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Debatte um Feiertag am 8. MärzLasst uns Männer mit Macht abschaffen – nicht den Frauentag

Marie Frank
Kommentar von Marie Frank

Berlins Unternehmer wollen den 8. März als Feiertag streichen, um Geld zu sparen. Dabei ist es das Patriarchat, das wir uns nicht mehr leisten können.

Wollt ihr Streik? Demo zum Frauenkampftag 1m 8. März 2019 Foto: Florian Boillot

B erlins Unternehmer hätten ihre mangelnde Wertschätzung für Frauen und ihre Arbeit nicht deutlicher ausdrücken können. Entsprechend groß ist die Empörung über die Forderung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, den Frauenkampftag als Feiertag wieder abzuschaffen. Angeblich könnte Berlin dadurch 230 Millionen Euro zusätzlich erwirtschaften.

„Wer diesen wichtigen Kampftag infrage stellt, nimmt Frauenrechte nicht ernst genug und ignoriert die zunehmende Gewalt gegen Frauen“, sagt Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). „Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet eine Gruppe von Männern der Unternehmensverbände den Frauentag abschaffen will“, äußerte sich die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Bahar Haghanipour.

Auch von der Gewerkschaft Verdi kommt Kritik: „Ausgerechnet den Frauentag als Feiertag wieder abzuschaffen ist wohl eher ein Altherrenwitz als ein ernst gemeinter wirtschaftspolitischer Vorschlag“, sagte Andrea Kühnemann vom Landesverband Berlin-Brandenburg.

Angriff auf Frauen- und Ar­bei­te­r*in­nen­be­we­gung

Dabei ist der Vorstoß nicht nur ein Angriff auf die feministische Bewegung, sondern reiht sich ein in aktuelle Attacken auf die hart erkämpften Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung.

„Berlin ist das Bundesland mit den wenigsten Feiertagen. Ausgerechnet hier wollen die Chefs ihren Beschäftigten einen freien Tag wegnehmen“, kritisierte dann auch der Vorsitzende der Berliner Linken, Maximilian Schirmer. „Die Arroganz, mit der uns Multimillionäre und Aufsichtsräte Feiertage und Krankheitstage nehmen wollen, ist eine Kampfansage an die Beschäftigten.“

Und diese Kampfansage steht nicht allein. Erst am Dienstag hatte Allianz-Chef Oliver Bäte gefordert, Lohnzahlungen bundesweit am ersten Krankheitstag zu streichen. Immer öfter geht es um längere Arbeitszeiten, Lohnkürzungen oder Einsparungen im Sozialen und Kulturellen statt um die Erhöhung von Löhnen, die angesichts von Inflation und explodierenden Mieten die Menschen zunehmend in die Armut treiben.

Und statt darüber zu reden, dass Frauen noch bis zum 7. März „umsonst“ arbeiten, weil sie im Schnitt 18 Prozent weniger verdienen und damit umgerechnet 66 Tage unbezahlt arbeiten, wird ihnen nicht mal mehr die symbolische Anerkennung eines Feiertags gegönnt.

Einführung als Feiertag kontraproduktiv

Dabei war die Einführung des Frauenkampftages als gesetzlicher Feiertag aus feministischer Sicht ein Fehler. Kaum war die Frauenstreikbewegung in Berlin angekommen, wurde ihr damit ihre Sprengkraft genommen.

Nach dem Vorbild von Spanien, wo am 8. März 2018 mehr als fünf Millionen Frauen ihre Arbeit niederlegten, wurden auch in Deutschland allerorten Streikkomitees gegründet. Am 8. März 2019 gingen in der Hauptstadt Zehntausende auf die Straße, um für Gleichberechtigung und die Abschaffung des Patriarchats zu demonstrieren.

Ein Streik war dies allerdings nicht. Kurz zuvor hatte Berlin den Frauentag zum Feiertag erklärt und so eine demonstrative Niederlegung sämtlicher Lohn- und Care-Arbeit verhindert. Der Staat hegte so den feministischen Aufstand gegen männerbündische Strukturen und die damit einhergehende Diskriminierung von Frauen ein. Es wurde gefeiert statt gekämpft, Erfolge bejubelt statt bestehende Missstände behoben.

Männer in Machtpositionen zu teuer

Die Zeit lässt sich jedoch nicht zurückdrehen und der Funke der Frauenstreikbewegung nicht so einfach wieder entzünden. Statt den 8. März als arbeitsfreien Tag zu streichen, sollten wir also lieber auf Männer in Machtpositionen verzichten. Schließlich kosten uns diese ebenfalls viel Geld: Sei es durch ihre überzogenen Boni, Steuerhinterziehungen oder wirtschaftskriminelle Machenschaften.

Auch die Kosten für das Papier, auf dem ihre wahlweise misogynen, rassistischen oder klassistischen Forderungen gedruckt werden, könnten wir uns so sparen. Davon könnten wir gleich eine ganze Reihe weiterer Feiertage als arbeitsfreie Tage finanzieren. Zum Beispiel den Safe Abortion Day am 28. September oder den Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen am 25. November.

Aber wir wollen nicht sexistisch sein, Frauen in Machtpositionen sind nicht unbedingt besser. Am besten wäre es also, wir würden Arbeitgeber gleich ganz abschaffen und die Organisation der Betriebe in die Hände der Ar­bei­te­r*in­nen legen. Dadurch würde so einiges an Geld freigesetzt und die vielen Streiktage würden auch entfallen.

Apropos Streik: Wenn uns Frauen der 8. März als Feiertag tatsächlich wieder genommen werden sollte, wird das ja vielleicht doch noch was mit dem Frauenstreik. Als Ausgleich für die verlorenen letzten sechs Jahre dann aber gleich eine ganze Woche. Mal sehen, wie viel das dann kostet.

