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Debatte Merkels WahlkampfDer Gegner ist nicht die SPD

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Inhalte braucht Merkel für ihr Umfragehoch nicht. Gefährlicher als Kritiker im Inland könnten ihr die Populisten aus dem Ausland werden.

Wenn es um die Machterhalt geht, läuft es wie geschmiert zwischen Merkel und Seehofer Foto: dpa

D ie Union wird diesmal nicht davonkommen, indem sie inhaltlich kneift.“ Gesagt hat das Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender. An diesem Wochenende verabschiedet seine Partei ihr Wahlprogramm. Martin Schulz wird „Jereschtischkeit“ fordern, Agenda-Kanzler Gerhard Schröder den Genossen Feuer unterm Hintern machen. So ein Parteitag ist schließlich eine Bildermaschine. Und gute Bilder brauchen die Sozis dringend; in Umfragen liegen sie sagenhafte 15 Prozent hinter der Union.

Die wiederum genießt ihre Überlegenheit. Neuester Coup: Statt Inhalten präsentiert Generalsekretär Peter Tauber lieber erst einmal nur Form. Die von ihm gerade vorgestellte Plakatkampagne der CDU gibt zwar schon einen Vorgeschmack auf die Kernthemen Wirtschaft, Arbeit, Sicherheit, Familie und Europa. Das ist es dann aber auch.

Ein bisschen Merkel-Lächeln. Ein modernes Schwarz-Rot-Gold-Design. Ein sperriger Claim („Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“) samt Twitter-Hashtag #fedidwgugl, der so gaga ist, dass er schon wieder gut ist. Das war’s. Mehr Futter gibt’s erst mal nicht für die streithungrigen Sozis.

Die Kampagnenstrategie der Union gleicht verblüffend ihrer Regierungsstrategie: politische Mitbewerber inhaltlich in Vorleistung gehen lassen. Was gut ankommt beim Wähler, für sich reklamieren; was Ärger macht, dem Koalitionspartner in die Schuhe schieben. Wenn es komplex werden, kommt Merkel und kocht jedes noch so große Thema auf die Größe eines Tässchens Espresso ein.

Man kann das blöd finden. Selbstgewissheit und Herablassung sind unsympathisch. Aber sorry, es funktioniert. Die Umfragen sprechen eine ziemlich klare Sprache. Zweite Sieger – hier: die SPD – schaden sich da mit ihrer wohlfeilen Empörung nur selbst. Schlimmer: Ihr hoher Ton lädt geradezu ein, ein bisschen an ihrem Rentenkonzept rumzukritteln. Und mal ehrlich, auch SPD-Vize Stegner weiß ja, dass die Union noch zu keiner Wahl „gekniffen“ hat; ein Programm gehört zu jeder Partei, die gewählt werden will.

Gemeinsamer Parteitag geht nicht

Schon bald, nämlich am 3. Juli, präsentieren Angela Merkel und Horst Seehofer dieses gemeinsame „Regierungsprogramm“. Und dann wird im Berliner Konrad-Adenauer-Haus die Bildermaschine angeworfen. Seehofer wird Merkel lausbubenhaft behandeln, Merkel wird ihr Große-Schwester-Lächeln anknipsen. Vergessen die Demütigungen der zurückliegenden anderthalb Jahre – wenn es um den Machterhalt geht, läuft es wie geschmiert zwischen CDU und CSU. Einen Parteitag, auf dem womöglich diskutiert, gar gestritten worden wäre, gab es nicht. Ausrede: Zwei Parteien könnten nun mal nicht gemeinsam tagen. Wie praktisch.

taz.am wochenende

Am liebsten würde Alina Lanisch ihre Mutter niemals wiedersehen, zu oft wurde sie verletzt. Ihre Mutter ist manisch-depressiv. In der taz.am wochenende vom 24./25. Juni schreibt sie über die Hilflosigkeit einer Tochter, die nie eine Tochter sein konnte. Außerdem: Ein Ex-SED-Funktionär gibt sich als jordanischer Honorarkonsul aus und lebt viele Jahre in einem Schloss. Und: Neil Harbisson ist der erste anerkannte Cyborg der Welt. Im Gespräch erzählt der Brite, wie der Himmel klingt. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Merkel und Seehofer werden ein Steuerprogramm präsentieren, das den Reichen nicht wehtut und die Unternehmen schont. Arbeitsplätze sind CDU und CSU heilig. Die Parteichefs werden das ohnehin beschlossene Ende des Soli verkünden und Segnungen für Familien versprechen. Vielleicht gibt’s wieder ein Fünferl mehr Kindergeld, vielleicht mehr Geld für Bildung und Forschung, ziemlich sicher Milliarden für den überfälligen Ausbau des Internets. Das Thema Sicherheit hat die CSU längst für sich reklamiert, indem sie Joachim Herrmann als nächsten Innenminister für gesetzt erklärt hat.

Reicht das für den sicheren Wahlsieg? Gemach. All das Großspurige, das Unhinterfragte kann der Union noch zum Nachteil gereichen. In Washington, Moskau und Ankara warten Merkels Gegner nur darauf, sie zu beschädigen.

