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Debatte Rechtsruck unter StaatsdienernBerufsverbote gegen AfD-Beamte?

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Seehofer mahnt AfD-Funktionäre zur Verfassungstreue. Das könnte den weiteren Weg nach rechts stoppen. Verbote helfen aber nicht.

Da hilft auch Diskutieren nichts, Herr Hampel. Die AfD zeigt nach rechts Foto: dpa

D er Bundesinnenminister hat in dieser Woche die Pflicht der Beamten zur Verfassungstreue und zur politischen Zurückhaltung thematisiert. Dabei sprach er allgemein von Rechts- und Linksextremisten, nicht von der AfD. Aber jeder wusste, wer gemeint ist – kurz nachdem der Verfassungsschutz die AfD zum Prüffall erklärte und manche AfD-Strukturen sogar zum Verdachtsfall. Gibt es bald Berufsverbote gegen AfD-Funktionäre?

Ein Radikalenerlass wie 1972 ist noch weit entfernt. Damals beschlossen Bund und Länder, dass vor jeder Einstellung in den öffentlichen Dienst der Verfassungsschutz gefragt wird, ob Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Aktivitäten des Bewerbers vorliegen. In der Folge wurden rund 1.250 Personen nicht eingestellt, etwa 260 aus dem Dienst entfernt.

Betroffen waren damals vor allem Funktionäre kommunistischer Splitterparteien. Diese Parteien waren in der Praxis völlig irrelevant und die meisten ihrer von Berufsverboten betroffenen Kader auch ziemlich harmlos. Das überzogene Vorgehen führte zu einer breiten Solidarisierung in der Linken, die vor Gesinnungsschnüffelei und Duckmäusertum warnte.

Die Ausgrenzung kommunistischer Kader diente damals weniger dem Schutz der Demokratie vor ernsthaften Gefahren. Es ging eher um eine Absicherung der Brandt’schen Entspannungspolitik mit dem Ostblock. Um der Union keine Angriffspunkte zu geben, ging die SPD deshalb im Inneren so rigide gegen Kommunisten vor.

taz am wochenende

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AfD durch Mahnung zur Verfassungstreue kontrollieren?

Heute sind andere Zeiten. Der AfD winken bei Wahlen nicht 0,5 Prozent der Stimmen, sondern 15 bis 25 Prozent. In manchen EU-Staaten wie Ungarn, Polen oder Italien haben Rechtspopulisten bereits die Regierung übernommen. Eine politische Ausgrenzung der AfD und ihrer Kader wäre nicht nur fehlgeleitete Symbolik wie in den 1970er Jahren, es wäre ein echter Machtkampf jenseits der Wahlurnen.

Den Maßstab dafür hat das Bundesverfassungsgericht 2017 in seinem NPD-Urteil definiert. Die zu schützende freiheitlich demokratische Grundordnung (fdGO) wurde zurecht auf die drei Pfeiler Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde konzentriert. Völkische Konzepte, also solche, die nicht den Menschen in den Mittelpunkt stellen, sondern das (ethnisch „rein“ konzipierte) Volk, sind danach verfassungswidrig. Zumindest Teile der AfD denken in diesen Kategorien, weshalb Seehofers Bemerkungen zur Verfassungstreue von Beamten nicht abwegig sind.

Die AfD ist aus Sicht von CDU/CSU eben auch eine Konkurrenzpartei, die durch die Stigmatisierung wohl geschwächt wird

Teilweise wurde Seehofers Initiative so verstanden, als würden nun alle Beamte mit Verbindungen in extremistische Kreise individuell geprüft. Darum aber geht es (noch) nicht. Seehofer hat sein Haus nur um eine Präzisierung der Maßstäbe gebeten. Es ist das gleiche Muster wie bei der Einstufung der AfD als „Prüffall“. Die Instrumente, wie man mit Verfassungsfeinden umgehen kann, werden gezeigt, aber noch nicht angewandt.

Indem Seehofer die Pflicht zur Verfassungstreue von Beamten thematisiert, kann er Klärungsprozesse in der AfD befördern. AfD-Staatsdiener, die etwas zu verlieren haben, werden mobilisiert, um den Weg der Partei nach ganz rechts außen zu stoppen.

Partei- und Berufsverbote nur als letztmöglicher Weg

Seehofers Vorgehen hat aber den Makel, dass es ihm möglicherweise nicht nur um Demokratie und Menschenrechte geht. Die „Alternative für Deutschland“ ist aus Sicht von CDU/CSU eben auch eine Konkurrenzpartei, die durch die Stigmatisierung wohl geschwächt wird.

Vor allem aber sind Partei- und Berufsverbote in einer liberalen pluralistischen Demokratie stets ein Selbstwiderspruch. Das Verteidigenswerte wird dabei immer ein Stück weit verraten. Solche obrigkeitsstaatlichen Lösungen müssen in der Demokratie deshalb grundsätzlich das letzte Mittel bleiben. Das gilt auch schon für die offene oder versteckte Drohung mit solchen Maßnahmen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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12 Kommentare

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  • Man muß noch nicht mal linksradikal sein, um das Schauspiel unterhaltsam zu finden:

    Die Regierung, die ein eher lockeres Verhältnis zum Grundgesetz pflegt, meint es zu verteidigen gegen die mit der noch nonchalanteren Einstellung.

    Von Storch würde sagen: Zum Schießen.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @kditd:

      Seehofer soll gesagt haben: 'Die Mutter aller AfDler ist die Union'.



      Gauland soll geantwortet haben: 'Die CSU sei ein Mückenschiss in der Geschichte des richtigen Deutschseins.



      Seehofer darauf: Frau von Storch kann sich jederzeit die üppige bayerische Rüstungsindustrie anschauen und in die CSU eintreten. Sie wäre herzlich willkommen. Wir haben sowieso zu wenig Frauen in der Partei.



      Gauland: Wir auch.



      Herzliches und langes Gelächter zwischen den beiden.

      • @91672 (Profil gelöscht):

        Ab in - Die Anstalt - hm!;)

  • Seehofer schwafelt.

    Wenn wirklich eine Gefahr von Menschen mit AfD-Meinungen ausgeht, dann kann man dies nicht an der Mitgliedschaft in der AfD ausmachen.



    Ich habe mich sofort gefragt, wie jemand wie Höcke Lehrer, sogar noch Geschichtslehrer werden konnte. Die von ihm vertretenen Meinungen wird er auch vor der Gründung der AfD gehabt haben, dennoch ist es kein Problem wohl damit im schwarzgrünen Hessen Kindern Geschichte beizubringen. Dass er unter der Kreationistin Wolff, die damals in Kochs Kabinett Kultusministerin war, beamtet werden konnte, wundert kaum.

    Aber es ist schon bezeichnend, dass afaik Höcke zwar nun nicht mehr in den Schuldienst zurückkehren soll, aber trotz grüner Regierungsbeteiligung offenbar niemand Interesse hat, zu untersuchen, was Höcke da in seiner Lehrerzeit getrieben hat. Kein/e Vorgesetzte/r, kein/e SeminarleiterIn von ihm wurde wohl befragt, wie sowas Lehrer (und dann sogar noch Oberstudienrat) werden konnte.

    Solange es wohl den SchülerInnen und Eltern egal ist, was ihren Blagen beigebracht wird, und den PolitikerInnen es egal ist, dass den Eltern und SchülerInnen es egal ist, bringt es wenig, AfDler auszuschließen, wenn offenbar Lehrpläne existieren (und in anderen Verwaltungen entsprechende Pendants), die Ansichten a la Höcke zur Verbreitung helfen.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Ja, das stimmt alles.



      Zur Entschuldigung könnte man ein paar Punkte nennen:



      1. Die Partei Ausländerfeinde Deutschlands gibt es noch nicht so lange



      2. Und wenn ausgerechnet eine Kreationistin Höcke geschützt hat, tja, dann ...



      3. und Hessen hat ja auch bei der Polizei ein paar Fehlbesetzungen.



