DB wirbt in Kroatien: Sonderprämie für Fachkräfte
In Kroatien ist Bahnfahren nicht direkt populär. Das hindert die Deutsche Bahn nicht daran, dort Lokführer:innen für den Betrieb daheim zu suchen.
W ährend die Lokführer hierzulande streiken, hupen sie in Kroatien weiter. Jedes Kuhdorf, in dem der Lokführer eine Cousine oder einen Saufkumpel kennt, wird mit einer Signalhorntrompete begrüßt. Je näher der Lokführer seiner Herkunftsregion kommt, umso häufiger hupt er, gegen Ende der Reise hört er damit gar nicht mehr auf.
Zwar kann man über viele Kilometer auch einfach neben der Bahn herlaufen, so langsam bummelt sie an fantastischen Naturwundern und öden Industrie- und Logistiklandschaften vorbei. Der Lokführer inszeniert sich hier dennoch weiterhin wie ein Pionier der Elektrifizierung.
Mittlerweile wird er vor allen Dingen dafür gefeiert, dass es ihn überhaupt noch gibt und er museumsreife Dieselloks auf eingleisigen Wackelstrecken durch den Karst laviert, obwohl außerhalb der Touristensaison so gut wie niemand in den Zügen sitzt.
Nun wirbt die Deutsche Bahn ausgerechnet hier um diese Fachkräfte. „Wir suchen Lokführer:innen in Kroatien“ annonciert die DB in Deutschland und bietet für sachdienliche Hinweise sogar eine „Sonderprämie von 2000 Euro“.
Eine einzige, na gut, zwei Bahnstrecken
Das ist wirklich lustig. Aus allerlei Gründen:
1. hat Kroatien einen ganzen Zoo diakritischer Zeichen auf seinem ABC, es gibt sogar einen Buchstaben, bei dem ein Zeichen mitten durch ihn durchgeht (das „đ“ in „strojovođa“, kroatisch für Lokführer). Genderzeichen wie das in „Lokführer:innen“ gibt es aber nicht.
2. nutzen in Kroatien wirklich nur Touristen die Bahn. Alle anderen fahren Bus.
3. sind Züge in Kroatien wie oben beschrieben museumsreif, selten und gelten unter Einheimischen als unsicher (Im Jahr 2020 sprach mich um Mitternacht am Bahnsteig in Zagreb ein Mann mit Bierdose an: „Sind Sie schon mal Bahn gefahren?“ Es war sein erstes Mal, er war damals 63 Jahre und hatte sich vor lauter Angst vor der Fahrt ans Meer betrunken).
4. hat Kroatien streng genommen eine einzige, na gut, zwei Bahnstrecken: die eine führt von Ost nach West, die andere von Nord nach Süd. Auf der einen Strecke fährt ein Zug zwei Mal am Tag hin und wieder zurück, auf der anderen teilen sich den Job zwei Züge.
Warum also sucht die Bahn ausgerechnet in Kroatien nach ausgebildeten Lokführer:innen?
2.000 Euro Kopfprämie
Am meisten jedoch irritiert die „Sonderprämie“ von 2.000 Euro. Die Höhe dieses Kopfgeldes findet sich nämlich nur in der Anzeige mit dem Gender-Doppelpunkt. Auf der kroatischen Seite des DB hingegen ist von einer so hohen Sonderprämie für Lokführervermittlung keine Rede. Da sind die Prämien so gestaffelt: 500 Euro kriegt, wer jemanden vermittelt, der bei der DB als Praktikant oder Studierender angestellt wird. 1.000 Euro gibt es für jemanden, der zeitlich befristet angestellt wird. Und 1.500 Euro für eine Fachkraft, die zeitlich unbefristet angestellt wird.
Nichts gegen Prämien. Auch die Kroaten verwenden sie, um Ausländer anzulocken. Was den Deutschen der Fachkräftemangel, ist den Kroaten der Einwohnerschwund. Ähnlich wie in Italien gibt es kroatische Gemeinden, die unfertige oder unbewohnbare Häuser zum Schnäppchenpreis verkaufen, um ihren aussterbenden Dörfern zu neuem Leben zu verhelfen.
13 Cent für ein Haus
Für 13 Cent können sie beispielsweise im 2.000-Einwohner-Kaff Legrad an der kroatisch-ungarischen Grenze ein Haus erwerben (Entfernung zur Adria: 280 km, Entfernung zum nächsten Bahnhof: 20 km). Zur Belohnung winkt dem Käufer noch eine Prämie von ein paar tausend Euro für die Renovierung.
Ich habe meiner gesamten kroatischen Verwandtschaft die Stellenanzeige der Bahn weitergeleitet. Niemand möchte sich bewerben. Sie wollen lieber wissen, wie sie an Tickets für die EM kommen. Mit der Bewerbung bei der Uefa für die Vorrundenspielkarten hat es nämlich nicht geklappt. Bei erfolgreicher Vermittlung von Tickets bieten sie eine Sonderprämie.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlerfolg der Linken
Keine Zeit, jetzt lang zu feiern