Debatte um Martenstein-Kolumne: Journalist bleibt bei Holtzbrinck
Harald Martenstein kündigt seinen Abschied vom „Tagesspiegel“ an. Zuvor hatte die Chefredaktion nachträglich eine seiner Kolumnen gelöscht.
Die Chefredaktion des Tagesspiegel hatte nach Kritik an einer Kolumne Martensteins vom 6. Februar diese offline genommen. Nach Gesprächen mit „Kolleginnen und Kollegen, mit Wissenschaftlern und Betroffenen“ und „selbstverständlich auch mit dem Autor“ sei man zu dem Schluss gekommen, „dass wir diese Kolumne so nicht hätten veröffentlichen sollen“.
Die Kolumne war wie stets auf Seite 1 des Tagesspiegels und auch online erschienen. Martenstein hatte geschrieben, das Tragen eines „Judensterns“ von Teilnehmern sogenannter Coronademos mit der Aufschrift „Ungeimpft“ sei zwar „eine Anmaßung, auch eine Verharmlosung“ und „für die Überlebenden schwer auszuhalten“, aber „sicher nicht antisemitisch“. Als Begründung führte er an: Die Träger würden sich mit verfolgten Juden identifizieren.
In seiner Stellungnahme erklärt die Chefredaktion der Zeitung, es gehöre zum Selbstverständnis des Tagesspiegels, ein breites Meinungsspektrum abzubilden. Voraussetzung dafür sei aber, Standards der Redaktion einzuhalten. Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Wir verteidigen die Meinungsfreiheit, sind uns aber deren Grenzen bewusst. Dabei gilt: Nicht alles, was rechtlich betrachtet gesagt werden darf, ist dem Ton des Tagesspiegels angemessen.“ Man orientiere sich an Rationalität mehr als an Emotionalität und bleibe menschlich respektvoll. Alle Texte, die im Tagesspiegel veröffentlicht werden, müssten diesen Kriterien gerecht werden.
Unter anderen hatte die Jüdische Allgemeine Martenstein kritisiert und geschrieben: „Es waren die Nazis, die Juden dazu zwangen, den gelben Stern zu tragen, und nicht die Juden, die sich aus Protest gegen die Politik der Nazis den Aufnäher zulegten, damit beginnt bereits die verquere Logik der Querdenker, die auch ein Kolumnist wie Martenstein erkennen müsste. Und mit der Bagatellisierung und Relativierung des millionenfachen Vernichtungstods geht es munter weiter – was, bitte schön, kann daran nicht antisemitisch sein? (taz)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut