiden Seiten. Schön, dass Mithu Sanyal das mal gesagt hat. Und warum das? Weil die Männer immer weniger lieben können und die Frauen noch nicht genug.

    Martin Korol, Bremen

    • @Martin Korol:

      Zuerst festzustellen, dass das halt das Patriarchat ist, und dann zu beklagen, dass es "Schon unseren Kindern … weniger um Familie und Kinder als um die … Emanzipation der Frau" ging, bringt die Linie vieler konservativer bzw. reaktionärer Christen sehr gut auf den Punkt: Als Antwort auf sexualisierte Gewalt wird die Rüchbesinnung auf traditionelle gewaltbegünstigende Strukturen gefordert. Dabei wird dann gänzlich ausgeblendet, dass die traditionelle heterosexuelle Kleinfamilie sexualisierte Gewalt - auch gegen Kinder - stark begünstigt und zweifelsohne auch schon vor 1968 begünstigt hat.

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Leider wird "Männer aber auch …" insbesondere von Maskulinisten oft als Scheinargument benutzt um Sexismus und das strukturelle Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen als eine Grundlage sexualisierter Gewalt zu verleugnen."

     

    Umgekehrt könnte man dann behaupten, dass das Thema sexuelle Gewalt gegenüber Frauen von Feministinnen genutzt wird um die seuxelle Belästigung, Gewalt und durchas auch (u.a. gesetzliche) Benachteiligungen von Männern zu leugnen.

    • @4845 (Profil gelöscht):

      … wenn man offensichtlich unpassenden und kontraproduktiven Aufrechnungslogiken den Vorzug gibt gegenüber wirklichem Engagement für Betroffene und einer differenzierten Analyse von gewaltverursachenden Strukturen.

      Ich habe bisher von keiner von Männern initiierten und getragenen öffentlichen Aktion gegen sexualisierte Gewalt gehört oder gelesen, die mit irgendeiner (Macht)Strukturanalyse einhergegangen wäre, die dann von Frauen mit "Frauen aber auch …" gekontert worden wäre.

      Dass sexualisierte Gewalt gegen Männer eine komplexere Analyse erfordert ergibt sich auch daraus, dass es sich bei einem großen Teil der Täter_innen ebenfalls um Männer handelt. Wirkliches Engagement gegen sexualisierte Gewalt gegen Männer kann nur funktionieren, wenn unterschiedliche Perspektiven nicht gegeneinander ausgespielt und eigene Verwicklungen in Machtverhältnisse kritisch hinterfragt werden. Ohne Solidarität über die Grenzen unterschiedlicher Betroffenheiten von unterschiedlichen Machtverhältnissen hinweg sehe ich da keine reale Chance.

      Das Gegeneinanderstellen von betroffenen Männern und Frauen schadet letztendlich allen Betroffenen - am meisten wahrscheinlich denen, die nicht in das binäre Schema passen. Ein erster Schritt in eine andere Richtung wäre es, das "aber" einfach mal weg und andere Perspektiven stehen zu lassen.

      Nach meiner Erfahrung ist es z.B. bei #Metoo auch mit einem üblicherweise als männlich gelesenen Displaynamen problemlos möglich, eigene Gewalterfahrungen ohne langes rumgeabere beizutragen und so sichtbar zu machen, dass auch Männer von sexualisierter Gewalt betroffen sind und dass unterschiedliche Perspektiven nicht gegeneinander stehen müssen. Das setzt allerdings neben eigener Betroffenheit auch etwas Mut und die Bereitschaft voraus, sich öffentlich verletzbar zu zeigen.

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @chirlu:

        "Ich habe bisher von keiner von Männern initiierten und getragenen öffentlichen Aktion gegen sexualisierte Gewalt gehört oder gelesen, die mit irgendeiner (Macht)Strukturanalyse einhergegangen wäre, die dann von Frauen mit "Frauen aber auch …" gekontert worden wäre."

         

        Sicher, weil überlicherweise werden solche Benachteilungen von Männern von Feministinnen geleugnet oder mit der Benachteiligung von Frauen gerechtfertigt.

  • Leider wird "Männer aber auch …" insbesondere von Maskulinisten oft als Scheinargument benutzt um Sexismus und das strukturelle Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen als eine Grundlage sexualisierter Gewalt zu verleugnen. Wirkliches Engagement für Betroffene Männer und gegen sexualisierte Gewalt gibt es von dieser Seite jedoch kaum. Letzteres würde auch erfordern, überkommene Männlichkeitskonzepte grundlegend in Frage zu stellen. Stattdessen werden männliche Betroffene (erneut) benutzt um bestehende Macht- und Gewaltverhältnisse zu verleugnen und aufrecht zu erhalten.