      4. Meistens können die Eltern sich nicht aussuchen, welche Lehrer ihren Kindern das richtige und echte Deutschsein eintrichtern.

  • Der Seehofer weiß hier natürlich sehr genau, worum es geht. Schließlich war Bayern mit seiner CSU-Mehrheit damals das einzige Bundesland, das die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland von Anfang an abgelehnt hat.

    „Verbote helfen nicht“ - Das kann ja durchaus richtig so sein, muss es aber doch nicht und die Frage ist auch immer, wobei sie denn letztlich nicht helfen. Wirkliche Klarheit kann es doch darüber letztlich immer nur geben, wenn es auch tatsächlich ein Verbot gegeben hat.



    In den letzten Jahrzehnten, hat der Gesetzgeber hierzulande ja überwiegend auf Verbote zugunsten „freiwilliger Selbstverpflichtungen“ verzichtet. Wieso „freiwillige Selbstverpflichtungen“ jetzt weniger lächerlich sein sollten als Verbote, erschließt sich einem nicht recht. Nach meiner Kenntnis kann man es doch als gesichert ansehen, dass mit einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ bislang in keinem einzigen Fall das vorgebliche Ziel erreicht wurde.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich traue meinen Augen kaum, hat es doch die taz-Redaktion mal wieder geschafft, an den Fakten vorbei zu schreiben und Seehofer falsch zu zitieren!

    Seehofer sprach explizit von "Rechts- wie Linksradikale[n]" und nicht lediglich von "Extremisten", wie es in diesem Text dargestellt wird.



    www.zeit.de/politi...kale-linksradikale



    www.faz.net/aktuel...efen-16036860.html

    Der Unterschied dazwischen ist riesig.



    Während sogar der Verfassungsschutzbericht 2018 über den so genannten Linksextremismus in Sachsen betont, dass radikale linke politische Ansichten in einer pluralistischen Gesellschaft vertreten werden können. Der Unterschied zu so genannten extremistischen Weltanschauungen besteht darin, dass Prinzipien wie das Rechtsstaatsgebot, das Mehrparteienprinzip, die Gewaltenteilung und die Menschenrechte auch in radikal linken Demokratiekonzepten bejaht werden (wie es auch im kurdischen Rojava sichtbar ist), in extremistischen Herrschaftsvorstellungen jedoch nicht. Das ist die Verfassungschutz-Definition.

    Wenn Seehofer in genauer Kenntniss dieser Unterscheidung nun davon spricht, "Radikale" aus dem Staatsdienst zu entfernen, dann setzt er die gegenwärtige Herrschaftsform der "real existierenden" parlamentarischen Demokratie als alternativlos und fordert von Beamten eine Art Kadavergehorsam.

    "[A]uch die Mitte kann extremistisch werden, etwa wenn sie keine Kritik mehr zulässt oder Andersdenkende in die Ecke stellt, die im Rahmen der Verfassung agieren. Zugespitzt wird die Mitte extremistisch, wenn sie etwas für alternativlos erklärt [...]. In einer offenen Gesellschaft gibt es immer Alternativen, die diskutiert werden müssen."



    Prof. Klaus Schröder



    www.zeit.de/gesell...u-berlin-interview

  • Ganz grundsätzlich begrüße ich ein Berufsverbot für „AfD-Beamte“! Diese Brandstifter sollen wissen und merken, dass sie mit ihrem Tun etwas aufs Spiel setzen; etwas verlieren können. Und ein Wegfall des Beamtenstatuses tut weh. Und dies wäre SCHÖÖÖÖÖÖÖNNNN und richtig!



    Doch wenn so ein Vorschlag von unserem Eisenbahn-Horst eingebracht wird, so ist zu befürchten, dass ein solcher Vorstoß dann sehr viel eher „links“ greift, als „rechts“; so zumindest meine aus der Vergangenheit abgeleitete Befürchtung.



