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Debatte FlüchtlingspolitikDer Preis der Verrohung

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Menschenrechte sind nicht billig. Der Preis für eine menschenverachtende Asylpolitik wird aber noch viel höher sein.

Menschen zahlen mit ihrem Leben (Streetart in Bamberg). Bild: dpa

I nnenminister brauchen Feinde. Wie sonst können sie sich als Schutzpatrone inszenieren? Terroristen eignen sich prima für dieses Theater, gegebenenfalls tun es auch Linke, notfalls müssen unpolitische Kriminelle herhalten. Thomas de Maizière nun hat sich eine neue Berufsgruppe ausgesucht: Die Schlepper.

Das ist ungewöhnlich, aber zeitgemäß. Immerhin machen ertrinkende Flüchtlinge neuerdings Schlagzeilen, und der Innenminister muss sich fragen lassen, was er gegen das Massensterben im Mittelmeer zu unternehmen gedenkt.

Seine Antwort zwischen den Zeilen lautet: Nichts. Gut vernehmlich sagt er: Wir stecken in einem Dilemma. Denn wir können die Menschen nicht einfach ertrinken lassen. Doch wenn wir sie alle retten, dann hilft das vor allem den „kriminellen Schleppern“. Die verdienen Tausende Dollar damit, Menschen auf unsicheren Booten nach Europa zu bringen. Das müsse ein Ende haben, weshalb ein neues Seenothilfeprogramm nicht infrage komme.

Im Moment finden Tausende von Menschen den Tod. Weswegen in der Presse vielfach von einer „Tragödie“ gesprochen wird. Doch dieser Begriff geht fehl.

Kein unausweichliches Schicksal

So ist Tatsache, dass in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits schätzungsweise 900 Menschen ertrunken sind – im letzten Jahr waren es im selben Zeitraum 50 –, kein unausweichliches Schicksal. Es ist das Ergebnis einer politischen Entscheidung, nämlich der, das europäische Rettungsprogramm „Mare Nostrum“ einzustellen. „Mare Nostrum“ war von Oktober 2013 bis Oktober 2014 aktiv und rettete in dieser Zeit rund 100.000 Vertriebenen das Leben. Man kann dieses Programm jederzeit wieder aufnehmen.

Das aber wollen Europas Sicherheitspolitiker nicht. Und de Maizière als Sprachrohr der deutschen Konservativen will es schon gar nicht. Schließlich: Wenn die Leute nicht ertrinken, stellen sie in Europa Asylanträge, zum Beispiel in Deutschland. Darauf ist die deutsche Verwaltung nicht eingestellt (auch ein Ergebnis einer politischen, nämlich personaltechnischen Entscheidung).

Blöd nur, dass mangels Kapazitäten und Kompetenzen darüber diskutiert wird, Flüchtlinge nicht nur in Containern, sondern auch in ehemaligen KZs unterzubringen. Das übersteht kein guter Ruf unbeschadet. Also schien es opportun, das Programm zur Rettung durch eines zur Kontrolle zu ersetzen: „Triton“ (passenderweise heißt so ein griechischer Meeresgott) soll daher nicht mehr Leben, sondern EU-Außengrenzen schützen.

Über diese Fakten aber geht de Maizière hinweg. Und der ihn zur jüngsten Katastrophe interviewende ZDF-Journalist trägt sie auch nicht an ihn heran. Weshalb der Minister unwidersprochen Flüchtlingshelfer zum eigentlichen Problem erheben kann.

Die wirklichen Kosten

Ohne diese Helfer also blieben die jungen Männer und die vielen Kinder in Syrien oder in Libyen? Auch dafür fehlt dem Minister der Beleg. Doch wieder muss er keine Nachfrage befürchten. Weshalb er nahtlos zur Schelte der EU-Länder übergeht.

Sein Ärger, dass Frankreich oder England so gut wie niemanden aufnehmen, ist aber natürlich berechtigt. Doch würde das mächtige Berlin auf eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik dringen, würde diese auch auf den Weg gebracht. Das tut Berlin aber nicht. Denn: Was ist mit den Kosten? Und es stimmt ja: Menschenrechtsschutz sind nicht billig. Trotzdem ist der eigentliche Preis der Verrohrung ein anderer, und er ist höher.

