Debatte um Prostitutionsgesetz: Sexarbeit oder Menschenhandel?
Die Unionsfraktion stellt eine Anfrage zu Menschenhandel und Zwangsprostitution. Die Grüne Denise Loop kritisiert, dass die Union nicht differenziere.
„Innerhalb der Koalition erarbeiten wir einen nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel. Das geht jetzt los“, sagt Denise Loop (Grüne), Obfrau im Familienausschuss, der taz. Sie kritisiert die Anfrage der Unionsfraktion: „Ich finde, es wird deutlich, dass nicht zwischen Sexarbeit und Menschenhandel zur sexualisierten Ausbeutung differenziert wird.“ Wenn es einerseits um Opferschutz gehe und andererseits um Freiwilligkeit, müsse laut Loop stärker differenziert werden.
Die Unionsfraktion, die bereits im April 2021 eine ähnliche Anfrage gestellt hatte, will in ihrer aktuellen Anfrage nun etwa wissen: „Hat die Bundesregierung ihrerseits Studien in Auftrag gegeben, die untersuchen, welche Auswirkungen es auf das Frauenbild von Männern hat, wenn eine Frau wie eine Ware gekauft werden kann (wenn ja, wann werden diese vorliegen, wenn nein, warum nicht)?“
Denise Loop glaubt, dass die Unionsfraktion mit derartigen Fragen anstrebe, dass die Bundesregierung ein Sexkaufverbot nach dem „Nordischen Modell“ in Deutschland einführen soll. Das sogenannte Nordische Modell kriminalisiert die Kund_innen von Prostituierten durch ein Sexkaufverbot. Derzeit gibt es solche Regelungen in Ländern wie Schweden, Kanada und Israel.
Debatte um Nordisches Modell
Zwischen den Fraktionen im Bundestag kommt es deshalb immer wieder zu Diskussionen: Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin der SPD, ist Befürworterin des Nordischen Modells, obwohl die SPD ein Sexkaufverbot ablehnt. Ihr Pendant Silvia Breher von der CDU sprach sich in der Vergangenheit dagegen aus, äußert der taz gegenüber nun aber Sympathien für das Nordische Modell, das auch von der Frauenunion gefordert wird: „Die jetzige Situation ist für viele Frauen menschenunwürdig. Eine Überprüfung der derzeitigen Regelungen und eine Veränderung an kritischen Punkten ist aus unserer Sicht schon vor 2025 notwendig, um Menschenhandel und Zwangsprostitution stärker zu bekämpfen.“
„Ich glaube nicht, dass das Nordische Modell die richtige Lösung ist“, sagt Denise Loop der taz. „Wir wissen, dass die Gewalt bei einem Verbot steigt, sich also die Situation verschlechtert. Mit dem Nordischen Modell findet Sexarbeit zwar statistisch nicht mehr statt, aber im Verdeckten.“ Das steigere die Illegalität sowohl für Prostituierte als auch Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung.
Loop fordert „andere Mechanismen“: Neben der Evaluation des Prostitutionsgesetzes, welche die Bundesregierung laut Loop „faktenbasiert umsetzen“ werde, sollen Strafverfolgungsbehörden besser ausgestattet und Beratungsstrukturen ausgebaut werden. Derzeit werde ein Aktionsplan gegen Menschenhandel von der Bundesregierung erarbeitet. „Wir müssen erstmal unsere Hausaufgaben machen und nachbessern, bevor wir ein anderes Modell fordern“, so Loop.
Mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 wurde Sexarbeit legalisiert. Sexarbeiter_innen müssen seither sozialversichert sein und haben Arbeitsrechte wie Arbeitsschutz. Das Verbot des „Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ (§232 StGB) blieb bestehen.
Nachgebessert wurde bereits 2016, als das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) verabschiedet wurde. Seitdem besteht eine Anmeldepflicht für Sexarbeiter_innen. Sie müssen einen Arbeitsausweis bei sich tragen, Termine dokumentieren und eine Steuerklärung machen. Das Gesetz steht jedoch gerade bei Betroffenen in Kritik: Zwar soll es vor sexualisiertem Menschenhandel und Zwangsprostitution schützen, jedoch dränge es laut Kritiker_innen viele Betroffene in die Illegalität, da sich seither weniger Sexarbeiter_innen anmelden.
Korrektur: In der vorherigen Version war davon die Rede, dass sich Silvia Breher noch immer gegen das Nordische Modell ausspricht. Das ist nicht mehr der Fall.
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