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Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
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11 Kommentare

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  • Bei solchen Überschriften beschleicht mich immer das ungute Gefühl, als solle das Patriarchat nur durch das Matriarchat ersetzt werden, um die feuchten Träume einiger weniger Feministinnen wahr werden zu lassen. Es bringt aber die Gesellschaft nicht wirklich weiter.

  • Verhalten sich den aktuell Frauen in Führungspositionen so viel besser? Meiner Erfahrung nach nicht. Das Problem ist viel mehr welche Art von Menschen wir in Führungspositionen kommen lassen. So lange wir das nicht ändern ist das Geschlecht meiner Meinung nach egal.

  • Die armen darbenden Dividendengrabscher und Manager könnten sich damit trösten, dass auch Männer an jenem Tage Geburtstags hatten, Otto Hahn und Hector Berlioz etwa.



    Und der 8. März wäre ein guter bundesweiter Feiertag, als harmloses DDR-Geschenk und weil - siehe Bayern - viele Feiertage auch ökonomisch ein Vorteil sind.

  • Also soll Alice Weidel wählen? Oder Sahra Wagenknecht? Die Linke soll ja bekanntlich von drei sehr alten Männern mit Macht gerettet werden, bei den Grünen hat sich der Mann, die die miesen Umfragen seiner Partei durch sein mieses Heizungsgesetz verantwortet, gegen Frau Lang und Frau Baerbock durchgesetzt als 'Kandidat'.

    Also könnte frau sich als kommende Präsidentin der Europäischen Kommission Marine Le Pen vorstellen? Oder lieber Frau Meloni? Dann wird alles viel besser?

  • Lasst uns Frauen mit Macht abschaffen!



    Na, wie liest sich das?



    Nicht schön ?



    Wenn sich Frauen dazu verabreden alle gemeinsam zu streiken - sind das etwa keine "frauenbündischen Strukturen"?



    Ich war kurz davor, angesichts der gruseligen Personalauswahl andernorts, diesmal grün zu wählen.



    Das hat sich erledigt. Dazu hat auch der Umgang mit Gelbhaar beigetragen. Mandate erobern, in dem die Freundinnen mit Dreck werfen: so geht's nicht.

  • "Am besten wäre es also, wir würden Arbeitgeber gleich ganz abschaffen und die Organisation der Betriebe in die Hände der Ar­bei­te­r*in­nen legen".

    Ja. Lass uns gemeinsam für eine für alle gleichermaßen lebenswerte Welt sorgen. Und uns nicht nach Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Bildung, Finzanzkraft oder sonstwas gegeneinander ausspielen lassen.

  • Oh, Höh'res Wesen, falls Du bist,



    erlöse uns von all dem Mist:



    Ob Trump, ob Kickl, Musk, ob Merz,



    die kranken Egos ohne Herz!



    Die meinen, alles zu versteh'n,



    doch nur den eig'nen P**mel seh'n.



    Jaja, soweit begreif' ich's schon:



    es geht nicht nur um die Person,



    das Große Ganze ist das Leid,



    die kranke, gift'ge "Männlichkeit"!



    Der "harte Mann", das ist bekannt,



    fährt uns're Welt glatt an die Wand,



    will haben, siegen, Größter sein,



    mir fällt da nur das Ko*zen ein.



    Darum ich sag, als Mann, weiß, alt:



    am achten März ich ganz fest halt!



    Zeigt er doch jedem kleinen Kind,



    dass gleichberechtigt Alle sind.



    Die Liebe feiert, in der Tat -



    und weg mit dem Patriarchat!

  • das Problem sind nicht männer mit macht per se, sondern das patriarchat.

    ein wichtiger Unterschied.

    • @Berglandraupe:

      Das Patriarchat ist eine Maschine, die Mütter daran hindert, für ihre Kinder vernünftig da zu sein, die das Umfeld daran hindert, die Mütter dabei zu unterstützen.



      Das Patriarchat ist eine Maschine, die Frauen in Abhängigkeiten zwingt, anstatt ihnen Mutterschaft und Entfaltung außerhalb der Muttschaft möglich zu machen.



      Das Ergebnis sind unerwünschte schlecht behandelte Kinder, die im Patriarchat zu unglücklichen herrschenden Männern und unglücklichen Herrschaft weitertragenden Frauen verbogen werden. Den Rest sehen Sie in den Nachrichten. Und ja, ich weiß, dass der oben beschriebene Mechanismus nur eine von mehreren Problemquellen ist.

    • @Berglandraupe:

      Exakt.

      Die beiden Personen, die dem Neofaschismus und Patriarchat in der BRD und der EU die Türen sperrangelweit aufgerissen haben, als sie sie hätten im Keim ersticken können, sind cis- und heterosexuelle Frauen.

      Dass das ausführende Element ziemlich durchweg alte weiße Männer waren, ist zwar ebenso wahr, macht es aber nicht besser.

      (Wobei ich nicht weiß, ob Merkel und vd Leyen in nichtpatriarchalen Strukturen bessere Menschen gewesen wären.

      Vermutlich wären sie aber einfach in irgendeinem schlecht bezahlten Handlangerjob geendet: ihre politischen Karrieren waren nur möglich, weil sie das Patriarchat nicht angriffen, sondern sich ihm als antifeministische trojanische Pferde - als seine "Mädchen" - an den Hals warfen, und von der Altherrenkamarilla hochbefördert wurden, um kompetenten und weniger skrupellosen Frauen den Weg nach oben zu versperren.)

  • Danke, mein Reden :D sehr gute Reflektion der Mißstände.