     

    Gleichzeitig sind die Strukturanalysen von (weißen cis)Feministinnen im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt oft doch wieder auf Sexismus und Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen beschränkt. Im günstigen Fall wird im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche auch noch das Machtverhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern erwähnt. CisSexismus, Ableismus, Rassismus, Klassismus … und Intersektionalität insgesamt bleiben dagegen bei den Ursachenanalysen zu sexualisierter Gewalt meist außen vor und Hinweise darauf werden immer wieder als störend und vom eigentlichen Ziel abbringend abgewehrt. Ganz zu schweigen von der gesellschaftlichen Normalität von Machtverhältnissen und Über-/Unterordnung auch unabhängig von Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen.

     

    Vor diesem Hintergrund denke ich nicht, dass es "an der Zeit [wäre] aufzuhören über Vergewaltigung als ein Verbrechen zu sprechen, das Männer Frauen antun". Über Vergewaltigung nicht _ausschließlich_ als ein Verbrechen zu sprechen, das Männer Frauen antun, halte ich dagegen für sehr sinnvoll und letztlich auch notwendig für wirkliche gesellschaftliche Veränderungen. Gesellschaftliche Veränderung braucht Raum für unterschiedliche Perspektiven und komplexe (Macht)analysen.

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Mitgefühl? Ständig heisst es, Männer müssten auch endlich Emotionen zeigen und zu lassen. Aber wenn Mann es dann mal tut, dann ist er - gerade bei Frauen - als Weichei und Tränensack verschrieen. Dieses verlogene Gerede hängt mir mittlerweile zum Hals raus.

  • Netter Versuch.

     

    Diesmal heißt er Weinstein. Diesmal ist es Hollywood. Und diesmal dürfen – nicht als „Analyse“, aber wenigstens in Form einer "These“ – auch Männer Opfer sein. Immerhin. Aber schon die am Anfang dieses Textes geäußerte Bitte, „keine Hassbriefe oder Vergewaltigungsdrohungen“ zu schicken als Strafe für den Versuch, „öffentlich zu denken“, zeigt, wie wichtig genau das leider immer noch ist.

     

    Bevor ich mich also extra beim Branchensieger Twitter anmelde, um mich unter dem Hashtag #MeToo mit einer Schauspielerin solidarisieren zu können, deren Name mir nichts sagt und die unbedingt Opfer sein will, denke ich doch lieber noch ein wenig weiter. Öffentlich. Auch auf die Gefahr hin, für meine Prioritäten abgestraft zu werden.

     

    Alyssa Milano geht es um sexualisierte Gewalt. Ich kann das verstehen. Sex sells, denn Menschen sind neugierig. Aber das HAUPTwort hinter dem Adjektiv lautet immer noch „Gewalt“. Und wenn die Gesellschaften, in denen wir Menschen leben, nicht grundsätzlich auf Gewalt gegründet wären, wäre sexualisierte Gewalt sehr wahrscheinlich gar kein Problem.

     

    Wer mit mir über sexualisierte Gewalt reden will, der muss deshalb zuerst über Gewalt an sich reden. Über strukturelle Gewalt zum Beispiel und über die Gewalt, die von den angeblich Starken ausgeht, denen so gerne vertraut wird, wie die taz weiß. Zu Unrecht, wie ich finde. Denn auch die „Starken“ haben Angst. Auch sie lügen, betrügen und werden gewalttätig. In meinem Privatleben haben sie deshalb nichts verloren. Nicht, so lange sie sich noch für überlegen halten.

     

    Menschen sind vieles. Unter anderem Wesen, die Sex haben – und einen jeweils eignen Kopf. So lange ich für Alyssa Milano und andere nur existiere, wenn ich ihre Prioritäten über meine stelle und meine Lösungsansätze ihren unterordne, wüsste ich nicht, auf welcher Basis ich mich solidarisieren sollte. Leute, die versuchen, mir unter Androhung von Gewalt Vorschriften zu machen, kenne ich schließlich schon genug.

  • Was bei Rush oder Bass/Davis nicht steht, findet sich im Dokument F 321 der Nürnberger Prozessgerichtsakten. Vorheriges

    Doppelposting ist der Fehlhandhabung des Tablets geschuldet

  • Männer als Betroffene von sexueller Gewalt organisieren sich seit Jahren bei Tauwetter in der Selbsthilfe und sind spätestens seit Florence Rush in der Literatur benannt. Frauen als Täterinnen sind spätestens seit Bass/Davis in der Diskussion.

  • Dass es sexuelle Gewalt gegen Männer bzw Jungen gibt , steht schon in der Bibel und ist spätestens bei Florence Rush dokumentiert.

    Dass auch Frauen Täterinnen sein können steht seit 20 Jahren bei Bass/Davis.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Es ist bekannt, dass auch Männer oder besser gesagt männliche Jugendliche Opfer von sexueller Gewalt werden.

    Besonders gerne praktiziert in kath. Einrichtungen.

    Dass eine Frau allerdings einen erwachsenen Mann vergewaltigen könne, übersteigt meine Vorstellungskraft. Er ist ihr doch in jedem Fall körperlich überlegen.

    • @39167 (Profil gelöscht):

      Nicht alle Männer sind Muskelprotze und eine Bratpfanne auf den Kopf tut jedem weh. Frauen vergewaltigen - nur anders.

      "Überlegen" kann vieles bedeuten.

    • @39167 (Profil gelöscht):

      sie vergessen hierbei die psychische komponente

  • Wenn es nicht um Vergewaltigungen, sondern "nur" um sexuelle Belästigungen oder Beleidigungen geht, gäbe es unter #metoo sicher auch einige Geschichten von Männern über Frauen zu erzählen. Aber das gilt dann oft noch als harmloses weibliches Flirten gegenüber dem "stärkeren" Geschlecht.

     

    Eigentlich geht es dabei fast immer um den Missbrauch von Macht, der derzeit männlich dominiert ist, aber das ändert sich. Von daher sollten alle Geschlechter und alle Altersstufen ein Interesse daran haben, dass sich Machtmissbrauch nicht kulturell institutionalisiert und zur Gewohnheit wird. Und alle sollten ein Interesse daran haben, dass kein kontraproduktiver Generalverdacht gegenüber einer großen gesellschaftlichen Gruppe entsteht.

     

    Im Falle Weinstein gab und gibt es wohl ein extremes Versagen von Führungskräften, bzw. der Kontrolle von Führungskräften. Und ein extremes Aufkommen an Feiglingen, die sich nicht getraut haben, etwas dagegen zu unternehmen.

  • 4G
    4225 (Profil gelöscht)

    Ein bisschen tun mir die männlichen Flüchtlinge leid, die glaubten, in eine "offene Gesellschaft" zu kommen. Ein Syrer wurde in mit den Worten zitiert, dass man hier einfach eine Frau ansprechen können um ihr zu sagen, dass sie einem gefalle. Dieser Wahnsinn, der hier abgeht und jetzt schon Männer als Opfer von Verwaltungen durch Frauen (!) darstellt. muss unbedingt gestoppt werden...

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @4225 (Profil gelöscht):

      Mit "Verwaltungen durch Frauen" haben sie einen sehr treffenden Freudschen Verschreiberling geliefert!

      • 4G
        4225 (Profil gelöscht)
        @849 (Profil gelöscht):

        auf den Gedanken, den ich beim Verschreiben verraten habe, müssen sie mir aber noch benennen, ich komm nicht drauf......aber: Können Sie sich vorstellen, dass ein Mann gezwungen werden kann, eine Frau "zu penetrieren"(oder ist damit gemeint, dass dem Mann so lange Alkohol aufgezwungen wird, bis er die Frau ausreichend schön findet) ?

        • @4225 (Profil gelöscht):

          Es gibt durchaus auch Männer, die mit der Angst um ihre Kinder gefügig gemacht werden, nach dem Motto "Dann siehst du deine Kinder nie wieder".

          Auch wenn es sicherlich Beziehungen gibt, in denen Frauen durchaus auch Körperlich dazu in der Lage wären (erstaunlich viele Männer sind so sozialisiert, dass sie sich schwer tun selbst zur Verteidigung körperlich zu wehren, weil man ja keine Frauen schlagen soll) in der Mehrzahl ist es bei Frauen eher psychischer Druck mit dem sie ihre Partner dazu zwingen. Ein Freund meines Sohn hat mir auch schon erzählt dass er Tage hatte, wo er eigentlich keine Lust auf Sex mit seiner Freundin hatte, aber bevor er sich den emotionalen Stress antut, der folgt wenn er nein sagt, dann tut er halt, was sie von ihm will, wenn das erste "Nein" erfolglos bleibt. Auf die Frage warum er sich dann nicht vor ihr trennt, wenn sowas regelmäßig passiert: Naja, eigentlich ist sie ganz nett sein und alleine sein will er auch nicht außerdem kennt sie seinen Freundeskreis, und er hat keine Lust dass sie ihn als Schlappschwanz darstellt, und und und.

          In feministischen Foren wird sowas schon als Vergewaltigung gewertet, wenn Frauen solche Erlebnisse mit umgekehrten Rollen beschreiben.

        • @4225 (Profil gelöscht):

          Kennen Sie den Satz "Wenn Du mich jetzt nicht fi...., dann hole ich mir einen anderen" etwa nicht? Den Satz "Nein heißt nein" aber mittlerweile schon, oder?

        • @4225 (Profil gelöscht):

          "Können Sie sich vorstellen, dass ein Mann gezwungen werden kann, eine Frau "zu penetrieren""

           

          ...und nur das wäre Ihrer Ansicht nach eine Vergewaltigung, alles andere was man sich evtl. vorstellen könnte, aber nicht?

           

          Das ist ungefähr so, als würden Sie einen Mord nur als Mord bezeichnen wollen, wenn er mit einer Pistole begangen wurde, nicht aber wenns z.B. ein Messer war...