Eine EU, die es zulässt, dass Tausende vor ihren Küsten ertrinken, wird sich auch intern der grassierenden Menschenverachtung nicht erwehren können. Der Aufstieg der Rechten (wie hierzulande der AfD) ist Vorbote einer solchen Entwicklung. Was nämlich könnte ein de Maizière der Fremdenfeinden entgegenhalten? Nichts. Genau. Eine gerechte Flüchtlingspolitik ist daher vor allem eine Frage des Selbstschutzes.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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72 Kommentare

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  • Wie viele solcher (im Übrigen vorsätzlich veranlassten, um die Aufnahme uu erpressen) hat Singapur? Wie viele Australien?

     

    Keine! Die Schleuser wissen, dass es dort keinen Erfolg verspricht und lassen es.

     

    Und: Verdient die italienische Mafia an den Schleusungen mit?

  • Das hatten wir doch schon mal, Gelle :-)

    http://taz.de/!154571/#bb_message_3231572

     

    Warum sollte der Niemand sich wundern? Der weiß alles. Nur seinen Namen hat er verleugnet.

     

    "Multi sciant Multa

    Nemo omina.",

    werteR Arcy Amore.

  • Niemand in diesem unserem Lande scheint sich auch darüber zu wundern sich , dass ein (ZDF-) Journalist den CDU-Minister nicht auf das große "C" der großen Regierungspartei anspricht , und anläßlich sogar auf das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lukas 10 , 25-37) , welches ich (Atheist) noch aus meinem Religionsunterricht von vor 60 Jahren kenne .

    • @APOKALYPTIKER:

      Niemand scheint sich darüber zu wundern, dass die Pegida-Teilnehmer zum allergräßten Teil konnfessionslos und Atheisten sind.

      http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/philosophische_fakultaet/ifpw/poltheo/news/vorlaender_herold_schaeller_pegida_studie

      • @Want Amore:

        Hitler sprach in Reden hin und wieder vom lieben Gott. Quasi gleich als eine der ersten Amtshandlungen hat er die Kirche mit dem Konkordat bedient. Bis zum Tod war er Katholik. Also Gottgläubigkeit hilft da scheints auch nicht. Und diese Kirchen haben mit Gott so viel zu tun wie der Teufel mit dem Weihwasser. Insofern passt das ja auch im Zusammenhang mit Adolf recht gut.

        • @fornax [alias flex/alias flux]:

          in mein Kampf soll er auch recht häufig über Gott geredet haben.

      • @Want Amore:

        möchten Sie damit andeuten, dass religiös musikalische und konfessionell gebundene menschen zu universaler/universalisierender ethik eher in der lage sind als konfessionslose und atheisten?

        falls ja, da wäre ich ganz bei Ihnen.

        auch wenn das C in parteinamen dagegen zu sprechen scheint.

        • @christine rölke-sommer:

          Welche universale Ethik meinen Sie ? Die der Kreuzzüge oder die der spanischen Inquisition ?

          • @jhwh:

            weder-noch.

            erwarte mit spannung die nächste frage.

        • @christine rölke-sommer:

          Nein. Aber vielleicht möchte der obige Atheist Atheismus als den Eso-Stein der Weisen sehen.

        • @christine rölke-sommer:

          Werte CRS, der Anteil der Konfessionslosen bei den Pegida-Mitläufern entspricht dem Anteil an der Bevölkerung der ehem. DDR. Der war/ist ca. 75 %. Arcy Amore versucht auch noch aus solch banalen Tatsachen statistischen Kunsthonig zu saugen.

          • @lichtgestalt:

            Und? Ist doch wurscht. Es ändert nichts an der Tatsache, dass die Abendlandverteildigung und die osdeutsche Nazikake eine Veranstaltung von Konfessionslosen und Atheisten ist.

            • @Arcy Shtoink:

              Dann könnte man genauso gut auch sagen, dass sei eine Veranstaltung von Fleischessern, Autofahrern, Jackenträgern oder einer Gruppe mit jedem anderen beliebigen Merkmal, welches mehrheitlich, allerdings entsprechend der Verteilung in der Gesamtpopulation auftritt.

