Debatte um einheitliche Coronapolitik: Der Tag nach dem Machtwort
Kanzlerin Angela Merkel will die Länder zur Einhaltung der Notbremse verpflichten. Selbst von dort kommen nun Rufe nach mehr Einheitlichkeit.
Aber kann Merkel ihre Drohung überhaupt wahrmachen? Dazu müsste sie die Länder ja praktisch entmachten und Bundestag und Bundesregierung zu Dirigenten der Corona-Politik machen. Sympathie für den Vorstoß gibt es durchaus, etwa beim Koalitionspartner SPD. Sie sei eine Freundin bundeseinheitlicher Regeln, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin Sabine Dittmar der taz. „Aber ich weiß nicht, woher Frau Merkel die Zuversicht nimmt, dass die Länder sich dran halten.“ Auch der Anfang März vereinbarte Stufenplan gebe ja einheitliche Kriterien vor, ab welcher Inzidenz Lockerungen erlaubt oder wieder zurückgenommen werden müssen. „Diese Regeln müssen nur umgesetzt werden“, sagte Dittmar.
Dass auch Länder wie das SPD-regierte Berlin sich nicht daran hielten, mache sie ratlos. „Ich habe kein Verständnis für Öffnungsstrategien angesichts steigender Infektionszahlen“, sagte Dittmar.
Man könne nur an die Länder appellieren, dass sie sich an Vereinbarungen hielten. Dass künftig der Bundestag den Takt vorgibt und die Corona-Maßnahmen beschließt, hält sie nicht für realistisch. Auch in diesem Fall müssten die Länder ja mitziehen – sprich den Gesetzen im Bundesrat mit Mehrheit zustimmen. Die nächste Bundesratssitzung ist für den 3. Mai angesetzt. „Entscheidend ist aber, dass wir jetzt handeln damit die Zahlen in den nächsten drei, vier Wochen sinken“, sagte Dittmar.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki kritisiert Merkel dagegen scharf. „In Deutschland gilt nicht das Wort der Kanzlerin, sondern Verfassung und Gesetze“, so Kubicki zur taz. Selbst wenn der Bundestag ein neues Infektionsschutzgesetz beschließe, sei die Ausführung immer noch Ländersache. Kubicki verweist darauf, dass das Infektionsschutzgesetz die Länder sogar dazu verpflichtet, Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen umzusetzen.
Bundeseinheitliche Regelungen über das Infektionsschutzgesetz oder gar per Verordnung aus dem Kanzleramt hält er weder für umsetzbar noch für nötig. Schon jetzt könne jeder Landkreis eigene Maßnahmen beschließen, sobald die Inzidenz den Schwellenwert von 100 überschreite. „Die Ministerpräsidentenkonferenz ist kein Gesetzgebungsorgan, ihre Beschlüsse sind demzufolge Handreichungen, aber keine gesetzlichen Grundlagen“, stellt Kubicki klar.
Der FDP-Politiker plädiert grundsätzlich für eine stärkere Einbeziehung des Bundestags. Der sollte darüber debattieren, welche Maßnahmen wann ergriffen und wie überprüft werden. Man sei dazu auch kurzfristig in der Lage. „Wäre der Bundestag frühzeitig mit eingebunden gewesen, dann wäre uns das, was vergangenen Montag passiert ist, erspart geblieben“, meint Kubicki.
Auch die Grünen wollen den Bundestag künftig stärker beteiligt sehen. „Frau Merkel muss jetzt dem Parlament einen gesetzlichen Stufenplan vorlegen. Wir sind jederzeit bereit, kurzfristig im Bundestag zu einer Sondersitzung zusammen zu kommen, um notwendige Beschlüsse zu fassen“, so die parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann zur taz.
Und die Länder? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte in den Tagesthemen, er könne sich mehr Kompetenzen in Bundeshand vorstellen. Auch der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) verwies gegenüber der dpa darauf, dass sein Land ja schon vor Monaten einen bundeseinheitlichen Kriterienkatalog vorgeschlagen hatte. „Ich sage immer noch: Dann macht es doch endlich!“
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