Was Desinforma­tions­kampagnen bewirken können, konnte man im US-Wahlkampf bestaunen. Ebenso, was Populisten unter Politik verstehen. Und sollte der türkische Präsident Erdoğan auf die Idee kommen, den Flüchtlingsdeal mit Deutschland aufzukündigen, wäre es vorbei mit der innenpolitischen Hochstimmung. Allerdings auch für die Sozialdemokraten. So läuft es nun mal in Großen Koalitionen.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "In Washington, Moskau und Ankara warten Merkels Gegner nur darauf, sie zu beschädigen."

     

    Das passt schon - es geht insgesamt um Deutschland und die EU.

     

    Ein zersplittertes Europa als Hühnerhaufen würde gut ins Konzept passen.

     

    Von daher war es gut das Holland und Frankreich den Populisten widerstanden haben.

  • Treffender Kommentar, Frau Maier, aber ob wir wirklich auf Hilfe aus Moskau, Washington oder Ankara hoffen sollen weiß ich wirklich nicht.

    Und wenn man das ganze politikverdrossene Greinen hier in den LeserKommentaren liest dann kann einem ganz anders werden...

  • Danke für den Artikel. Wenn die Überschrift bei allen ankäme, die sich in irgendeiner Weise für politisch links halten, wäre schon viel erreicht.

    Während die Konservativen aus Gründen des Machterhalts taktisch vorgehen, neigen Parteien,Guppen, Einzelpersonen und Journalisten links der FDP eher dazu sich untereinander abzugrenzen und besserwisserisch mit erhobenem Zeigefinger mögliche Koalitionspartner zu belehren.

     

    Man muss die SPD ja nicht lieben, aber wer sich in erster Linie an der SPD abreagiert, mag in einzelnen Punkten Recht haben, wird damit aber zugleich zum Wahlhelfer von Merkel, Seehofer und Lindner.

  • Ach, die SPD verkackt es wieder einmal.

     

    Anstatt mit einem Konzept aufzuwarten, das einem den Mund offen stehen lässt, wie z.B. Rente nach österreichischem Modell, Abschaffung der Mehrwertsteuer und Einführung der Finanztransaktionssteuer, Aufhebung der Beitragsbemessungssgrenze bei der gesetzlichen Sozialversicherung, Einführung der Sozialversicherungspflicht für Kapitaleinkünfte, Erhebung von Maschinensteuer etc.....

     

    Irgendetwas, was nicht ein bunteres Pflaster auf das klebt, was Rot-Grün zwischen 1998 - 2005 angerichtet hat.

     

    Aber nein, Schulz kam, verschwand und taucht nun auf mit der Abschaffung eines Solidarbeitrags bis 2020, den niedrige und mittlere Einkommen eh kaum zahlen, mit 1-2 % (von so gut wie Nichts) mehr, für kleine Einkommen und 2-3 Cappuccino mehr für mittlere Einkommen ab 2021???

     

    Was für ein mutloses Nichts du verkackte SPD. Sauge weiter an der Zitze des Großkapitals und beiße Dich fest an Merkels Schleppe. Du hast Scheiße gebaut, dann verkackt, die Scheiße ausgebreitet und vermehrt und seit 2013 sprühst Du Deo drauf.

     

    Vergiss es SPD - Du bist am Ende.

    • @Thomas Elias:

      "Aufhebung der Beitragsbemessungssgrenze"

       

      Wie viel soll man denn den Leistungsträgern der Gesellschaft noch wegnehmen?...

    • @Thomas Elias:

      „Anstatt mit einem Konzept aufzuwarten, das einem den Mund offen stehen lässt, wie z.B. …“

       

      Wie kommt’s dann aber, dass bei den Ösis das Phänomen „Politikverdrossenheit“ nicht weniger verbreitet ist, als bei uns?

      • @Pfanni:

        ...weil man nur selten zu schätzen weiß was man hat und nur darauf sieht was fehlt und nicht stimmig ist.

      • @Pfanni:

        Keine Ahnung....

    • @Thomas Elias:

      Sie schrieben genau das, was auch ich sagen wollte, aber zu formulieren leider nicht im Stande war. Danke.

  • Frau Maier, abermals 'Chapeau !' für Ihre sehr treffende innenpolitische Beschreibung des Phänomens Merkel.

     

    Außenpolitisch gesehen bin ich mir nicht sicher, ob die drei genannten Herren, Merkel überhaupt für mächtig genug halten, dass sie ihnen in irgend einer Form gefährlich werden könnte. Ob sie sie denn richtig ernst nehmen ? Ob sie sie überhaupt schädigen wollen ? Da habe ich meine Zweifel.

  • Stimmung

     

    Inhalte braucht Politik sowieso nicht.

    Berlusconi hat es gezeigt.

    Heidegger schrieb vom "Geschwätz im Man"; Nietzsche diagnostizierte Nihilismus.

    Politik braucht Stimmung, denn Stimmung bringt Stimmen.

    Politik ist heute ihr eigenes Kabarett. Kabarette sich wer kann...