            • @Arcy Shtoink:

              Ich bin konfessionslos, aber weder "Abendlandverteildigung" noch "osdeutsche Nazikake".

              "Was nun"?

      • @Want Amore:

        Diese Studie ist aus methodischen Gründen aussagelos!

        • @Dhimitry:

          Wo haben Sie den diese Erkenntnis her?

          • @Want Amore:

            Sagt Ihnen der Begriff Repräsentativität etwas?

             

            http://www.mdr.de/fakt/fakt_pegida_studie_kritik100.html

            • @Dhimitry:

              Sie wird dadurch nicht aussagenlos, sondern nur nicht repräsentativ. Das begrenzt die Aussagen, die man damit treffen kann.

               

              Zum Beispiel könnte man sagen: „bei denen, die antworten, lässt sich keine Besonderheit in der Religionszugehörigkeit feststellen“

               

              Etwa 2/3tel der Absagenden haben die Interviewer einfach ignoriert.

               

              Die Studie beschreibt das auch (Seiten 31 bis 39).

              • @Arne Babenhauserheide:

                Nungut, Sie haben Recht. Mit dieser Studie lassen sich keine repräsentativen Aussagen über Pegida treffen, so wie es der Mitdiskutant versucht hat.

  • Wir in Europa bestimmen auf vielfältigste wie widerwärtige Art und Weise auch den Arbeitsmarkt in Afrika. Es kommen Menschen, die vor Ort Ihre selbst produzierte Ware nicht mehr verkaufen, da Importe aus Europa die Preise kaputt machen. Für mich hat jeder Flüchtling via Touristenvisum (wie es TECUMSEH beschriebt) das Recht, sich bei europäischen Arbeitsämtern arbeitslos zu melden, da sein Arbeitsplatz in Afrika durch Exportdumping vernichtet wird. Das wäre eine weitere arbeitssolidarische Sicht auf die Politik Europas wie Afrikas.

    • @jörg krauss:

      Ja, Jörg Krauss. Wir Europäer sind alle böse und Afrikaner alle gut. Wir haben verstanden.

      • @DorianXck:

        Neinnein. Jörg muss unbedingt Unrecht haben, denn es darf keinerlei Zusammenhänge in der Welt geben. Null. Stellmavor, da wär ein Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten. Dann müssten wir das ja aushalten und versuchen zu ändern! Und auch noch lernen, einen Post mal genau zu lesen und nicht ins Leere zu antworten.

      • @DorianXck:

        Es gibt Kollektivschuld; aber eine Kollektivhaftung. (Martin Niemöller)

        • @lichtgestalt:

          Eine wie auch immer geartete "Kollektivhaftung" ist mit rechtstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Bitte informieren Sie sich, Traumatänzer.

          • @DorianXck:

            Falls Sie deutscher Staatsangehöriger sind, haften Sie täglich für die Taten und Unterlassungen von Frau Merkel.

            • @lichtgestalt:

              Das hätten Sie wohl gerne. So ist es eben nicht.

              • @DorianXck:

                Was ich gern hätte? Dass Kanada ans Mittelmeer verlegt wird.

        • @lichtgestalt:

          Es gibt k e i n e Kollektivschuld (sry)

          • @lichtgestalt:

            Dann versuchen Sie doch, uns dafür haftbar zu machen, wenn Sie meinen, damit erfolgreich zu sein, Traumatänzer. Viel Erfolg dabei !

            • @DorianXck:

              Das bahnt sich mit TTIP an - aber als Haftung gegenüber Konzernen, nicht gegenüber Afrika.

  • Solange wir nicht bereit sind, in Kriegsgebieten zu inervenieren und zumindest für Flüchtlinge Sicherheitszonen zu schaffen, um ihnen dort ein menschenwürdiges Überleben zu sichern, wird sich nichts ändern.

    Bevor man in den Massenlagern ohne ausreichenden Schutz, Nahrung, Hygiene und medizinische Versorgung täglich ums Überleben kämpft, nimmt, wer kann. lieber den Exodus nach Europa in Kauf. Die Chancen stehen allemal besser als in den Massenlagern dahin zu vegitieren.

    Europas Flüchtlingspolitik selektiert zwischen den Starken, die den Weg übers Meer schaffen und der Wirtschaft dienen können und den Schwachen, vor allem Alte, Frauen und Kindern - für die nicht einmal genug Nahrung zur Verfügung gestellt wird.

  • Staatsgläubigkeit

    Wenn ich mich daran erinnere, was für die Menschen, die aus Nazideutschland geflohen sind, wichtig war, war immer davon die Rede, ob sie sich irgendwo aufhalten durften, jedoch nie davon, ob sie von den Staaten, in denen sie Zuflucht suchten, unterstützt wurden - wohl aber, dass es für viele schwer war, dort Fuß zu fassen, wenn siedenn überhaupt bleiben durften. Warum lernen wir nicht daraus? Gastrecht für alle ohne Anrecht auf staatliche Unterstützung und Bleiberecht für alle, die nach einem Jahr einen Bürgen für ihren Lebensunterhalt gefunden haben oder nachweisen können, dass sie für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Das würde der viel beschworenen Zivilgesellschaft viele Möglichkeiten geben und dem Staat eine Interventionsfeld nehmen – das wäre eine attraktive linke Politik, die den Charme hätte, den dumsmarts den Wind aus den Segeln zu nehmen.

  • Der Handel mit Afrika ist minimal. Ueberwiegend geschieht er mit China und Indien. Sollen die Afrikaner also nach China und Indien?

    • @Gabriel Renoir:

      Wie kommen Sie auf solch eine Behauptung? Ich empfehle Ihnen, sich wenigstens Basiskenntnisse des Themas anzueignen, wenn Sie sich ernsthaft an einer Diskussion beteiligen wollen.

      • @Ute Krakowski:

        Frau Krakowski, ich muss Sie leider korrigieren. Gabriel Renoir liegt richtig, Sie liegen falsch. China ist seit 2013 der größte Handelspartner der afrikanischen Staaten. Also sollen die Afrikaner mehrheitlich nach China ?

        • @DorianXck:

          Seit 2013, soso. Aber wie lange "pflegen" die Europäer schon Beziehung zu Afrika, und sicher nicht nur gleichberechtigten Handel? Zweite Frage: Allein die Handelsbeziehungen können doch wohl kein Grund sei, die Flüchtlinge dahin zu schicken. Hat vielleicht auch was mit Entfernung und Erreichbarkeit zu tun.

  • "Wir müssen aufhören, Afrika auszubeuten." Jean Ziegler

    Nur dann wird der Flüchtlingsstrom geringer werden.

    Hört sich platt an, ist aber so.

    Umverteilen, ausbilden, aufnehmen. Alles andere ist zu teuer.

    • @aujau:

      Menschen in Not und in Gefahr müssen Zuflucht in der BRD finden können, dass oftmals die von der BRD ausgehende Wirtschafts- und Machtpolitik zu den Gefahren und dem Elend beigetragen haben ergibt zusätzliche Verantwortung.

       

      Wenn hierzulande jedoch „Fachkräfte“ fehlen sollten, so ist dies die Chance für die Länder, in denen solche leben, es bislang aber keine Arbeit für sie gibt. Und die Nachfolgeeffekte, die sich ergeben, wenn sie in ihrer Heimat Arbeit haben, braucht man nicht zu schildern.

      • @Tecumseh:

        Ein endlich korrigiertes Konzept von Arbeit weg von Überproduktions- und Wachstumswahn hin zu Arbeit im Umweltschutz ergibt Arbeitsplätze genug für alle, egal in welchem Land.

        Ich höre mich mal wieder platt und naiv an. Ist aber so.

    • @aujau:

      Und nebenbei auch irrsinnig. Statt Reichtum in der BRD zu verteilen ist es sinnvoller Reichtum überall zu verteilen

      • @Want Amore:

        Umverteilung meint grundsätzlich internationale Umverteilung, besonders im Hinblick auf die Korrektur der Politik der Schuldenfallen, der Rohstoffpreise und der Abschaffung des Handelsprotektionismus für EU und USA.

      • @Want Amore:

        Ach, ist das schon wieder Ihr altes Argument der "Umverteilung von Unten nach ganz Unten", Arcy Schtoink?

  • Hält Frau Kappert das Schlepperwesen denn wohl für gut ?

    • @DorianXck:

      Die EU kann ja auch preiswerte Touristenvisa anbieten, bei Ankunft kann dann ein Asylantrag gestellt werden.

       

      Damit hätte der normale Fährbetrieb eine Chance.

      • @Tecumseh:

        @Tecumseh: Asyl sollte wirklich nur politisch, rassisch oder religiös Verfolgten gewährt werden. Sonstige Immigration sollte über eine kluge, menschliche und ethisch vertretbare Einwanderungspolitik (Beispiel Canada) geregelt werden. Warum tut man sich damit in D so schwer ?

        • @DorianXck:

          ich empfehle einen etwas längeren blick in die allgemeine erklärung der menschenrechte http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf

          mitsamt folgekonventionen.

          und sich klarzumachen, dass der flüchtlingsbegriff der GFK nicht in stein gemeißelt ist.

          er kann verengt werde, so wie z.b. Sie das versuchen - und er kann erweitert werden, z.b. durch anerkennung geschlechtsspezifischer verfolgung.

          gegenwärtig ist die erweiterung um den 'umweltflüchtling' in der diskussion, die erweiterung um den 'armuts/wirtschaftsflüchtling' steht ebenfalls auf dem programm - unausweichliche folge von globalisierung, klimakatastrophe, land-grabbing etc. einerseits und festschreibung der WSK-rechte http://www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/uno-abkommen/pakt-i/humanrights.ch: andererseits.

          daran ist eine "kluge, menschliche und ethisch vertretbare Einwanderungspolitik" zu messen. und eben gerade nicht am beispiel Kanada.

           

          warum sich 'schland so schwer tut? ganz einfach: es hängt immer noch am gedanken der volksgemeinschaft und daraus resultierend an der idee, der zu+wegzug volks-fremder müsse unbedingt fremden-polizeylich geregelt werden.

          • @christine rölke-sommer:

            Frau Rölke-Sommer, gegen eine Erweiterung des Flüchtlingsbegriffes ist nichts einzuwenden. Die Frage ist, was politisch gewünscht ist und wie gerecht die Lasten und auch die Chancen unter den aufnehmenden Ländern verteilt werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass der brain drain in den Herkunftsländern ggf. zu lindern ist. Ganz wird man ihn wohl nicht verhindern können. Die Einwanderungspolitik Canadas halte nach wie vor für sehr vorbildlich. Ich habe selbst 5 Jahre in Vancouver BC gelebt, wo mittlerweile mehr als 30 Prozent aller Menschen asiatischen Hintergrund haben. Wenn jemand wirklich interessiert ist, nach Canada auszuwandern, wird er immer einen Weg finden, wenn nicht auf Anhieb, dann meist mit einem zweiten, spätestens aber mit einem dritten Versuch.

            • @DorianXck:

              die frage scheint mir eher, was endlich als politisch (hergestellt) anerkannt und in asyl/flüchtlings-politik umgesetzt gehört.

              deshalb mein hinweis darauf, woraus sich die maßstäbe ergeben, für asyl/flüchtlings- wie einwanderungspolitik.

               

              dass europa besonders viele lasten zu tragen hätte, läßt sich schwer begründen, beguckt man sich mal über unhcr, wo+wohin sich die sog. flüchtlingsströme bewegen. die eu - und vor allem 'schland! - jammert da auf sehr hohem niveau.

               

              auf den lobpreis kanadas reagiere ich immer erst mal allergisch. denn meist wird auf kanada in der hoffnung verwiesen, damit hätte sich asyl erledigt und man könnte sich von der GFK verabschieden.

               

              in der diskussion um die umwandlung des ausländergesetzes in ein zuwanderungsgesetz befand sich 'schland im jahr 2001 ganz kurz auf dem weg zu einem einwanderungsrecht. zu einem der kanadischen art, könnte man so sagen. gesetz ist das nicht geworden, stattdessen wurde der 'alte' fremden+arbeits-polizeyrechtliche ansatz und flickenteppich beibehalten.

              aber: das ist nicht das thema.

              sondern das thema ist, dass wer in not, auch einen schiffscontainer finden wird, um nach kanada zu gelangen+asyl zu beantragen. und sei es um den preis, im schiffscontainer zu ersticken/verhungern/verdursten.

              • @christine rölke-sommer:

                Im Resettlement-Programm wird Flüchtlingen aus dem Ausland (die sich z.B. in Flüchtlingslagern aufhalten) die Reise nach Canada finanziert, sei es durch die Regierung oder durch private Gruppen und Organisationen oder Einzelpersonen. Man unterstützt damit die dauerhafte Neuansiedlung besonders verletzlicher Flüchtlinge, gewährt ihnen vollen Flüchtlingsschutz und bietet ihnen die Möglichkeit, sich im Land zu integrieren und ein Leben in Würde aufzubauen. Vor diesem Hintergrund finde ich ihre Schiffscontainer-Bemerkung äußerst geschmacklos und würde mir wünschen, dass Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ablegen.

                • @DorianXck:

                  meine geschmacklose schiffscontainer-bemerkung hat einen sitz im leben.

                  hätte der rumänische in 'schland abgelehnte asylbewerber mir vorher erzählt, was er vorhat, hätte ich überlegt, wie ich den wahnsinn verhindern kann. hat er aber nicht. weshalb ich nur zur kenntnis nehmen konnte, dass der wahnsinn erfolgreich war.

                  darüber, wie es seiner frau ging, während gatte und sohn unterwegs waren, hat sie nie gesprochen.

                  so viel zu vulnerabilität.

                   

                  ideologische scheuklappen würd ich solche geschichten nicht nennen. sondern geschichten von der 'schland abgewandten seite des mondes.

                   

                  was resettlement anbelangt: da macht 'schland auch mit. sagt es. fragen Sie mal über die abgeordnete Ihres vertrauens (oder bei unhcr in berlin) nach, wieviele von den jährlich 300, zu denen 'schland sich verpflichtet hat, tatsächlich schon aufgenommen wurden.

                  die antwort dürfte dafür sorgen, dass Ihnen hoffentlich die scheuklappen abfallen.

                   

                  im übrigen ist mir in meiner arbeit noch kein flüchtling of all three+x sexes begegnet, die nicht "besonders verletzlich" gewesen wäre. vielleicht fragen Sie bei unhcr mal nach, wie es denen geht, welche die zum jeweiligen aufnahmeland passenden ganz besonders verletzlichen aussortieren dürfen. das für solche arbeit notwendig falsche bewußtsein=ideologie ist ziemlich ungesund, so jedenfalls meine erfahrung mit mit-menschen (und mir selbst), die in dem bereich arbeiten.

                  • @christine rölke-sommer:

                    Werte Frau Rölke-Sommer, bei diesem Thema werden wir wohl im Dissens verbleiben. Es ist nicht schlimm. Es geht auch nicht um uns, sondern um eine kluge, ausgewogene und gerechte Flüchtlingspolitik.

  • Warum wollen Linke keine Auffanglager für Asylsuchende auf afrikanischem Boden?

    • @Want Amore:

      weil diese lager nicht auf- sondern abfangen sollen.

      handelte es sich um 'durchgangslager' in botschaften-nähe, auf botschaften-geländen, von denen aus die weiterreise organisiert würde .... dann ließe sich vielleicht, ganz vielleicht noch drüber reden.

      vielleicht schreibe ich deshalb, weil das heutige nationalstaatliche 'schland (und nicht nur dieses) die umstandslose=unsortierte weiterreise ja gerade nicht will.

      linke position kann daher nur sein: no border, no nation, no lager.

      • @christine rölke-sommer:

        Dann schauen wir mal, Frau Rölke-Sommer, inwieweit die von Ihnen als "links" bezeichnete Position mehrheitsfähig sein wird. Ich kann nur für mich behaupten, dass ich ganz froh darüber wäre, wenn zukünftig beispielweise islamistische Terroristen der nigerianischen Boko Haram eben nicht deren Belieben nach D einreisen können.

        • @DorianXck:

          want amore wollte wissen, was linke gegen " Auffanglager für Asylsuchende auf afrikanischem Boden".

          da hab ich kurz+knackig geantwortet und ebenso kurz+knackig die linke position dazu skizziert.

          unausgeschrieben habe ich dabei zwischen partei-politischer und linker position unterschieden.

          parteipolitisch wird sicherlich nach mehrheitsfähigkeit gefragt - links jedoch nicht. auch wenn links utopisch sein/scheinen mag.

           

          und ob boko haram unbedingt nach 'schland wollte?

          und falls ja, immer noch als boko haram?

          • @christine rölke-sommer:

            Ist wohl egal, wie sich dieses islamistische Geschmeiß nennt. Hauptsache es bleibt uns mit seiner Scharia vom Hals.

            • @DorianXck:

              geschmeiß?

              • @christine rölke-sommer:

                Ja, "Geschmeiß". Anders möchte ich die massenmordenden Horden der Boko Haram nicht bezeichnen.

                • @DorianXck:

                  die verrohung beginnt im kopf, in der sprache.

                  • @christine rölke-sommer:

                    Vielen Dank für das Kompliment. Ich Rohling weiß es zu schätzen, wenn es von Ihnen kommt.

      • @christine rölke-sommer:

        Sie behaupten nur und belegen nichts. Und die Position "no border, no nation, no lager" ist eine Fluffi-Position die nichts bewirkt außer ein Wellness-Politik-Gefühl.

        • @Want Amore:

          was soll ich belegen?

          dass unser bundesinnenfuzzi in nordafrika keine durchgangs- sondern abfanglager will?

          das sagt er (und nicht nur er) jedes mal, wenn er was dazu sagt. Sie sollten vielleicht besser zuhören resp. genauer lesen!

           

          meine "Fluffi-Position" habe ich mir als anwältin für asyl+ausländerrecht hart erarbeitet. ich kenne den wahnwitz der sortierei nur allzugut.

          weshalb ich mich von einem so hübschen wort wie auffanglager nicht blenden lasse - im gegensatz zu Ihnen.

      • @christine rölke-sommer:

        linke position kann daher nur sein: no border, no nation, no lager.

         

        Wie lange wird das gutgehen, wenn jeder darf wie er will ? 4 Wochen ? 6 ? Tolle Aussichten, Ihr Linkes "Konzept"...

        • @Jom:

          probieren wir's doch mal aus!

          das system von abschottung+ausgrenzung haben wir ja schon lang genug ausprobiert. mit dem ergebnis, dass es immer weniger funktioniert, dafür aber immer teurer wird.

    • @Want Amore:

      ich kann mir keinen Linken vorstellen, der etwas dagegen hätte, wenn Bürgerkriegsflüchtlinge mit Schiffen oder Flugzeugen abgeholt würden, um den Gefahren zu entgehen.

      • @Tecumseh:

        schaun se mal hie in die taz: "Flüchtlingsauffanglager in Afrika

        „Zynisch und realitätsfern“" http://www.taz.de/!156287/

        • @Want Amore:

          Sie negieren Ihre eigene Meinungsäußerung mit dem verlinkten Artikel. "Kritik kam von Menschenrechtsorganisationen sowie von Grünen und Linken. Der Europareferent von Pro Asyl, Karl Kopp, nannte die Debatte „zynisch, realitätsfern und geschwätziges Blendwerk“. Er forderte eine europäische Seenotrettung und Aufnahmeprogramme." steht da - und: "Die EU-Abgeordnete Ska Keller von den Grünen kritisierte die Auffanglager als „eine neue Spielart der Festung Europa“. Die Innenexpertin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, sagte in Berlin, solche Lager seien „ein weiterer Baustein bei der Abschottung der EU gegen schutzsuchende Menschen“.

           

          Also da steht doch ziemlich klar, warum "Linke" keine Auffanglager für Asylsuchende auf afrikanischem Boden wollen. Und es steht auch da, was sie statt dessen wollen:

          "eine europäische Seenotrettung und Aufnahmeprogramme."