piwik no script img

Debatte um Maler Gustave CaillebotteZu schöne Männerpopos

War der impressionistische Maler Gustave Caillebotte schwul? Über diese Frage erzürnt sich derzeit die Pariser Kunstkritik.

Gemalte Männer: Die Parkettschleifer („Les raboteurs de parquet“, 1875) von Gustave Caillebotte Foto: www.photos-galeries.com / CC0

Ein nackter Mann, gesehen in Rückansicht, steht neben der Badewanne. Gemalt hat das sehr prosaische Sujet der Künstler Gustave Caillebotte. Er starb 1894 und wird gemeinhin den Impressionisten zugezählt, denen er freundschaftlich verbunden war. Ein zweites Bild zeigt den nackten Mann, wie er sich den Unterschenkel abtrocknet.

Die beiden Werke sind derzeit zu sehen im Pariser Musée d’Orsay, und wie stets, wenn das Museum einen französischen Maler vorstellt, ist das Haus voll. Die Ausstellung „Gustave Caillebotte. Peindre les hommes“ („Männer malen“) bietet die seltene Gelegenheit, das überwiegend noch in Privatbesitz befindliche Œuvre des Malers vereint zu sehen.

Doch es ist, wie es der Titel besagt, keine Retrospektive, sondern eine Themenausstellung. Caillebotte hat zahlreiche Portraits gemalt, von Männern der gehobenen Gesellschaftsschicht, der er, der Erbe eines großen Vermögens, selbst angehörte. Aber mehr als das. Er hat Handwerker gemalt, die den Parkettboden schleifen oder ein Ladengeschäft anstreichen. Und er hat ein paar Mal nackte Männer im Badezimmer gemalt.

Maler des modernen Lebens

Ob das ausreicht oder gar nahelegt, eine Ausstellung unter dem Titel „Männer malen“ zu versammeln, sei dahingestellt. Caillebotte ging es um etwas anderes, Größeres: Er war, wie kaum ein zweiter seiner Impressionistenfreunde, der „Maler des modernen Lebens“, den Baudelaire in seinem berühmten Essay gefordert hatte. Er malte, was er sah, die Eisenbrücke am Bahnhof Saint-Lazare oder eine Straße bei Regen, und besonders oft den Blick aus seiner vornehmen Wohnung an einem der großen Boulevards. Er malte das brandneue Paris.

Nun aber wird ihm die Häufung seiner Männerbildnisse als Hinweis auf Homosexualität gedeutet. Die diesbezügliche Gender-Debatte schwappt aus den USA herüber, wo die Ausstellung im Anschluss in Los Angeles und Chicago gezeigt werden soll. Die Pariser Kunstkritik reagiert empört. Caillebotte, der stillschweigend mit seiner Mätresse zusammenlebte, gebe nicht den geringsten Hinweis auf homosexuelles Begehren. Und überhaupt, wie der Kritiker der linksliberalen Libération schreibt: Was spielt das für eine Rolle?

Keine. Denn was an seinen Gemälden erschlösse sich, wenn die Vermutung zuträfe? Nicht mehr, als was sie zeigen. Caillebotte, dem die Konventionen seiner Gesellschaftsschicht diskretes Verhalten beigebracht hatten, hielt sich stets im Hintergrund. Er ging seinen Beschäftigungen nach, er malte, er baute Rennboote, mit denen er Regatten fuhr. Er verkehrte mit Freunden und Bekannten, und den Impressionisten griff er finanziell unter die Arme. Künstlerisch war er eher ein Einzelgänger, dessen überragende Bedeutung erst seit einigen Jahren erkannt wird.

Wie um den eigenen Ausstellungstitel zu konterkarieren, haben die Pariser Ausstellungsmacher ein Breitformat ans Ende gehängt: Da räkelt sich eine nackte Frau auf einem geblümten Sofa. Was das bedeuten könnte, bleibt jedem Besucher selbst überlassen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Die spekulative Diskussion um die sexuelle Orientierung des Malers geht am eigentlich interessanten Punkt vorbei, dass nämlich Caillebotte Männer in selbstvergessen körperlichen Posen und intimen Situationen malte, in denen in der damaligen Zeit eigentlich nur Frauen gemalt wurden. Vgl. den Artikel von Tilman Krause, www.welt.de/kultur...en-sie-Frauen.html

  • Prima Idee, holen wir die Scham aus den 50ern wieder hervor. Zurück in die Zukunft, oder hat da gar der Putin seine Finger im Spiel? (whoops, Verschwörung)

  • Wer nackte Männer malt ist also schwul.



    Wer nackte Frauen malt ist dann transsexuell?

    Kunst als Projektionsfläche der eigenen Agenda?

  • Vielleicht war ja das geblümte Sofa der eigentliche Skandal.



    Modische Verirrung!

  • wie es in dem einen Satz so prägnant geschrieben steht



    Was spielt das für eine Rolle?



    Und jeder der darüber nachdenkt sollte sich fragen was für Probleme er/sie/es selbst mit sich hat.

  • "Und überhaupt, wie der Kritiker der linksliberalen Libération schreibt: Was spielt das für eine Rolle?"



    Exakt. Ich bin froh, dass das auch von einem Kritiker gefragt wird. Ich hatte schon Sorge, dass die Kunstwelt um ein eigentliches Nullthema kreist.

  • Einen nackten Mann zu malen ist homosexuell?

    Was für eine kranke Denke. Nacktsein, das körperliche Malen und auch das Sehen von Schönheit im Körperlichen ist im Grundsatz völlig unabhängig von sexuellen Ausrichtungen.

    • @Rudolf Fissner:

      ... was voraussetzen würde, dass Künstler neutrale Medien sind. Sind sie aber nicht, sie sind Menschen aus Fleisch und Blut.



      Schönheit existiert nur im Auge des menschlichen Betrachters. Der Blickwinkel allerdings verändert sich über die Generationen. So hat jede Zeit etwas, was sie als "krank" verschreien kann.

  • Vielleicht war er ja ein bisschen bi, hat sich aber nicht getraut, das mal in echt auszuprobieren, dafür hat er aber ab und zu einen nackten Mann gemalt.

    So wichtig ist das aber auch wieder nicht, nur ein wenig Klatsch, den jeder und auch jede gerne liest, insbesondere, wenn er, oder sie, selbst ist ein bisschen bi und sich nicht traut... und schon ist Kunst.