    Daher ist in so einem Fall zu fordern, dies gebietet schon unsere Verfassung, dass die zu erfüllenden Voraussetzungen, welche zu solch einem Berufsverbot führen, klar und zweifelsfrei ausformuliert und kodifiziert werden. „Unbestimmte Rechtsbegriffe“ verbieten sich in solch einem Fall.



    Und es ist zu befürchten, dass ein derartiger Anspruch die gegebenen Fähigkeiten heutiger Verfasser von Gesetzestexten bereits deutlich übersteigt.



    Praktisch werden also die Brandstifter nichts zu befürchten haben, was ich vom Ergebnis her sehr bedauere, da diese Nasen nach meinem Dafürhalten allesamt sofort aus dem Staatsdienst als Beamte und aus dem öffentlichen Dienst entfernt gehören. Doch dazu müsste Horst auch das Sehen auf der „rechten“ Seite erlernen.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    gut, richtig und wichtig der Blick zurück.

    Wenngleich der Radikalenerlass von 1972 nur partiell vergleichbar ist, es eben damals (richtig erwähnt) lediglich um die Sympathisanten von sog. Splitterparteien und Organisationen ging.

    Mich erinnert das Ganza (heute) auch ein wenig an George Orwell, der äußerst desillusioniert aus dem spanischen Bürgerkrieg zurück kam.

    "Linke" an der Macht können das mindestens genauso gut wie "Rechte", wie die US-McCarthys der 60er.

    Und heute scheint es nicht mehr mit Splitterparteien getan, mögen sich die neuen (linken?) Demokraten an einer Partei versuchen, die im Bund und in den Ländern zweistellige Prozentergebnisse erreicht.

    Eine Art exekutiv inszenierter Radikalenerlass in ganz neuer Quantität mit demonstrativ vorgetragenem hehren Framing.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Sicher - partiell nur vergleichbar.

      Auch hieß das Berufsverbote-Teil -



      Extremistenbeschluß - zutreffend. Woll



      (“Radikalerlaß“ ist ein Euphemismus!;(

      Nö. Mit Heinz Kühn könntemer sagen:



      “Beatrix von Storch als Präsidentin in Karlsruhe beschäftigen & Alexander Gauland als Polizeipräsident von Frankfurt am Main - das geht nicht!“



      (…öh - Oder doch^¿^ - hm?)

      unterm——



      de.wikipedia.org/wiki/Radikalenerlass

      • @Lowandorder:

        Diese Unterscheidung - s.o. - ist keine Petitesse - mag Jugend forsch dem reaktionär-konservativen Mainstream auch weiterhin & blind Tribut zollen.

        Sie hat mir in den 70ern die Einstellung gebracht. Wußte ich doch - gut gebrieft - dem ebenfalls SPezialDemokraten aka sog “Roter Blind…öh Bischof“ - damit ein huldvolles nunja - Lächeln auf die Gesichtszüge zu zaubern.



        (Von dem Tick - Jackett-auf-Jackett-zu -;(



        Mal ganz ab. Newahr. Normal^!^;((

        ps - Konnte mich vor Lachen kaum halten - bei seinem kackfrechen rechts&verfassungswidrigen politischen “Ausholen“ - Ja Ja durch den “höchsten“ Verfassungsrichter NRW.

        kurz - Nich to glöben. Liggers. Aber.



        Rein tonn katolsch warrn. Aber Hallo!

        So geht das

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Zitat: 'Teilweise wurde Seehofers Initiative so verstanden, als würden nun alle Beamte mit Verbindungen in extremistische Kreise individuell geprüft'.



    Nein, nein. Da müsste man ja ganze Teile der Polizei und der Bundeswehr prüfen. Vom BND oder den Verfassungsschutzämtern ganz zu schweigen. Seehofer will nur die Ausländerfeinde Deutschlands (AfD) entweder zur Mäßigung oder zur Rückkehr in Mutters Schoß, in die Union, auffordern.



    'Kommt zurück zu uns, dann bekommt ihr Absolution und wir reden nicht mehr darüber. Versprochen!' so Seehofer in einem noch geheimen Stammtischgespräch.